Borussia-Trainer Hecking "Wir setzen auch auf den Faktor Zeit"

Mönchengladbach · Borussias Trainer Dieter Hecking spricht im Interview mit unserer Redaktion über die Neuverpflichtungen, eventuelle weitere Transfers und seine Ziele für die neue Saison.

 Borussia Mönchengladbachs Trainer Dieter Hecking jongliert den Ball.

Borussia Mönchengladbachs Trainer Dieter Hecking jongliert den Ball.

Foto: dpa, mb lof

Der Sommerurlaub ist fast vorbei, am Sonntag um 11 Uhr starten die Borussen in die Vorbereitung auf die neue Saison. Im Gespräch mit Karsten Kellermann blickte Cheftrainer Dieter Hecking noch einmal zurück auf seine ersten knapp sechs Monate als Borussen-Trainer, sagte, was ihn noch immer ärgert, erklärte die Veränderungen im Mitarbeiterstab, sprach über die neuen Spieler, Borussias "jungen Weg" und formulierte ein erstes Ziel für die neue Saison.

Herr Hecking, im Rückblick: Was ist von der ersten Halbserie als Gladbach-Trainer besonders im Gedächtnis geblieben?

Dieter Hecking Zum einen, dass wir unser erstes Ziel, nichts mit dem Abstiegskampf zu tun zu haben, sehr schnell erreicht haben und nicht in große Probleme geraten sind. Das war nach dem Verlauf der Hinrunde wichtig. Zweitens hat sich erfüllt, was ich mir erhofft habe: Es macht Spaß, daran zu arbeiten, dass Borussia stärker wird. Daran arbeitet der gesamte Klub. Wir wollen weiter positiv auf uns aufmerksam machen, das ist die Motivation. Drittens muss ich sagen, dass auch im Urlaub die Enttäuschung noch groß war, das Pokalfinale verpasst zu haben. Das kam alles noch mal richtig hoch, als ich das Endspiel angeschaut habe.

Sie sind ein ehrgeiziger Trainer: Welche Ziele haben Sie für die neue Saison?

Hecking Es muss immer darum gehen, im Pokal weit zu kommen. Das Ziel ist, nach Berlin zu kommen, das muss man immer im Auge haben. Über die Bundesliga kann ich im Moment nicht zu viel sagen. Es kann noch einiges passieren. Köln hat jetzt 35 Millionen Euro, um zu investieren. Der Hamburger SV wirbelt und auch Schalke fängt nun an, nachdem der neue Trainer da ist. Wichtig ist, dass wir unsere Hausaufgaben machen. Wir haben eine sehr homogene Mannschaft. Gut ist, dass wir das Betreuer-Team im medizinischen Bereich mit Andreas Schlumberger verstärkt haben. Wir hatten über einen langen Zeitraum sehr viele Verletzte, und wenn die Spieler, die uns gefehlt haben, häufiger spielen können, wird das enorm helfen.

Sie haben Schlumberger angesprochen. Er und Otto Addo sind sozusagen strukturelle Transfers.

Hecking Richtig. Auch das sind Erkenntnisse der ersten fünf Monate bei Borussia. Max Eberl schaut immer sehr kritisch-konstruktiv auf den Klub und hat gesehen, dass es in den letzten beiden Spielzeiten zu viele Verletzte gab. Wir haben festgestellt, dass in diesem Bereich die Kommunikationsstrukturen verbessert werden müssen. Andreas Schlumberger hat im Bereich Prävention und Steuerung einen ausgezeichneten Ruf in der Branche. Wir haben uns schon einmal getroffen und ausführlich gesprochen - ich hoffe, er wird mit seinen Ansätzen unsere Verletztensituation verbessern.

Otto Addo soll sich insbesondere um die Top-Talente kümmern.

Hecking Wir wollen aus dieser Stelle noch mehr herausholen. Ich kenne Otto Addo schon aus gemeinsamen Zeiten in Hannover und habe ihn da bereits als intelligenten und cleveren jungen Spieler kennengelernt. Er war gerade in Hamburg, als wir in der Rückrunde dort gespielt haben, wir haben uns getroffen. Er sagte mir, er suche eine neue Herausforderung. Das, was er zuletzt in Nordsjaelland gemacht hat, passte absolut zu unseren Ideen: die jungen Spieler zu begleiten auf ihrem Weg zum Profi-Dasein und in die Bundesliga, sie zu analysieren und mit ihnen Extra-Einheiten zu machen. Otto kommt mit seiner Art gut bei jungen Spielern an. Mit ihm und Andreas Schlumberger wächst der Mitarbeiterstab, aber es wird immer wichtiger, individueller zu arbeiten. Beide Personalien bringen Borussia weiter, denke ich.

Es gibt auch neue Spieler. Reece Oxford zum Beispiel für die Abwehr. Wie ist das Team hinten rum aufgestellt?

Hecking Ich bin froh, dass wir mit Reece ein Talent dazu bekommen haben. Natürlich müssen wir schauen, dass wir Andreas Christensen ersetzen, das ist nicht leicht. Aber wir haben Alternativen. Trotzdem halten wir weiterhin die Augen offen, wie sich der Markt entwickelt. Wir sind gut aufgestellt, sind aber bereit, wenn sich noch eine gute Option bietet.

Reece Oxford ist 18 und damit ein weiterer Mosaikstein des "jungen Weges", den Borussia geht. Bietet der Weg mehr Chancen als Risiken?

Hecking Ich finde schon. Und wir haben ja im Team eine starke Achse aus erfahrenen Spielern. Lars Stindl macht es jetzt auch im Nationalteam sehr gut, er zeigt, was ihn für eine Mannschaft wichtig macht. Gegen Australien hat er keinen Fehlpass gespielt und war torgefährlich, er hat bestätigt, was ich Bundestrainer Joachim Löw gesagt hatte, als wir über Lars gesprochen haben. Dazu kommen noch einige weitere erfahrene Spieler. Sie können die jungen Spieler anleiten und führen. Darum ist es gut, ein paar junge Spieler dazu zu holen. Wie gesagt: Der Kader ist homogen.

Schauen wir auf das zentrale Mittelfeld. Denis Zakaria ist ein anderer Typ als Mo Dahoud, sagt Max Eberl. Ist er eher ein Xhaka-Typ?

Hecking Auch Granit ist ein anderer Typ als Denis. Er organisiert das Spiel von hinten raus. Denis ist ein typischer Box-to-Box-Spieler mit viel Dynamik und Aggressivität. Er hat sehr viel Potenzial, aber auch er ist erst 20, wir müssen abwarten, wie er die Umstellung von der Schweizer Liga auf die Bundesliga hinkriegt.

Wie sieht es vorn aus? André Hahn scheint auf dem Sprung zu sein, Josip Drmic will zum Trainingsauftakt wieder da sein, nach seinen Knieproblemen, wann er aber wieder völlig fit ist, ist nicht absehbar. Kommt noch ein Mittelstürmer?

Hecking Wir sind ja leider nicht allein auf der Welt. Und wir können nur mit Bedacht investieren. Wir haben uns entschieden, Denis Zakaria zu holen und vielleicht noch etwas in der Defensive zu machen. Vorn haben wir uns mit Vincenzo Grifo verstärkt. Er ist stark bei Standards und technisch sehr gut. Und wir haben Julio Villalba dazu bekommen. Er ist auch noch jung, aber schon ein bulliger Typ. Wir sind gut besetzt. Trotzdem halten wir auch für die Offensive immer die Augen offen. Wir müssen das ja nicht bis zum ersten Trainingstag geklärt haben. Wenn wir anfangen, ist das Transferfenster noch fast zwei Monate offen. Wir setzen ein bisschen auf den Faktor Zeit, vielleicht ergibt sich noch eine Möglichkeit, die bisher noch nicht absehbar ist.

Was für ein Typ sollte es sein, wenn vorn noch etwas gemacht wird?

Hecking Es muss sportlich passen. Dass ich unbedingt einen Typ klassischer Mittelstürmer haben will, wird mir immer ein bisschen in den Mund gelegt. Wie gesagt: Wir haben den Markt im Blick.

In den ersten sechs Monaten als Borussen-Trainer haben Sie auf ein fixes 4-4-2 gesetzt. Werden Sie mit dem Team für die neue Saison Varianten einstudieren?

Hecking Die Mannschaft hat es im 4-4-2 sehr gut gemacht. Der Kader ist für dieses System zusammengestellt. Darum wird es nicht die große Revolution geben. Es gibt inzwischen viele Teams, die hinten mit einer Dreier- oder Fünferkette spielen. Und von Fall zu Fall werden wir auch etwas Neues einstudieren, um einen anderen Plan zu haben - aber es muss immer passen. Es ist für mich vor allem entscheidend, dass wir Disziplin haben, taktische Disziplin und Systemsicherheit.

Worauf werden Sie in der sechswöchigen Vorbereitung besonderes Augenmerk legen?

Hecking Es geht darum, Grundlagen zu schaffen, aber auch Abläufe einzustudieren. Es ist natürlich mehr Zeit als im Winter. Aber man darf nicht vergessen, dass am 2. Juli nicht alle Spieler da sind. Unsere Nationalspieler kommen erst am 14. Juli zurück, Lars Stindl wegen des Confed-Cup erst am 24. Juli dazu. Die, die später kommen, sind wichtige Spieler - das ist das Schicksal, das alle Klubs haben, die Nationalspieler stellen. Andererseits ist das natürlich auch die Chance für die Spieler, die von Beginn an da sind, sich zu zeigen. Wir werden versuchen, die Vorbereitung effektiv zu nutzen.

(RP)
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