Borussia Mönchengladbach Fordern und Fördern

Mönchengladbach · Die beiden Tests gegen Leeds und Nizza bedeuten eine Zäsur in Borussias arbeitsreichem Trainingslager. Dieter Hecking sieht seine Spieler nun besser gewappnet für taktische Alternativen als im Winter.

 Borussia-Trainer Dieter Hecking mit Talent Reece Oxford.

Borussia-Trainer Dieter Hecking mit Talent Reece Oxford.

Foto: Dirk Päffgen

Schauer waren für die vergangenen Tage angekündigt am Tegernsee, doch es blieb trocken. Die Borussen indes hätten sich möglicherweise gefreut über ein wenig kühles Nass, das vom Himmel fällt. Es wäre eine willkommene Erfrischung gewesen während der langen Zeit, die sie auf dem Rasenplatz des FC Rottach-Egern verbrachten.

Rund 550 Minuten verteilt auf fünf Trainingseinheiten absolvierten sie während der vergangenen drei Tage. Den bisherigen Rekord gab es am Dienstagvormittag, als Trainer Dieter Hecking die Fußballer zwei Stunden und zehn Minuten üben ließ. Nun, den Rekord am Tegernsee, den hat er damit nicht eingestellt. Denn einige Borussen können sich an längere Einheiten in Rottach-Egern erinnern, mehr als zweieinhalb Stunden lang, das gab es, als noch Lucien Favre der oberste Fußballbeauftragte des Vereins war.

Am Donnerstag sehen die, die schon länger Borussen sind, Favre wieder. Die Testspiele gegen den OGC Nizza (18 Uhr in Rottach-Egern/Live-Ticker), den neuen Verein des im September 2015 recht plötzlich entschwundenen Westschweizers, und die Partie vorher gegen Leeds United (14.15 Uhr/Live-Ticker) definieren eine Zäsur in diesem "Lager". Es ist der vierte Tag, die Mitte mithin, und eine Abwechslung zum bisherigen Alltag mit Training, Essen, Ausruhen, Training. Zwei Teams wird Borussia aufstellen, und eines davon, die Leeds-Gruppe, kommt sogar etwas herum, schließlich ist das Spiel im österreichischen Schwaz.

Nach dem Doppelspieltag stehen noch drei Einheiten an, bevor es Sonntag heimwärts geht (mit einem Spiel-Stopp in Nürnberg): Eine am Freitag zum Auslaufen der Spielstrapazen und dann zwei, wohl auch ausführlichere, am Samstag. Körper und Geist werden geschult im fußballerischen Sinne, die ballorientierten, zugleich aber laufintensiven Einheiten sollen eine konditionelle und taktische Basis legen für die Saison. Daher wechseln sich Theorie und Praxis ab: Immer wieder betätigen Hecking und seine Trainerkollegen die Stop-Taste, dann kommt die Taktiktafel ins Spiel und der Rasenplatz wird zum Studienseminar. Laufwege und Raumaufteilungen werden erläutert, dann wird wieder gespielt, alles wieder und wieder.

"Repetition ist the Mother of Learning", sagt der Engländer, frei übersetzt kann man sagen, dass Nachhaltigkeit in der Wiederholung liegt. Hecking will eine disziplinierte Gruppe, in der der Einzelne seine ganz persönliche kreative Note einbringt, gruppenorientierte Individualität also. Die Spieler, das hat Hecking zufrieden festgestellt, beginnen damit, sich während der Spielformen selbst zu coachen, das bedeutet: Die Botschaft ist nicht nur angekommen, sondern auch schon verinnerlicht. Der Fußball hält das schöne Wort Automatismen für so etwas parat. Klare Strukturen, klare Abläufe, klare Ansagen — das werden die Modernisierer des Spiels zwar als "Old School" einsortieren, doch Hecking steht dazu. Das Modernste ist ohnehin immer der Erfolg.

Eine Erfolgsgarantie gibt es selbstverständlich nicht, doch soll die Erfolgswahrscheinlichkeit vergrößert werden. In der vergangenen Saison sind die Borussen weit gekommen, aber das Gefühl, dass es weiter hätte gehen können, ist der Anlass, nun an jenen Stellschrauben zu drehen, die als Schwachstellen ausgemacht wurden: Die nachhaltige Stabilität und Entschlossenheit im entscheidenden Moment, vor allem hinten, aber auch vorn. Das ausgedehnte Programm ist Fordern und Fördern zugleich.

Dass junge Spieler wie Mickael Cuisance richtig Alarm machen, kommt dem Trainer gerade recht. Das schärft den Konkurrenzkampf. Der Effekt: Jeder gibt richtig Gas, wie Jonas Hofmann gesagt hat, denn jeder will sich möglichst gut positionieren für den Start in die Saison. Gegen Leeds und Nizza wird sich zeigen, was die Schufterei bisher gebracht hat.

Hecking wird, wie schon im Winter, die Dreierkette ausprobieren - in einem 3-4-2-1- oder 3-5-2-System, je nach Anforderung. Im Januar kam die Variante für den Ernstfall noch nicht in Frage als alternatives Modell, dafür war die Ausgangslage mit nur 16 Punkten nach 16 Spielen zu prekär — es ging zunächst darum, wieder Stabilität zu finden. Die kam im 4-4-2 zurück.

Die Basis ist nun da, davon ausgehend will Hecking systemische Alternativen schaffen, um weniger ausrechenbar zu sein. Der Kader gibt das her. Eine Revolution werde es nicht geben, sagte Hecking vorab. Aber er arbeitet an einer Erweiterung der Möglichkeiten. Ausgiebig geübt haben die Borussen. Heute wird sich zeigen, was es gebracht hat. Auf gewisse Weise ist es der Tag einer ersten Wahrheit, was die Variationsfähigkeit der Borussen angeht.

(kk)
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