Borussia Mönchengladbach Gladbach gegen Köln ist wie Batman gegen Joker

Mönchengladbach · Es ist wie bei Superhelden und Superschurken: Borussia Mönchengladbach und der 1. FC Köln, die ewigen Rivalen vom Rhein, können nicht ohne den anderen.

So bereitet sich Mönchengladbach auf das Derby vor
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Batman könnte die Sache beenden. Er hält das Seil in Händen, an dem der Joker baumelt. Darunter ist der Abgrund. Lässt Batman los, stürzt der Bösewicht in die Tiefe. Doch der Joker grinst und spottet. Denn er weiß, dass er nicht in Lebensgefahr ist. "Oh, du", ruft er dem Gegenspieler zu, "Du kannst es nicht ertragen, mich fallen zu lassen. Du würdest mich nie töten. Und ich würde dich nie töten, weil ich dann ja keinen Spaß mehr hätte. Ich schätze, du und ich, wir sind dazu bestimmt, ewig so weiterzumachen."

Batman lässt den Joker nicht abstürzen. Er braucht ihn, um eine Daseinsberechtigung zu haben. Der eine kann nicht ohne den anderen, das ist die Botschaft dieser großartigen Szene aus "The Dark Knight". Hier wird die Philosophie aller Superhelden-Geschichten in wenige Sätze gegossen.

Es ist das Schicksal der Superhelden, dass sie ein Alter Ego brauchen. "Das Schlimmste ist, nicht zu wissen, wo man in dieser Welt hingehört", sagt Elijah Price, der Mann aus Glas in "Unzerbrechlich" zum Unzerstörbaren, David Dunn. "Seit ich weiß, wer du bist, weiß ich, wer ich bin, alles ergibt einen Sinn" – das ist die letzte Wahrheit der Geschichte von Gut und Böse. Und auch die Wahrheit eines Fußball-Derbys wie Gladbach gegen Köln. Auch hier geht es um Gut und Böse: Für Gladbach ist Gladbach gut und Köln böse. Der Kölner wird es umgekehrt sehen. Es braucht das Alter Ego, um sich selbst zu definieren. Die Macht am Rhein kann nur sein, wer einen Rivalen vom Rhein hinter sich lässt. Hass kann nur sein, wo Liebe ist. Ein Derby ist Hassliebe.

Der Ursprung der Psychologie eines Derbys ist die Unterscheidung. Jedem sozialen System liegt, heißt es in Niklas Luhmanns Theorie sozialer Systeme, eine Unterscheidung zugrunde, nur dann kann es sich selbst definieren. Luhmann spricht von binären Codes, die Unterscheidungen möglich machen, im Falle des Derbys ist es gut/böse. Oder, einfacher: Gladbach/Köln. "Wissen Sie, woran man auf den ersten Seiten eines Comics den Bösewicht erkennt?", fragt der Mann aus Glas den Unzerstörbaren in "Unzerbrechlich". "Er ist das genaue Gegenteil des Helden. Und meistens sind sie sogar Freunde."

Nun, eine irgendwie geartete Freundschaft zwischen Gladbachern und Kölnern auszumachen, bedarf schon einer außergewöhnlichen Fantasie. Doch gibt es die innere Abhängigkeit, die beide Klubs aneinanderkettet: Alter Ego bedeutet, dass es eine intensive Beziehung zwischen zwei Personen (hier Klubs) gibt, in der beide füreinander Identifikationsfiguren geworden sind. Borussia ist Borussia, auch, weil sie nicht der Effzeh ist. Sie ist der Klub aus der kleinen Stadt, der ewige Gallier, der es immer wieder mit dem römischen Imperium aufnimmt. Und Köln, das ist der Klub – so sehen es wohl die meisten Kölner – der das Herz des Nabels der Welt ist. Ein beachtliches Maß an Selbstüberschätzung ist dem kölschen Gemüt eigen. Gladbach ist klein und grau (Selbstsicht), es hat nur Borussia, mit der es gegenüber der Domstadt protzen kann. Darum ist es immer besser, wenn der FC da ist.

Denn, sehen wir es von nun an ganz aus Gladbacher Sicht: Was ist eine Fußballsaison ohne den Effzeh? Nur halb so schön. Wie herrlich wird es sein, am Karnevalssamstag Köln zu besiegen und zu spotten über den selbsternannten Karnevalsverein! Im Hinspiel gab es ein 0:0, das derart emotionslos war, dass es reichlich Nachholbedarf gibt. In Köln war es, als hätten Batman und Joker mit Wattebäuschchen geworfen, statt eine große Show zu bieten im Kampf um Gotham City. Es muss einen Sieger geben im Derby, sonst macht es keinen Spaß.

Das Gotham City des rheinischen Derbys ist die Vorherrschaft am Rhein, darum geht es immer, wenn sich Borussia und der Effzeh treffen. Dass es ein Zweikampf ist, hat mit dem blinden Fleck der Wahrnehmung beider Klubs zu tun. Zwar ist Bayer Leverkusen, seit Jahren Teilnehmer an der Champions League und stets tabellarisch der wahrhaft erste Rheinland-Klub, und es gibt auch eine ordentliche Rivalität zwischen Bayer und den Kölnern – doch ist es nur Derby Nummer zwei für die Geißböcke. Und Fortuna Düsseldorf? Die würde gern ein ernsthafter Derby-Partner der Borussen sein. Doch die nehmen das nicht an. Zu gering ist der Rivalitätsfaktor.

Zwischen Gladbach und Köln ist er übergroß. Weil es Hennes Weisweiler gab. Der Kölner, der die Fohlenelf erfand und Gladbach zum Meister machte und zugleich an der Kölner Sporthochschule seine Fußballtheorie lehrte. Wenn Derbyzeit war, war er angespannt, der Hennes. Das Training wurde verschärft, die Laune war grenzwertig. Gewann Gladbach, war er total entspannt und zu Scherzen aufgelegt, verlor Borussia, war er persönlich beleidigt. Spaßig war es dann nicht für seine Spieler.

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Später, nach dem Jahr in Barcelona, trainierte Weisweiler den Effzeh – und wurde 1978 Pokalsieger und Meister vor den Borussen, die im skurrilen Wettschießen am letzten Spieltag "nur" 12:0 gegen Borussia Dortmund siegten, während Köln 5:0 beim FC St. Pauli gewann und mit drei Toren Vorsprung den Titel holte. Ausgerechnet der FC machte den größten Gladbacher Sieg zur Niederlage. Bösartiger hätte es sich nicht mal der Joker ausdenken können! Doch die Borussen denken nicht an Niederlagen, wenn es um Köln geht. Sie kokettieren mit der Bilanz: 53 von 115 rheinischen Derbys haben sie gewonnen, nun soll es im 116. den 54. Sieg geben.

Dann hätte das Gute das Böse wieder mal besiegt, dann wäre die rheinische Fußballwelt in Ordnung für die Borussen (kommt es umgekehrt, wäre es umgekehrt). Doch es gibt auch ein Derby-Phänomen, wegen dessen psychologischer Wirkung der Joker nichts zu befürchten hat, als seine Existenz am seidenen Faden hängt: Der Abstieg des Anderen ist für den Moment ein freudiges Gefühl, doch wirklich wünschen tut man ihm es nicht, denn nach dem entschwinden des Anderen kommt der Kater. Darum wünscht man ihm allen möglichen Ärger an den Hals, doch wenn er über dem Abgrund baumelt, mag man ihn nicht abstürzen sehen. Es ist wie bei Batman.

Diesbezüglich eine kleine Feldstudie unter Schalke-Fans, die keineswegs repräsentativ, aber doch aussagekräftig ist: Blau-Weiß hofft irgendwie doch, dass Gelb-Schwarz die große Krise als Erstligist übersteht. Das hat weniger mit Mitgefühl, als mit purem Egoismus zu tun: Dann hätte man ja keinen Spaß mehr, frei nach dem Joker! Den Spaß, es dem anderen zu zeigen. Den Spaß, ihn zu verspotten. Und es gäbe ein hübsches Ziel weniger in der Saison. Das, besser zu sein, als der Andere.

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Foto: dpa, rwe nic

Natürlich geht es auch ohne. Doch dann braucht es Ersatz. Für den Fall der Fälle gibt es allerorts Ersatz. Wenn Batman den Joker nicht hat, kämpft er gegen den Riddler. Oder gegen Two-Face. Der Superheld braucht einen Superschurken. Köln hat einen natürlichen, siehe oben. Borussia muss suchen, weil Düsseldorf nicht ausreicht. Zum Glück gibt es Borussia Dortmund, die andere Borussia. "Einzig wahr" ist hier der Unterscheidungscode der Gladbacher. Doch es ist Derby- Methadon. Fußball-Fans brauchen echte Derbys. Für Gladbacher und Kölner ist es am Samstag wieder die "Mutter aller Derbys".

Batman und der Joker hätten ihren Spaß daran. Weil sie wegen des Karnevals gar nicht auffallen würden in ihren Kostümen. Aber auch, weil sie das Wesen ihrer eigenen Beziehung auf dem Rasen beobachten könnten. "So etwas passiert eben, wenn eine unaufhaltsame Kraft auf ein unbewegliches Objekt trifft", brüllt der Joker in "The Dark Knight" Batman zu und meint damit, die Unvermeidlichkeit des ewigen Kampfes zwischen Gut und Böse. Übersetzt auf den Fußball wäre dies als Zusammenfassung eines Sieges wohl beiden Derby-Teilnehmern gerade recht.

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