Borussia Mönchengladnach Gesprengte Ketten und die große Freiheit

Mönchengladbach · Borussias Ex-Trainer Lucien Favre bevorzugte ein fixes System. Sein Nachfolger André Schubert setzt hingegen auf viel Variabilität.

Borussia Mönchengladbach: Gesprengte Ketten und die große Freiheit
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Wer mit Ex-Trainer Lucien Favre über Borussias System diskutieren wollte, der wurde enttäuscht. Es war eine sehr monothematische Angelegenheit. Favre hatte sich festgelegt, 4-4-2 zu spielen - und wich davon binnen viereinhalb Jahren in Gladbach maximal minimal ab. Das fixe System war der Wohlfühlfaktor für das Team, das Gerüst, darauf konnte sich jeder im Zweifel als letzte Instanz verlassen, inklusive der bis auf den Millimeter gelernten Laufwege. Wer Favre nach möglichen systemischen Abweichungen fragte, einem 4-3-3 oder einem 3-5-2, der erntete fast schon erzürnte Blicke. Der Erfolg gab Favre recht.

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Nun ist Favre weg und André Schubert da. Jeder neue Trainer bringt Neuerungen mit, hat eigene Ideen vom idealen Fußball, hat Vorlieben und Abneigungen. Bei Schubert gab es zuletzt alle oben genannten Systeme zu besichtigen: 4-4-2, 3-5-2, 4-3-3. Doch wer mit Schubert darüber einen Diskurs führen will, der wird ebenfalls enttäuscht. Denn für Schubert gibt es kein System, sondern nur "Rahmenbedingungen", die er seiner Mannschaft an die Hand gibt, immer auch begleitet von einem Plan B. "Wir haben keine Systempräferenz, sondern wollen Lösungen finden, die für die Spieler sinnvoll sind und ihre Stärken herausarbeiten", sagt der 44-Jährige. Er hat sozusagen alle Ketten gesprengt: Mal gibt es drei Verteidiger, mal vier, mal fünf, und auch vorn ist die strenge Zweiervariante passé: Zuletzt gab es ein Dreieck im Sturmzentrum, dafür fielen die offensiven Außen weg. Auch die Doppelsechs wurde zu einer Dreierkette.

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Schuberts Ansatz ist die große Freiheit. Das ist ein großer Vertrauensvorschuss an die Spieler, denn sie haben viel Verantwortung in dieser Konstellation. Borussias Spieler sind durch die akribische Arbeit mit Favre gut geschult in taktischen Dingen - und sie sind lernbegierig. "Die Jungs fühlen sich wohl in vielen Systemen", hat der Trainer herausgefunden - der Kader bietet viel an. Darum entwickelt er immer wieder neue Ideen - zuweilen geht das zulasten der Stabilität, doch Schubert weiß: "Es ist ein Prozess, und der dauert noch."

Beim 3:0 gegen Frankfurt zeigten die Borussen aber, dass sie schon einiges draufhaben an verschiedenen Ansätzen. Denn Schubert rotierte kräftig durch während des Spiels, indem er auf die personelle Situation, die sich aus dem Spiel heraus ergaben, direkt systemisch reagierte: Als beispielsweise Havard Nordtveit verletzungsbedingt raus musste, kam Julian Korb, der Fabian Johnson, bis dahin Rechtsverteidiger, nach links schickt. Martin Hinteregger, als Linksverteidiger gestartet, ging dafür in der Dreierkette auf die Nordtveit-Position. Später, als Roel Brouwers kam, wurde auf eine Viererkette umgestellt.

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Schubert profitiert von der Vorarbeit, die sein Vorgänger und Sportdirektor Max Eberl geleistet haben: Es gibt viele flexibel einsetzbare Kicker im Aufgebot, "der Kader ist sehr gut zusammengestellt", sagte Schubert nun. Ein Ausbund an Flexibilität ist Fabian Johnson. Der gab zuletzt zwar zu, dass es "gut ist, wenn man eine feste Position spielt", doch kann er nahezu alles: Gegen Frankfurt war es Rechts- und Linksverteidiger, vorher spielte er im linken Mittelfeld (kann es aber auch rechts) und war auch schon ein Sechser, zudem, das hat er nachgewiesen, könnte er auch einen Job in der Angriffsreihe übernehmen.

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Eines jedoch, und das ist unabhängig von jeder Formation, ist für Schubert fix: "Das Team hat so viel Kreativität und offensives Potenzial - ich kann es nicht defensiv spielen lassen", sagte er nach dem Frankfurt-Spiel. "Es gilt, beides zu vereinen." Daheim klappte das zuletzt recht gut (nur ein Gegentor in vier Spielen). Heute soll es auch in der Fremde gehen. Bei Schalke 04. Schubert will nachweisen, dass ein Ansatz die Weiterentwicklung des Gladbacher Teams ist. In der Arena kann seine Borussia einen wichtigen Schritt in der Beweisführung machen.

(RP)
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