Borussia im Trainingslager Halbe und echte Neue bringen frischen Wind

Mönchengladbach · Von Josip Drmic über Dieter Hecking zu "Kolo" und Talenten – unser Autor Jannik Sorgatz zieht ein Fazit aus den Tagen von Marbella.

Von Josip Drmic über Dieter Hecking zu "Kolo" und Talenten — unser Autor Jannik Sorgatz zieht ein Fazit aus den Tagen von Marbella.

  • Drmic und Schulz - zwei halbe Zugänge Beim 2:1 gegen Zulte Waregem durften Josip Drmic und Nico Schulz zusammen 156 Minuten ran. Das waren mehr als im gesamten vergangenen Halbjahr. Während Drmic verletzungsbedingt erst im Dezember sein Comeback feierte, machte Schulz seinem Unverständnis über die geringe Einsatzzeit unter André Schubert recht eindeutig Luft. "Nico sieht auch, dass da eine neue Zeitrechnung für ihn beginnen kann", sagte Dieter Hecking. Ohne einen Trainerwechsel hätte Borussia vielleicht einen Abgang zu verzeichnen gehabt, doch so ist Schulz ein halber Zugang. "Wir wollen, dass sich die Arrivierten nicht zu sicher fühlen können", meinte Hecking. Der Zweikampf zwischen Schulz und Oscar Wendt auf der linken Seite hat in Marbella begonnen. Drmic ist der zweite halbe Neue, der einzige gelernte Mittelstürmer im Kader. Auch deshalb ist aktuell sein Körper der größte Widersacher des 24-Jährigen, der sich längst nicht bei 100 Prozent sieht - weniger als 100 sahen aber schon gut aus.
  • Die Chemie scheint zu stimmen Welcher Spieler auch immer gefragt wurde, bezeichnete Hecking als "sehr sympathischen Menschen". Alle könnten seine Söhne sein, doch der 52-Jährige hat ja schon fünf Kinder. "Die decken die ganze Palette ab, die ich hier bei den Spielern vorfinde. Deshalb kann ich unheimlich gut nachvollziehen, was die Jungs bewegt", sagte Hecking im Interview mit unserer Redaktion. Meist nennt er sie aber "Männer" statt "Jungs". Die Autorität, die er gegenüber den Spielern ausstrahlt, wirkt natürlich. Auch zwischen Hecking und Manager Max Eberl scheint die Chemie zu stimmen. "In den ersten längeren Gesprächen haben wir schon gemerkt, dass wir viele Ansichten teilen", sagte der Trainer. "Wichtiger ist, dass wir bei Meinungsverschiedenheiten auf einen gemeinsamen Nenner kommen, die hatten wir bislang natürlich noch nicht. Aber da sehe ich kein Problem."
  • Auch sprachlich nur wenige Experimente Von einer Dreier- bis zu einer Sechserkette hat Schubert allein im Monat Dezember alles spielen lassen. Hecking strebt wohl einen Mittelweg zwischen seinem hyperflexiblen Vorgänger und Lucien Favre an, der das 4-4-1-1 mit zwei Sechsern auf einer Höhe beinahe perfektionierte. "Die Systemfrage will ich nicht dauernd hören", sagte Hecking allerdings. "Es ist so fließend mittlerweile." Zwei, drei Systeme solle seine Mannschaft beherrschen. Wenn Hecking über Taktik spricht, ist das semantisch einfach, aber er hätte es als Fußballlehrer kaum zu mehr als 300 Bundesligaspielen gebracht, wenn er nicht auch ein echter Fachmann wäre. Beispielhaft für seine Sprache ist folgende Aussage über seine Umstellung von einer Dreier- auf eine Viererkette gegen Zulte Waregem: "Der Gegner war offensiv sehr breit aufgestellt. Dadurch waren fünf Mann von uns gebunden. Das war mir zu viel, weil uns dadurch ein Mann im Mittelfeld gefehlt ab."
  • "Kolo" benötigt noch etwas Zeit Am Dienstag hatte Borussia Besuch: Álvaro Dominguez schaute sich in Marbella das Spiel gegen Würzburg an. Als später sein Nachfolger Timothée Kolodziejczak erstmals das Gladbach-Trikot trug, war Dominguez schon wieder weg. Beide sind sich vom Spielertyp her sehr ähnlich, "Kolo" wirkt mit seinen dünnen Beinen etwas leichtfüßiger. "Wichtig war erstmal, dass er mit der Mannschaft spielt und merkt, was abgeht", sagte Hecking nach dem Debüt des 25-Jährigen. Dabei ließ er ihn bewusst etwas zappeln, als es vor der Pause nicht so rund lief. Nach der taktischen Umstellung konnte er seine Qualitäten, dann als echter Linksverteidiger, besser einbringen. "Man hat gesehen, was für ein guter Spielaufbauer er ist", sagte Hecking. An der Abstimmung mit seinen Vorder- und Nebenleuten muss "Kolo" noch etwas feilen, dann ist er gegen Darmstadt ein Startelf-Kandidat. Thorgan Hazard und Yann Sommer dienten in Marbella mit ihren Französischkenntnissen als Integrationshelfer.
  • Jungs machen Männern Druck Djibril Sow war in der Hinrunde der jüngste der 22 Profis, die zum Einsatz kamen. In der Rückrunde dürfte Laszlo Bénes ihn ablösen. Trotz der Verletzten hat Borussia zwar so viele Spieler, dass es gegen Darmstadt noch nicht so weit sein dürfte. Aber der 19-jährige Slowake entwickelt sich gut. "Ich bin nach wie vor positiv überrascht. Aber es gibt auch Unterschiede", sagte Hecking über seine Youngster. So dürften Nils Rütten und Tsiy William Ndenge mittelfristig keine Einsatzchancen haben. Ein Lob holte sich Ba-Muaka Simakala ab, der gegen Waregem beinahe getroffen hätte. "Die Chance hatte ich gar nicht so sehr auf dem Schirm, aber in beiden Spielen hat er es als Joker gut gemacht", sagte Hecking. Bis Sow einen Raffael oder Lars Stindl ernsthaft herausfordern kann, benötigt er noch Zeit. Doch auch er deutete mit seinem schlaksig-eleganten Stil an, dass auf seine vier Einsatzminuten im DFB-Pokal gegen den VfB Stuttgart bald weitere folgen dürften.
  • Marbella hat sich gelohnt Der Bauboom um die Jahrtausendwende hat Marbella nicht gerade zu einer Augenweide gemacht. Doch die baulichen Verfehlungen konnten den Borussen so egal sein wie den Multimillionären, die im Sommer mit ihren Yachten im Hafen anlegen. Gladbach residierte fernab der Stadt am Fuß der Berge. Das Mannschaftshotel "Westin La Quinta" bot den nötigen Wohlfühlfaktor. Nur etwa 500 Meter entfernt lag das Marbella Football Center, das keine Bling-Bling-Anlage ist, dessen Rasenplätze aber scheinbar rund um die Uhr gepflegt wurden. Und auf denen hielten sich die Borussen schließlich die meiste Zeit auf. Nicht so präsent waren diesmal die Fans, knapp 100 waren da. Erst Ende November verkündete der Verein, dass es nach Marbella gehen würde, die Reisekasse dürfte nach den Reisen der Hinrunde nicht mehr so voll sein - und der Ort hat eben seinen nicht immer gerechtfertigten Preis.
(RP)
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