Borussia Mönchengladbach Nordtveits Schritt ist logisch

Mönchengladbach · Havard Nordtveit verlässt Borussia im Sommer. Er wechselt ablösefrei nach England. Dort bekommt er mehr Geld und mehr TV-Präsenz in der Heimat. André Schuberts Charme-Offensive dürfte Nordtveits Erfahrungen der Jahre hinter Christoph Kramer kaum wettgemacht haben.

 Zuletzt war ein wenig in Vergessenheit geraten, dass Havard Nordtveits Platz allzu oft nur auf der Bank war seit 2011.

Zuletzt war ein wenig in Vergessenheit geraten, dass Havard Nordtveits Platz allzu oft nur auf der Bank war seit 2011.

Foto: Dieter Wiechmann

Nun haben also alle Beteiligten Klarheit: Havard Nordtveit verlässt Borussia im Sommer nach dann fünfeinhalb Jahren und versucht zum zweiten Mal sein Glück in der Premier League. In jungen Jahren hatte sich der Norweger beim FC Arsenal nicht durchsetzen können, nun soll es wohl beim Londoner Stadtrivalen West Ham United klappen. Wer Nordtveits Entscheidung einmal von allen Emotionen, von aller Folklore der vergangenen Wochen befreit, muss erkennen: Für ihn ist der Wechsel ein logischer Schritt.

Warum? Darum:

Da wären zunächst einmal die naheliegenden Gründe: Erstens wird der 25-Jährige in der Premier League mehr verdienen, zweitens erhöht er seine Aussichten in der Nationalelf, weil der englische Fußball eine deutlich höhere (TV-)Aufmerksamkeit in seiner Heimat erfährt als die Bundesliga. "Für jeden Skandinavier ist England ein 'big Deal'. In Norwegen gucken sie viel Bundesliga, aber die Premier League läuft Tag und Nacht", hatte "Howie" schon im Trainingslager in Belek Anfang Januar klargestellt. Nun hat er sich also für diesen "big Deal" entschieden, 25 ist ja auch das passende Alter für einen großen Vertrag. Außerdem soll es seine Frau wieder nach London ziehen.

So weit also zu den Gründen für England. Doch es gibt eben auch Gründe gegen Borussia. Ja, seit André Schubert Trainer ist, ist Nordtveit irgendwo in der Startelf immer gesetzt. Und ja, Schubert gipfelte seine Charme-Offensive dem Norweger gegenüber sogar unlängst in der Aussage: "Ich wünsche mir von ganzem Herzen, dass er bleibt. Er weiß, wie sehr ich ihn schätze. Für einen Havard Nordtveit in der Verfassung der letzten Wochen wird immer ein Platz bei uns sein." Ja, Nordtveit wird diese Wertschätzung genießen, genauso wie er das kolportierte Interesse von Borussia Dortmund sehr genossen haben dürfte.

Doch Nordtveit hat eben auch nicht vergessen, wie es sich anfühlt, zwei Jahre lang nur Lückenbüßer zu sein. Und er war zwei Jahre lang, in den Spielzeiten 2013/14 und 2014/15, nur Lückenbüßer. Er kam nicht an Christoph Kramer vorbei, also blieb ihm nichts anderes übrig als die Rolle des stets loyalen und zuverlässigen Back-ups.

Vielseitigkeit als Fluch

In der Summe beider Spielzeiten stand Nordtveit nur in 32 von 83 Pflichtspielen in der Startelf. Das nagte an ihm und kostete ihn wohl auch seinen Platz in der Nationalelf. Hinzu kommt sein ungeliebtes Pendeln auf dem Platz zwischen Mittelfeld, Rechtsverteidiger und Innenverteidiger. "Für meine Karriere ist es besser, im Verein auch fest die Position zu spielen, die ich auch in der Nationalelf spiele", sagte er im Januar. Er meinte die Innenverteidigung.

Die zwei Jahre hinter Kramer dürften ihn womöglich allzu nachhaltig darin bestärkt haben, dass seine Vielseitigkeit auch in den nächsten Jahren letztlich sein Fluch in Gladbach sein könnte. Im Mittelfeld ist ja schon heute kein Platz für ihn, weil Granit Xhaka und Mo Dahoud als Duo gesetzt sind. Geht Xhaka im Sommer, flattern ein oder zwei Hochkaräter als Ersatz vor Nordtveits Nase. Und es sei ebenfalls daran erinnert: In den Spielen der Schubert-Amtszeit, in denen Alvaro Dominguez gesund war, bildete der Spanier mit Andreas Christensen die Innenverteidigung.

Letztlich verliert Borussia in Nordtveit einen charakterlich einwandfreien, soliden, vielseitigen Defensivspieler. Dass seine Verlängerung keine Formalie wurde, überraschte viele im Umfeld, weil sich dort längst die Ansicht durchgesetzt hatte: "Wo soll er auch hin?" Dass Nordtveit nun Angebote und Ehrgeiz wegziehen, hätten viele nicht für möglich gehalten. Interessant ist Nordtveits Entscheidung derweil für zwei Borussen: Marvin Schulz darf sich Hoffnung machen, Nordtveits Planstelle im Kader zu bekommen, und Roel Brouwers hat einen Back-up-Konkurrenten für die Innenverteidigung weniger.

(klü)
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