Borussia im Verfolgerfeld Zum Träumen verpflichtet

Viersen · Die abgehängten Verfolger des FC Bayern in der Bundesliga bewegen sich auf einem historisch schwachen Punkteniveau. Trotz wechselhafter Ergebnisse ist Borussia mittendrin. Schon etwas mehr Konstanz könnte für die Champions League reichen.

 Oscar Wendt hat mit Borussia zweimal auf der größten Bühne des Vereinsfußballs gespielt. Ein drittes Mal ist greifbar, obwohl es in dieser Saison an Konstanz mangelt. Nur die Tordifferenz trennt das Team vom Tabellenzweiten.

Oscar Wendt hat mit Borussia zweimal auf der größten Bühne des Vereinsfußballs gespielt. Ein drittes Mal ist greifbar, obwohl es in dieser Saison an Konstanz mangelt. Nur die Tordifferenz trennt das Team vom Tabellenzweiten.

Foto: firo

Max Eberl arbeitet im zehnten Jahr als Sportdirektor bei Borussia. In dieser Zeit hat er den Klub auch mit seinem Vokabular und seinen Zitaten geprägt. "Corporate Identity" nennt sich heutzutage das, was Eberl dem Verein damit verliehen hat und selbst wohl als "DNA" bezeichnen würde. Wer bei Google "Eberl+schwächeln" eingibt, stößt natürlich auf keinerlei Berichte, dass es dem Manager schlecht gehe, sondern findet zahlreiche Interviews aus verschiedenen Zeitungen und verschiedenen Jahren, in denen Eberl in etwa das hier sagt: "Wenn Borussia Mönchengladbach Top-Niveau erreicht, also die wichtigen Spieler zur Verfügung hat, top spielt und andere schwächeln, gibt es immer die Chance, um Europa zu spielen." Dieses Zitat stammt aus dem vergangenen Sommer und einem Interview mit unserer Redaktion.

Gehen wir die Checkliste der Europapokal-Chancen durch. Erstens schwächelt die Konkurrenz in historischem Maße. Nur 31 Punkte hat der Zweite auf dem Konto. Merken müssen Sie sich ihn nicht, weil er dauernd wechselt. Der Minusrekord seit Einführung der Drei-Punkte-Regel lag nach 19 Spieltagen bislang bei 36 Punkten. Den Zweiten und Siebten trennen im Schnitt zehn Punkte, aktuell ist es einer, der alte Minusrekord waren sechs. Zweitens mag Gladbachs Verletzungspech so groß sein wie in den vergangenen Jahren, allerdings bleibt Dieter Heckings Stamm weitgehend verschont. Neun Spieler haben maximal zwei Partien verpasst.

Erst beim dritten Punkt wird es komplizierter. Die gute Nachricht für Borussia: Den hat sie selbst in der Hand. 31 Zähler sind es, als Fünfter ist Gladbach punktgleich mit dem Zweiten, aber auch nur einen vor dem Siebten, der wiederum erst zweimal besser war. Oben dabei zu sein, ist also nicht selbstverständlich. Doch Borussia gibt sich mitunter selbst Rätsel auf: Nie hat sie zwei Spiele in Folge verloren, aber auch erst zweimal zwei in Folge gewonnen. "Generell ist kein Muster zu erkennen", antwortete Christoph Kramer auf die Frage, was gute Auftritte verbinde. "Wir bereiten uns auf jedes Spiel so vor, dass wir gewinnen können. Aber in der Bundesliga gehört so viel dazu. Es liegt bei uns nie an der Einstellung, nie an der Vorbereitung, wir wollen immer."

Beim 2:0 gegen den FC Augsburg stimmte die Mischung aus spielerischen und kämpferischen Elementen. "Es geht auch darum, das konstant zu bringen", sagte Matthias Ginter. "Wir sind froh über die Punktzahl, aber jeder hat das Gefühl, über zwei, drei Punkte mehr könnte sich keiner beschweren." So hätten eben keine wundersamen Dinge zusammenkommen müssen, um das Spiel trotz der ordentlichen Leistung zu verlieren. Beim 1. FC Köln wiederum hätte eine korrekte Schiedsrichterentscheidung kurz vor Schluss wohl gereicht, um zu gewinnen. Borussia wäre ein geradezu souveräner Zweiter. "Man braucht immer eine Portion Spielglück. Das muss man sich hart erarbeiten", sagte Kramer und prognostizierte: "Ich denke nicht, dass sich das großartig entzerren wird. Alle nehmen sich gegenseitig die Punkte weg." Das bedeutet auch: Selbst wenn Gladbach das Auf und Ab auf diesem Level beibehält, also einen Schnitt von 1,6 Punkten, wird bis zum Ende der große Wurf drin sein.

Zum traditionellen Von-Spiel-zu-Spiel-Denken, auch von Eberl gepflegt, gesellt sich bei Borussia das Wir-schauen-nur-auf-uns-Denken. Doch Spieler, Trainer und Manager werden selbst wissen, dass es selten einfacher war, die Champions League zu erreichen. 2016 haben sie es mit 55 Punkten auf den vierten Platz geschafft. Der Umweg über die Play-offs fällt künftig weg. Von derzeit sechs Teams, die sich hinter dem FC Bayern auf Augenhöhe bewegen, wäre die Hälfte direkt für die Gruppenphase der Königsklasse qualifiziert. Und die ist eben eine andere Welt, was das Flair und vor allem die Finanzen angeht. Borussia hat es zweimal erlebt. "Eine große sportliche Veranstaltung", heißt es in der Champions-League-Hymne hölzern-pathetisch. Ihr Pendant in der Europa League muss dagegen ohne Text auskommen.

(RP)
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