Borussia Mönchengladbach Drmic: "Ich bin noch da"

Mönchengladbach · Josip Drmic spricht über seinen Knorpelschaden, den Umgang mit der Verletzung, den Kampf um das Comeback und seine Träume.

Nur geträumt: Josip Drmic, hier im Spiel gegen Leverkusen, will wieder spielen. Wann es soweit ist, ist noch offen.

Nur geträumt: Josip Drmic, hier im Spiel gegen Leverkusen, will wieder spielen. Wann es soweit ist, ist noch offen.

Foto: AP, Päffgen, dpa

Herr Drmic, wie geht es Ihnen?

Josip Drmic Es ist immer ein Auf und Ab, manchmal läuft es fantastisch, manchmal sind die Tage schwieriger. Mir geht es gut, auch wenn es nicht perfekt ist. Ich wäre natürlich lieber bei der Mannschaft, aber in Anbetracht der Umstände kann ich sagen: Ich bin sehr glücklich.

Wann fällt es schwerer, nicht bei der Mannschaft zu sein: Am Samstag, wenn der FC Ingolstadt kommt, oder am nächsten Mittwoch, wenn es in der Champions League gegen den FC Barcelona geht?

Drmic (überlegt) Jedes Spiel, das man verpasst, tut natürlich weh. Aber es ist schon ein klasse Ereignis, in der Champions League gegen den FC Barcelona zu spielen.

Was erwarten Sie vom Barcelona-Spiel?

Drmic Barcelona hat eine super Mannschaft. Aber warum sollten wir es nicht hinkriegen? Gegen sehr starke Teams sind wir noch stärker. Das haben wir in der Vergangenheit gezeigt. Ich würde den Jungs gern dabei helfen. Aber ich werde es immerhin indirekt erleben, als Zuschauer. Das ist natürlich schade, dass es nur so ist, aber diese Verletzung ist nun mal ein Teil meiner Karriere, das muss ich akzeptieren.

Mal ehrlich: Wie schwer fällt es, das zu akzeptieren? Sie sind von Leverkusen nach Mönchengladbach gekommen, um neu zu starten. Das lief nicht optimal, weswegen Sie sich entschieden haben, sich an den Hamburger SV ausleihen zu lassen, um die Europameisterschaft nicht zu verpassen. Und dann kommt die schwere Verletzung. Schlimmer kann es nicht kommen.

Drmic Das trifft einen mental natürlich schon, wenn so etwas passiert. Aber ich habe versucht, mich nicht umwerfen zu lassen und immer positiv zu bleiben. Ich habe in Hamburg vorher viele gute Sachen erlebt: Ich habe gespielt, habe wieder einen Rhythmus gehabt, ich hatte wieder Spielpraxis und habe auch wieder getroffen. Das war ein sehr, sehr gutes Gefühl. Als ich mich dann verletzt habe, war ich enttäuscht. Vielleicht ist es für mich ein Vorteil, dass ich schon mal eine schwere Verletzung hatte, das war 2010 mit 18 in der Schweiz. Da bin ich neun Monate ausgefallen und hatte zwei Operationen. Daraus habe ich gelernt - deswegen kann ich die aktuelle Situation meistern. Ich habe versucht, es so schnell wie möglich zu akzeptieren, weil ich es sowieso nicht ändern kann, und das Beste daraus zu machen.

Ist es wichtig, sich mit der Situation zu arrangieren?

Drmic Ganz sicher. Wenn man am Anfang nur negativ ist, kommt man schwer wieder aus der Spirale raus. Ich habe mir gesagt: Es gehört zu mir, dass das jetzt passiert ist, es musste vielleicht passieren, vielleicht ist es sogar lehrreich. Es hat mir geholfen, der Situation das Positive abzugewinnen. Ich habe mich auch mit anderen Sachen befasst, mal auf andere Dinge geschaut, um mich abzulenken. Wenn du mit Krücken unterwegs bist, und immer nur an den Fußball denkst, darüber grübelst, hilft es nicht. Den Fehler habe ich bei meiner ersten großen Verletzung gemacht. Jetzt bin ich die Sache anders angegangen und das war richtig so. Jetzt bin ich in der Schlussphase der Verletzungszeit, es ist ein Ende absehbar.

Wann darf man wieder mit Ihnen rechnen?

Drmic Das kann ich nicht genau sagen. Wir sprechen über eine der schlimmsten Verletzungen, die ein Fußballer haben kann, den Knorpelschaden. Wenn es etwas Muskuläres wäre, wären Prognosen möglich. Der Knorpel ist speziell. Darum mache ich mir keinen Druck, sondern gebe meinem Knie die Zeit, die es braucht. Mein Körper ist mir so wichtig, dass ich es gelassen angehe. Das heißt nicht, dass ich nicht so schnell wie möglich wieder auf dem Platz stehen will. Aber ich will zuerst ein gesundes Knie haben, dann schaue ich weiter.

Hatten Sie zwischendurch Angst, dass es überhaupt nicht weitergeht mit dem Fußball?

Drmic Ich habe viele Geschichten von anderen Spielern gehört, was Knorpelschäden angeht. Viele mussten ihre Karriere beenden. Darum ist es normal, dass ich mir darüber auch Gedanken gemacht habe. Aber ich habe mit den Ärzten darüber gesprochen, und mir war klar: Ich gebe auf keinen Fall auf.

Ist das Josip Drmic: Der Kämpfer, der nicht aufgibt?

Drmic Das weiß ich nicht. Auf jeden Fall habe ich Vieles geändert, damit ich wieder gesund werde und mein Knie wieder heile wird. Ob ich nun ein Kämpfer bin oder nicht, das müssen andere beurteilen. Aber ich tue alles dafür, wieder angreifen zu können.

Apropos angreifen: Das neue Dreierkonstrukt, das André Schubert im Verlauf der Rückrunde in Gladbach installiert hat, das wäre auch was für Sie, oder?

Drmic Klar kommt mir das entgegen. Aber ich habe schon auf außen gespielt und im Nationalteam auch zu zweit vorne. Ich bin, was das angeht, sehr flexibel. Aber eigentlich will ich darüber im Moment gar nicht sprechen. Ich konzentriere mich im Moment komplett auf meine Genesung. Bevor ich mir wieder Gedanken mache, wo mein Platz im Team ist, will ich erst wieder gesund werden.

Ihr letztes Spiel für den HSV vor der Verletzung war gegen Bayer Leverkusen. Ist Bayer ein bisschen Ihr Schicksal geworden? Von Nürnberg sind Sie zu Bayer gegangen, um den nächsten Schritt zu machen. Das hat nicht wirklich geklappt. Und nun war Bayer wieder eine Zäsur in Ihrer Karriere.

Drmic Manche würden vielleicht so denken. Aber ich glaube nicht an solche Dinge. Ich wurde gegen Leverkusen eingewechselt. Es war eben Pech, Zufall. In gewissen Dingen bin ich sicherlich abergläubisch. Aber nicht in dem Fall.

Wenn sie nach Ihrer Verletzung zurückkehren, wird es dann ein Neustart für Sie sein in Mönchengladbach?

Drmic Ich bin seit fast eineinhalb Jahren Borusse. Darum würde ich nicht sagen, dass es ein Neustart ist. Ich kann nur sagen, dass ein anderer Josip Drmic zurückkehren wird, einer der stärker ist als vorher.

Wie kriegt man es hin, trotz der Reha zum Team zu gehören?

Drmic Es ist gar nicht so schwer. Man muss sich nur die Zeit nehmen dafür. Ich fühle mich als Teil des Teams, auch wenn ich mich in dieser Phase etwas mehr auf mich selbst und meinen Körper konzentrieren muss. Ich versuche so gut wie möglich für die Jungs da zu sein - wie für meine Familie.

Wie machen Sie das?

Drmic Ich versuche vor Ort zu sein, motiviere vielleicht die Spieler, bei denen es nicht so gut läuft, die eine Verletzung haben. Ich versuche, ihnen gut zuzureden, ihnen zu helfen, positiv zu bleiben. Ich weiß ja, wie es ist, wenn man ganz oben ist und auch, wie es ist, wenn man ganz unten ist.

Apropos ganz oben: Ihr Name fehlt auf der Kadermeldung für die Champions Legaue. Das war zuletzt ein großes Thema. Sind die Probleme ausgeräumt?

Drmic Es weiß ja jeder, wie lange ich verletzt bin und wie lange ich ausfalle. Ich denke, zu dem Thema ist alles gesagt. Auf jeden Fall kann ich verstehen, was entschieden und wie gehandelt wurde. Was von manchen Medien daraus gemacht wurde, darauf schaue ich nicht. Ich bin verletzt. Darum sind andere Spieler in einer besseren Position - deswegen ärgere ich mich auch nicht, dass ich nicht auf der Liste bin. Es geht um das Team, und die Entscheidung ist das Beste für das Team.

Bleibt in Ihrer Situation und bei dem Realismus, was die Verletzung angeht, Platz für Träume vom spielenden Josip Drmic?

Drmic Oh, ich träume nachts von so etwas, natürlich. Das kommt ja von selbst, weil ich natürlich spielen will. Wie schnell es geht, kann ich nicht sagen, aber ich weiß, dass der Zeitpunkt näher rückt. Dass ich danach gefragt werde, verstehe ich. Und es tut ja auch gut, wenn man nicht vergessen wird, das gebe ich zu.

Glauben Sie, dass man Pech aufbrauchen kann?

Drmic Man sagt ja, nach Regen kommt Sonne, aber ob jetzt für mich die Sonne kommt, weiß ich nicht.

Verlernt man in Ihrer Situation ein bisschen den Glauben an das Glück?

Drmic Nein. Wenn es so wäre, wäre ich jetzt nicht in dieser Verfassung. Mein größtes Glück ist, dass ich irgendwann wieder Fußball spielen kann. Daran glaube ich. Alles andere ist nicht wichtig.

Haben Sie mal die Hilfe eines Psychologen in Anspruch genommen?

Drmic Nein, das habe ich nicht. Ich denke, ich war kein Fall für einen Psychologen. Ich bin mental stark und habe viele Menschen um mich herum, die mir helfen. Es ist doof gelaufen, ich mache mich deswegen aber nicht verrückt. Ich weiß, was ich kann, was ich geleistet habe - und dass ich alles dafür tue, wieder zurückzukommen. Ich glaube daran, dass man für harte Arbeit belohnt wird.

Als Zuschauer: Macht Ihnen die Mannschaft Spaß?

Drmic Natürlich macht es Spaß, den Jungs zuzuschauen. Wenn ich sehe, wie sie spielen, spornt mich das an, bald wieder mitzuzocken. Was die Jungs leisten, ist großes Kino, und von Rückschlägen lassen wir uns nicht umwerfen.

Letzteres dürfte dann wohl auch Ihr persönliches Motto geworden sein, oder?

Drmic Ich bin noch da und kann den Fans nur sagen: Seid geduldig, was das Thema Josip Drmic angeht. Borussia darf noch etwas von mir erwarten in Zukunft. Daran arbeite ich. Und daran glaube ich.

Karsten Kellermann sprach mit Josip Drmic.

(RP)
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