Borussia Mönchengladbach Ketten-Fragen und die Grenzen der Flexibilität

Mönchengladbach · Über die Dreier-Abwehr von André Schubert wird viel diskutiert. Für den Trainer ist die Ausrichtung aber eher eine Frage des Personals. Das jedoch ist derzeit dezimiert.

Borussia Mönchengladbach: Ketten-Fragen und die Grenzen der Flexibilität
Foto: dpa, tha soe

Früher war es übersichtlich. Die Welt bestand aus West und Ost, je nach Perspektive war damit auch die Frage nach Gut und Böse geregelt, und jeder wusste, woran er war. In jenen Tagen gab es in Deutschlands Fußballstadien auch keine Ketten. Jedenfalls nicht unten auf dem Rasen. Dass die Kette irgendwann zum Diskussionsgegenstand wurde im deutschen Fußball, hatte seinen Ursprung in Mönchengladbach. Bernd Krauss, der Borussen-Trainer jener Tage, führte als erster seiner Zunft ein defensives Viererkonstrukt ein - und wurde damit Pokalsieger. Borussia war ein Trendsetter. Fast 20 Jahre blieb es dabei: Abwehr ist Viererkette. Bis André Schubert kam. Er führte die Dreierkette ein. Und damit ein Diskussionsobjekt. Die einen sagen: Der Ansatz ist hoch modern und einer, der mutig ist. Für andere ist es ein Werk des Teufels: Die Dreierkette sei ohnehin eine verkappte Fünferkette. Oder die Abstände seien in der Dreiervariante zu groß, um vernünftig verteidigen zu können.

Für Schubert jedoch gibt es die Debatte um die Kette gar nicht. Borussias Erfolgsfaktor ist nicht nur eine Frage der Kette. "Es geht immer um die Anzahl der Defensivspieler. Wie wir die organisieren, ist nicht so entscheidend. Fakt ist, wir haben drei Innenverteidiger. Das sind erstmal mehr, als die meisten anderen haben, die haben nur zwei. Es geht eher darum, wie alle anderen Spieler ausgerichtet sind", sagte Schubert zuletzt. Er lässt sein Team ohnehin hinten variabel spielen, eine "pendelnde Viererkette": Hat der Gegner den Ball, formiert sich eine Viererkette, sind die Borussen im Angriff, stehen drei Männer hinten.

Für den Trainer ist die Ausrichtung aber eher eine Frage des Personals. Wie defensiv oder offensiv sich das Gesamte ausgestaltet, liegt auch daran, wie es die Spieler interpretieren - oder der Trainer mit der Auswahl der Spielertypen. Wählt also Schubert defensiv denkende Außenspieler (Korb, Jantschke, Elvedi), ist die Grundausrichtung weit defensiver, als mit offensiv ausgerichteten Männern wie Traoré, Herrmann, Hofmann. Oscar Wendt, Fabian Johnson oder Nico Schulz sind Mischwesen, die beide Denkrichtungen im Kopf vereinen.

Auch vor der Abwehr wird entschieden, wie das Spiel ausgerichtet ist: Spielen, wie in Glasgow und München, Christoph Kramer und Tobias Strobl, ist das eine deutlich defensivere Variante als die mit Mo Dahoud, dem Kreativling. Er könnte heute gegen den VfB Stuttgart ein Startelf-Kandidat sein, da gegen einen wahrscheinlich tiefstehenden Gegner Kreativität gefragt ein dürfte. Kommt Dahoud rein, könnte Schubert zudem Tobias Strobl, der nach seiner Rückkehr aus dem Krankenstand und wenigen Trainingseinheiten gleich zweimal durchspielte, eine Pause gönnen.

Je mehr verschiedene Spielertypen da sind, desto größer ist die Zahl der Möglichkeiten. Borussias Kader gibt viel her - wenn er komplett ist. Dass die Flexibilität Grenzen hat, wenn das Personal dezimiert ist, zeigte sich in München: Während die Bayern einen Stapel Weltmeister auf der Bank sitzen hatten und die Gladbacher trotzdem gehörig durcheinanderwirbelten, wurde deutlich, dass Spieler wie Andreas Christensen, Raffael, Thorgan Hazard und Traoré, der kurzfristig mit einer Zerrung ausfiel, als notwendige Optionen fehlten. Inklusive der Langzeitverletzten Alvaro Dominguez, Josip Drmic, der gerade auf dem Weg zurück ist, Marvin Schulz und Mamadou Doucouré sind acht Profis im Krankenstand.

Dass in Gladbach die Zahl der muskulären und anderer Belastungs-Verletzungen deutlich gestiegen ist, ist offenbar. "Die Belastung ist seit Saisonbeginn hoch. Wir sind ja durch die Champions League Play-offs noch früher eingestiegen als andere Vereine. Die Spieler sind am Limit, speziell die Nationalspieler, die eine Vierfachbelastung haben. Wir haben jetzt vier Spiele in elf Tagen. Das ist extrem. Leider passiert es dann auch, dass sich der ein oder andere Spieler verletzt", sagte Schubert. Die Spielfrequenz ist hoch. Und Borussias Ansatz hat sich verändert, es gibt mehr intensive Sprints und mehr direkte Zweikämpfe als zuvor. "Natürlich machen wir uns entsprechende Gedanken", sagt Schubert.

Borussias Kader ist für Englische Wochen gemacht. Fehlt aber ein Drittel der Spieler, wird es eng. Die Rotation, das probate Mittel, um Ruhephasen zu schaffen, wird dann schwierig. Generell aber gilt, jenseits von Ketten und Personalkonstellationen: Borussia muss als Team für den Erfolg immer an die Obergrenze gehen - wie in Glasgow. "90 Prozent" wie in München (Kramer) reichen nicht, nicht gegen die Bayern und auch nicht heute gegen den Zweitligisten Stuttgart im Pokal.

(kk)
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