Borussia Mönchengladbach Messi gegen ter Stegen — ein fairer Tausch

Der gebürtige Mönchengladbacher im Kader des FC Barcelona wird am Abend nicht spielen. Dafür bekommen Borussia und ihre Fans nun doch Lionel Messi zu sehen.

 Von den zwei roten Türmen an der Plaza de Espana laufen Borussias Fans zum Camp Nou in Barcelona.

Von den zwei roten Türmen an der Plaza de Espana laufen Borussias Fans zum Camp Nou in Barcelona.

Foto: Karsten Kellermann

Die "Marca" hat sich auf den Weg gemacht nach Mönchengladbach, um sich auf Spurensuche zu begeben. Marc-André ter Stegen ist der Torhüter des FC Barcelona, und Mönchengladbach ist seine Heimat. Die Heimat, die er nach wie vor liebt, auch wenn er nun im herrlichen Barcelona lebt. Dort, wo am Dienstag der Himmel strahlend blau war und das Thermometer zeitweise bis zu 20 Grad anzeigte.

"Marca" ist fündig geworden in Gladbach an der Lüpertzender Straße, im Michaelangelo. "El refugio del Gladbach", titelt "Marca", der Rückzugsort in Gladbach sei das Ristorante, in dem ter Stegen am liebsten isst, wenn er daheim ist.

Inhaber Domenico Sepe hat "Marca" ter Stegens Lieblingsmenü erzählt, und der Marca-Fotograf hat die alten Fotos entdeckt, die Sepe im kleinen Gang zum Innenhof aufgehängt hat. Viele Fußballstars, die schon bei ihm Essen waren, sind da zu sehen. Ter Stegen grinst mit Marco Reus und Tony Jantschke in die Kamera, zudem ist ter Stegen allein mit dem Restaurantchef zu bestaunen. Und es gibt einen Rahmen, in dem ter Stegens Handschuhe ausgestellt sind. Alle Gladbacher, die die Marca durchblätterten, werden dieses Stück Heimat bestaunt haben.

Ter Stegen indes können sie am Abend nicht live und in Action erleben im Camp Nou, dem Stadion des FC Barcelona. Trainer Luis Enrique schont seine Nummer eins, statt seiner wird der Niederländer Jasper Cillessen spielen. Wer ter Stegen kennt, weiß, dass ihm das nicht wirklich gefällt, doch was soll er tun? Die Bedeutung des Spiels ist für Barcelona sportlich gleich Null.

Ein anderer Star wird dafür dabei sein; Lionel Messi. Das ist eine gute Nachricht für die Borussen-Fans, denn im Hinspiel fehlte Messi verletzt, und angesichts der geklärten Situation war zu befürchten, dass auch er nicht aufgeboten wird am Dienstag. Zweimal gegen Barca, zweimal kein Messi — das wäre dann doch etwas traurig gewesen. Wer Barca schaut, will Messi erleben, natürlich. So ist es dann ein Tausch Messi gegen ter Stegen, und da ter Stegen sein Spiel in der Heimat hatte, ist das dann auch okay.

Bevor sich die Borussia-Fans, die zu Tausenden nach Barcelona gereist sind, aufmachen zum Nou Camp, gibt es Sightseeing in Barcelona. So ist aus so mancher Tapas-Bar im Zentrum der katalanischen Metropole das eine oder andere lautstarke "Borussia!" zu hören, dazu Evergreens wie "Die Seele brennt". Und an den Touristen-Spots ist natürlich viel Schwarz-Weiß-Grün unterwegs. Auch an der Sagrada Familia, der unvollendeten Kathedrale des großen Architekten Antoni Gaudi, dessen Werk nicht nur Weltkuturerbe ist, sondern auch ein Wahrzeichen Barcelonas.

Gaudi übrigens wurde 1852 geboren in einem Ort namens Reus. Die Gladbach-Fans, die sich vorab mit seiner Biografie beschäftigt haben, werden etwas wehmütig geschnauft haben, als sie das lasen. Nicht nur wegen der Galavorstellung des nun für den BVB tätigen Blondschopfes am Samstag beim 1:4 der Gladbacher in Dortmund, sondern auch wegen der Erinnerung an jene Zeiten, als Reus noch in Gladbach zauberte und sehr aktiv dazu beitrug, dass "Borussia Barcelona" bestaunt wurde.

Lässt man sich ein wenig auf die Interpretation des Gaudischen Ansatzes ein, ist nicht nur die Sagrada Familia ein bisschen symbolisch. Wie das Bauwerk, das bis 2026 zu Gaudis 100. Todestag fertiggestellt werden soll, ist auch die aktuelle Borussia unvollendet. Es gibt an allen Ecken noch etwas zu werkeln. Gaudis Gesamtwerk löste starre Strukturen auf, es gibt keine gerade Linien, sondern geschwungene — das ist schön, verspielt und kompliziert zugleich.

Ein wenig ist es auch mit Borussias Spiel so. Gaudis Kunst ist, insbesondere zu besichtigen im Park Güell, organisiertes Chaos. So ist es bestenfalls auch bei Borussia, seit die große systemische Flexibilität ausgerufen wurde, und so etwas ist, wenn die Dinge optimal zusammenspielen, sehenswert und kunstvoll, doch an den Tagen, an denen die richtige Organisation fehlt, geht es auch schon mal durcheinander. Doch genug der Gaudi-Gladbach-Analogie.

Borussias Schwede Oscar Wendt, der 2010 schon mit Kopenhagen in Barcelona gespielt hat, sagte den Borussen eine "schöne Reise" vorher, und allein wegen des Wetters kommt das auch hin. Viele Gladbacher sind schon seit Sonntag in Barcelona und genießen das Flair der Stadt. Diese hat sich seit 1992, als sie Gastgeberin der Olympischen Sommerspiele war, radikal verändert. Vormals eine Industriestadt ohne touristische Anziehungskraft, wurde Barcelona verwandelt in die "Designhauptstadt Europas", wie der Reiseführer schwärmt. Am Dienstagnachmittag waren deren Straßen recht leer, denn es war der "Tag der demokratischen Verfassung", die drei Jahre nach dem Tod General Francos wieder eingeführt wurde.

Apropos Olympia. Damals hat auch ein Mönchengladbacher Geschichte geschrieben in Barcelona. Michael Hilgers schoss im olympischen Hockey-Finale beide Tore zum deutschen 2:1-Sieg gegen Australien. Das Olympia-Stadion, in dem vor 24 Jahren die Eröffnungs- und die Schlussfeier sowie die Leichtathletikentscheidungen stattfanden, liegt auf dem Montjuic, der sich im Süden der Stadt 173 Meter hoch über der Stadt erhebt. Von dort hat man einen schönen Rundumblick über Barcelona.

Mitten drin liegt das Camp Nou. Am späten Nachmittag machte sich ein gewaltiger Fan-Strom aus Barcelonas Innenstadt dorthin auf. Da interessiert kein Gaudi mehr, keine Architektur und oder das in einer früheren Stierkampfarena beheimatete "Arenas Shoppingcenter" am Fuße des Montjuic — da war nur noch Barca gegen Borussia im Camp Nou. "Spektakel, Bindeglied aller Katalanen und aller Generationen, Big Business, Stolz und Identitätssäule einer Stadt. All dies ist mit dem Stadion Camp Nou gegenständlich geworden", huldigt der Reiseführer dem Stadion. Dem ist nichts hinzuzufügen.

(kk)
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