Borussia Mönchengladbach Schluss mit dem Halbfinal-Trauma im DFB-Pokal

Mönchengladbach · Verlorene Elfmeterschießen, nicht geahndete Handspiele und Lothar-Matthäus-Kopien – unsere Autoren sagen, warum es mal wieder Zeit für ein DFB-Pokalfinale ist mit Borussia Mönchengladbach ist.

DFB-Pokal 11/12: Dante und Havard Nordtveit verschießen gegen die Bayern
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Dante und Nordtveit verschießen gegen die Bayern

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Verlorene Elfmeterschießen, nicht geahndete Handspiele und Lothar-Matthäus-Kopien — unsere Autoren sagen, warum es mal wieder Zeit für ein DFB-Pokalfinale ist mit Borussia Mönchengladbach ist.

Von Karsten Kellermann

Vor 25 Jahren — verdammt lange her. Es war eine kurzfristige Entscheidung, das war damals noch möglich. Die Bökelstraße entlang, und ja, es gab noch Tickets am Kassenhäuschen. Gegengerade, Block 27. Die steilen Stufen hinauf, dann der Blick hinunter in die Tiefen des Bökelbergs. Gleißendes Flutlicht, reizvolle Spannung. Halbfinale, Gladbach gegen Leverkusen. Erfolgreich. Weil Uwe Kamps vier Elfmeter hielt. Fußballgeschichte live erlebt. Danach noch dreimal teilnehmender Augenzeuge von Gladbacher Halbfinals, aus anderer Perspektive indes. Zweimal auswärts, einmal ein Heimspiel, nicht mehr im Bökelberg, sondern im Borussia- Park, das erste Mal dort, wo es nur sehr wenige Heim-Pokalspiele gab, weil es das Los so wollte. Auswärts zweimal Favorit, daheim Außenseiter. Dreimal dasselbe Ergebnis. Kein Berlin.

Vor 16 Jahren. Als Zweitligist beim Drittligisten. Eisern Union. Es lief alles auf das Endspiel hinaus, über Berlin nach Berlin. Guter Slogan. Aber: Es reichte nicht. Aus einem 2:1 (zweimal van Lent) wurde noch ein 2:2. Dann das Elfmeterschießen. Van Lent trifft nicht, aus der Geschichte vom vermeintlichen Helden wird die einer tragischen Figur, weil danach auch Eberl nicht den Ball im Tor unterbringt. Ronny Nikol schießt um 23.06 Uhr den letzten Elfmeter des Abends vorbei an Uwe Kamps. Der steht nachher mit seiner Torwarttasche traurig inmitten freudentrunkener Berliner auf dem Rasen. Sein Trikot ist dieses Mal nicht kunterbunt wie 1992, sondern schwarz. Die Farbe der Trauer. Keine Rückkehr nach Berlin. Kein Finale.

Vor 13 Jahren. Aachen. Der Tivoli soll die letzte Station auf dem Weg nach Berlin sein. Ronny Nikol heißt dieses Mal Ivica Grlic. Es ist kein Elfmeter in dem Fall, sondern ein Freistoß. Die Mauer steht nicht gut, das passt zum Abend, Torwart Claus Reitmaier bekommt den Ball nicht. Dann gibt es seltsame Schiedsrich ter-Entscheidungen, aber kein Tor mehr. Wieder kein Finale.

Vor fünf Jahren. 20 Jahre nach Uwe Kamps‘ größtem Abend. Nun mit ter Stegen im Tor, aber ohne Elfmeterglück. Dieses Mal ist der Nikol Grlic ein Borusse. Dante. Er schiesßt über die Querlatte im Elfmeterschießen gegen die Bayern. Wie 1984 Lothar Matthäus, damals im Fernsehen, ebenfalls gegen die Bayern, jedoch im Endspiel, das in jener Zeit noch in Frankfurt ausgetragen wurde. Matthäus wurde nach dem Fehlschuss Bayern-Spieler und zum ewigen "Judas" für die Gladbach-Fans. 28 Jahre später wurde Dantes Graffiti-Konterfei von der Wand des Fanhauses entfernt, sein Wechselgeplänkel kostete alle Sympathien, die er sich zuvor erarbeitet hatte. Und seine Fahrkarte, die Fahrkarte nach Berlin. Auch kein Finale.

2017. Nun also Eintracht Frankfurt. 25 Jahre nach dem Vier-Elfmeter- Spiel, 22 Jahre nach dem letzten Pokalfinale, damals gab es im Halbfinale einen Heimsieg gegen Kaiserslautern. Es ist an der Zeit für Berlin, definitiv. Am 27. Mai arbeiten? In Berlin? Im Olympiastadion? Beim Pokalfinale?

Von Jannik Sorgatz

Nur etwas mehr als 5000 Menschen haben sich den Mitschnitt des Endspiels von 1995 bei Youtube angesehen. Ein viraler Hit ist das nicht, eher ein Schätzchen in den Tiefen des Internets, eine Alternative zu Netflix an einem regnerischen Abend. "Youtube", "viral", "Netflix" — wer damit nichts anfangen kann, weiß ungefähr, wie sich mittlerweile zwei Generationen fühlen dürften, wenn es um Borussias bislang letztes DFB-Pokalfinale geht.

ARD-Moderator Gerhard Delling hat es bis in die Gegenwart geschafft, die ganzen Vokuhilas der Profis nicht, die Schnäuzer sind zumindest in Berlin-Kreuzberg und Köln-Ehrenfeld schon wieder zurück, so lange ist das alles her. Auf der Ehrentribüne des Berliner Olympiastadions (noch ohne Komplettüberdachung) steht Gerhard Schröder, damals noch Ministerpräsident Niedersachsens. Die Erinnerung an die Bundestagswahl 1998 als erste lebhafte politische, die Erinnerung ans Pokalfinale 1995 als erste sportliche.

22 Jahre ist das her, so lange lag 1995 die Selbsteinwechslung Günter Netzers gegen den 1. FC Köln zurück — nur um die Dimensionen deutlich zu machen. Danach erreichte Borussia bis 1995 allerdings zwei weitere Pokalendspiele, wurde noch dreimal Deutscher Meister, gewann zweimal den Uefa-Cup, verlor ein weiteres Finale und kam 1977 sogar bis ins Endspiel des Landesmeister-Pokals. In den vergangenen 22 Jahren jedoch ist der Briefkopf des Vereins nicht gewachsen, allein die Anschrift — Hennes-Weisweiler-Allee 1 — ist länger geworden. Der einzige Titel, der Sieg beim DFB-Hallenmasters 2000, wurde aberkannt, weil der Niederländer Quido Lanzaat kurz zuvor in der Silvesternacht gekifft hatte. Das passte zur sportlichen Tragik, die den Klub viele Jahre umweht hat.

Mittlerweile hat Borussia in der Liga die Latte wieder bis auf Platz drei hochgelegt und in dieser Saison mit dem Achtelfinale der Europa League ihren größten internationalen Erfolg seit zwei Jahrzehnten gefeiert. Natürlich ging es gegen den FC Schalke 04 auch wieder tragisch zu Ende. Im DFB-Pokal allerdings fehlt diese Reminiszenz an die guten, alten Tage noch, und natürlich mangelte es beim dreimaligen Scheitern im Halbfinale auch nicht an Tragik: das späte Gegentor und die verschossenen Elfmeter in Berlin (2001), die nicht geahndeten Handspiele gegen Aachen (2004), Dantes Lothar-Matthäus-Kopie gegen Bayern (2012). Und dann durften Union und die Alemannia anschließend auch noch im Uefa-Cup ran. Europa war allerdings für Borussia in jenen Jahren so weit weg, dass es vermessen wäre, zu behaupten, irgendjemand habe im Ligaalltag davon geträumt.

2012 war noch am leichtesten zu verdauen, weil die Saison drumherum geprägt wurde vom Beginn einer neuen Zeitrechnung. Entsprechend gut geklickt werden bei Youtube die Videos von der Relegation bis zu Thorgan Hazards Tor gegen den FC Barcelona. Heldentaten gegen Eintracht Frankfurt im Halbfinale am Dienstag

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