Borussia Mönchengladbach Borussia spielt intelligent, aber zu selten mit Kopf

Mönchengladbach · Nur sechs Kopfballtore gab es in der abgelaufenen Bundesligasaison. Dort herrscht Steigerungsbedarf, zumal nun Standards Standard sind.

 Wuchtig und meistens mit deutlichen Größenvorteilen: Jannik Vestergaard (rechts, hier gegen Leipzigs Oliver Burke) hat bei Borussia die Lufthoheit. Der ein oder andere gute Kopfballspieler könnte dem Team noch guttun.

Wuchtig und meistens mit deutlichen Größenvorteilen: Jannik Vestergaard (rechts, hier gegen Leipzigs Oliver Burke) hat bei Borussia die Lufthoheit. Der ein oder andere gute Kopfballspieler könnte dem Team noch guttun.

Foto: Imago

Borussia war früher die "Torfabrik". Doch die Produktion mit dem Kopf war schon damals, in den glorreichen 70ern, vergleichsweise dünn. Das Phänomen hat sich weitgehend fortgesetzt. Wer über Kopfballer in der Bundesliga spricht, denkt zunächst an Männer wie Horst Hrubesch, Dieter Hoeneß oder "Air" Riedle. Borussias Stürmer stehen für andere Dinge. Allerdings gab es durchaus auch bei Borussia Spezialisten für den offensiven Kopfball. Unter anderem Herbert Laumen, Winfried Hannes, Uwe Rahn, Günter "Schädel" Thiele, Martin Dahlin und Heiko Herrlich, später Arie van Lent, der per Kopf auch das letzte Tor auf dem Bökelberg erzielte.

Van Lents Treffer aus dem Jahr 2004 ist eines der geschichtsträchtigsten Gladbacher Kopfballtore. Es ist schwierig, derlei Listen wertend auszulegen, doch könnte das bedeutungsvollste Kopfballtor der Gladbach-Historie das von Hans-Jürgen Wittkamp 1977 im Halbfinale des Landesmeister-Wettbewerbs gegen Dynamo Kiew sein. Sein 2:0 brachte den Einzug ins Finale gegen Liverpool. Ohne das Kopfballtor von Hannes im Viertelfinale in Brügge zum 1:0-Sieg wäre Wittkamps Treffer jedoch nie gefallen. "Ich habe nur den Kopf hingehalten und Glück gehabt", sagte "Joker" Hannes. 1984 rettete ein Kopfballtor von Hans-Jörg Criens Borussia kurz vor Schluss das 4:4 im Pokal-Halbfinale gegen Bremen und so in die Verlängerung - in der Criens per Kunstschuss das Finale klarmachte.

In der Neuzeit wischte der Brasilianer Dante mit seinem Kopfballtreffer zum 1:0-Erfolg in Cottbus in der Schlussminute alle Zweifel am Klassenverbleib weg - das war Teil zwei der Last-Minute-Rettungs-Geschichte, denn zuvor hatte Roberto Colautti ebenfalls Sekunden vor dem Ende das 1:0 gegen Schalke gemacht. Allerdings mit dem Fuß.

Im Allgemeinen hatte das Kopfballtor an Wert verloren. Oder besser: Es konnte kaum fallen, weil getiki-takat wurde. Das war auch in Gladbach so, als Lucien Favre Trainer war. Hohe Bälle waren verpönt, schön war nur, was fein kombiniert war. André Hahn machte mal ein Kopfballtor gegen Schalke, ganz klassisch, so mit Flanke und Ball mit der Stirn ins Netz rammen, aber sonst? Selten, sehr selten traf Favres Borussia mit dem Kopf.

So war es auch bei André Schubert. Wie sein Vorgänger mochte er lieber das flache Spiel. Standards waren wie zuvor ein Stiefkind. Das hat sich geändert, seit Dieter Hecking Trainer ist und Co Dirk Bremser mitgebracht hat. Der schult die Borussen besonders in der Ausführung der offensiven Standards - und je mehr derselben gut kommen, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit auf Kopfballtore. Zumal, wenn man, wie Borussia, in Jannik Vestergaard den längsten Spieler der Bundesliga sein Eigen nennt. Kurioserweise war es der nicht eben hünenhafte Lars Stindl, der in der vergangenen Saison als Erster per Kopf traf am 18. Spieltag. Zuvor hatte es 27 Spiele ohne Kopfball-Tor gegeben. Stindls 2:2 beim 3:2-Sieg in Leverkusen war mit das wichtigste Kopfballtor der Gladbacher Gegenwart, denn es war die Basis für den ersten Auswärtssieg der Saison und die schnelle Flucht nach vorn vor dem drohenden Abstiegskampf.

Es folgten noch fünf weitere Kopfballtore. Drei erzielte Vestergaard, eins Raffael und eins Andreas Christensen, der zudem im Europa-League-Spiel in Florenz derart traf. Borussia spielt intelligent nach vorn, aber zu selten mit Köpfchen. Sechs Kopfballtore in der Bundesliga gab es (13,3 Prozent der 45 Tore), den saisonalen Spitzenwert hält Hoffenheim mit zwölf Kopfballtreffern. Dort spielt Sandro Wagner, der das Kopfball-Tor auch beim DFB gerade wieder hoffähig gemacht hat. Borussia kann und muss bei Kopfbällen noch nachlegen. Das Problem ist: Bis auf Vestergaard gibt es kaum jemanden, der einen wirklich guten Offensiv-Kopfball hat. Selbst Hahn, von der Statur her schon der Typ dafür, ist in der Sparte kein Experte.

In Denis Zakaria ist nun der dritte Einsneunziger zugekauft worden. Vestergaard, 1,99 Meter, und Kramer sind die beiden anderen, Zakaria ist wie Kramer 191 Zentimeter groß. Kommt noch der Engländer Reece Oxford dazu, wäre er mit seinen 1,90 Metern der vierte im Bunde. Tobias Strobl und Nico Elvedi sind immerhin 1,88 Meter lang. Körperlänge ist keine Garantie für einen guten Kopfball, kann aber hilfreich sein, wenn es im gegnerischen Strafraum um Lufthoheit geht. Vielleicht findet sich ja noch ein Angreifer mit dem Spezialgebiet Kopfball. Da in Vincenzo Grifo ein Flanken- und Standard-Experte geholt wurde, wäre das eine sinnvolle Ergänzung. So oder so: Kopfbälle üben kann nicht schaden. Es gibt im Borussia-Park auch ein Kopfball-Pendel. Es soll jedoch ein wenig eingestaubt sein.

(kk)
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