Borussias Italiener begeistert Grazie, Vince!

Mönchengladbach · Der Instinktfußballer Vincenzo Grifo macht den Fußballfreunden beim 3:1 der Borussen bei 1899 Hoffenheim viel Freude.

 Herr Grifo bittet zum Tanz: Erst lässt der Borusse Stefan Posch aussteigen (oben), dann Kerem Demirbay und Dennis Geiger (Mitte). Danach spielt er den Ball an Demirbay und Kevin Vogt vorbei zu Matthias Ginter (nicht im Bild).

Herr Grifo bittet zum Tanz: Erst lässt der Borusse Stefan Posch aussteigen (oben), dann Kerem Demirbay und Dennis Geiger (Mitte). Danach spielt er den Ball an Demirbay und Kevin Vogt vorbei zu Matthias Ginter (nicht im Bild).

Foto: Päffgen

Des Chronisten Pflicht ist es, objektiv zu sein. Doch ist "objektiv subjektiv", wie Woody Allen seinen Boris Gruschenko in dem wunderbaren Film "Love and Death" sagen lässt, und so gönnen wir uns den subjektiven Blick, nicht distanziert, sondern emotional, und sagen: Vincenzo Grifo hat ein geiles Spiel gemacht bei Borussias 3:1 bei 1899 Hoffenheim.

Es war die pure Lust am Kicken, die der Italiener auslebte. Er ist Instinktfußballer, spielt aus dem Bauch heraus und mit Herz. Das ist Fußball mit Gefühl, der etwas hat vom süßen Leben, von "La Dolce Vita", indes erlebt als "La Vince Vita": Fußball wie Pasta von Mama, kreativ, genuss- und liebevoll. Grifo hat den Fußballnachmittag zum Erlebnis gemacht. Er musste sich gedulden nach seiner Verletzung. Der heißblütige Italiener mit den sizilianischen Wurzeln muss sich vorgekommen sein wie eine eingesperrte Raubkatze. Am Samstag war es wie ein Ausbruch des Ätna, all die aufgestaute Energie sprudelte aus ihm heraus, es gab fast keine gefährliche Szene, an der Borussias Nummer 32 nicht beteiligt war. Grifo hat es genossen, das war in jeder Sekunde spürbar. "Ich habe einfach Spaß am Fußball, das wollte ich zeigen", sagte er.

Wenn er mal ein Bewerbungsvideo benötigen sollte, kann er das Hoffenheim-Spiel einfach mit Musik unterlegen. Da war alles drin, was Grifo ausmacht: Präzise Eckebälle; der wunderbare Drehschuss aus dem Fußgelenk, der am Pfosten landete; der geschnibbelte Freistoß, den Oliver Baumann gerade noch parierte; die Flanke auf Thorgan Hazard vor dem 1:1, eine Hereingabe so fordernd, so kompromisslos, dass sie einfach ein Tor bringen musste; und schließlich der Höhepunkt des Tages, das Solo vor dem Führungstor zum 2:1.

Es war ein Tanz auf dem Bierdeckel, so wie früher auf dem Bolzplatz in Pforzheim: Hoffenheims Verteidiger wurden zu Slalomstangen, Grifo zu Alberto Tomba, der erste Haken, der zweite, den Ball am Fuß wie vom Magneten gehalten, dann, schon mit einem Krampf, der Pass auf Matthias Ginter, der das 2:1 machte. Eine herrliche Inszenierung ohne Drehbuch, es war die vielleicht schönste Borussen-Szene der bisherigen Saison. Für so etwas geht der Fußballfreund ins Stadion, es war ein Kunstwerk, das man sich wieder und wieder anschauen kann.

Der moderne Fußball ist oft gefangen in taktischen Zwängen, pragmatisch, ergebnisorientiert und kontrolliert. Spieler wie Grifo brechen das Korsett auf, sind spontan und unberechenbar, ihr Spiel lebt vom Moment, von der Intuition. Grifo zeigt, dass Willenskraft, Ästhetik und Effektivität einhergehen können. Gegen Hannover holte er mit seinem Sololauf den Elfmeter heraus, dass das 2:1-Siegtor brachte. Nun gab es die beiden Assists gegen Hoffenheim (eine Kopfballstafette von Denis Zakaria, Nico Elvedi und Jannik Vestergaard brachte das 3:1). Drei Torbeteiligungen hat Grifo in 103 Minuten zusammengetragen - das ist ein starker Wert.

Was ihm noch fehlt, ist ein Tor, es wäre das erste eines Italieners für Gladbach. Er hätte es wohl gemacht in Hoffenheim, wenn Hazard quer gespielt hätte. "Er hat mich nicht gesehen", fand Grifo gnädige Worte, dürfte dem Kollegen aber, "im Spaß", trotzdem noch mal die Meinung gegeigt haben. Hätte er noch getroffen, wäre es der perfekte Tag gewesen für Grifo. "Aber die Saison ist ja noch lang, ich hoffe nicht, dass ich schon alles gezeigt habe", sagte Grifo.

Nehmen wir das als Versprechen! Wenn Hoffenheim der Appetitanreger war, wie wird dann der Hauptgang? Das Dessert? Mehr, mehr, mehr, mag man ihm (und Trainer Dieter Hecking) zurufen. Hecking hat Grifo erklärt, warum er vorher nicht gespielt hat, Grifo hat an sich gearbeitet, hat nicht nur offensiv gezaubert, sondern auch defensiv seriös gearbeitet, er hat den Frust abgeschüttelt und gegen die Lust eingetauscht. Er war die Inspiration, die Borussia zum Sieg führte. Menschen, die den Fußball lieben, können für dieses Fußballerlebnis nur sagen, objektiv, subjektiv oder sonst wie: Grazie, Vince!

(kk)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort