Borussia Mönchengladbach Diagnosen aus der Grauzone

Mönchengladbach · Ist doch offensichtlich, was schiefläuft: Zu Hause gewinnt Borussia Mönchengladbach fast alles, auswärts geht fast gar nichts. Doch die Probleme sind vielschichtiger und passen in kein Schwarz-Weiß-Schema.

Borussia Mönchengladbach: 13 gute Chancen beim FC Schalke 04
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Analyse: 13 gute Chancen auf Schalke

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Foto: Dirk Päffgen

Vier von fünf Heimspielen hat Gladbach in der Rückrunde gewonnen, auswärts dagegen aus fünf Spielen nur einen Punkt mitgenommen. Oberflächlich gesehen, gibt es keine einfachere Diagnose, woran es hapert. Das böse Wort "Auswärtsdeppen" liefert bei Google keinesfalls nur Funde aus den Jahren 2003 bis 2007, sondern bereits einige aktuelle.

Also wird nahtlos übergegangen zur Suche nach Gründen für diese Diskrepanz zwischen den Resultaten im Borussia-Park und denen in sämtlichen anderen Stadien. Vielleicht waren die Gegner zu Hause einfach leichter? Nur geringfügig. Die fünf Heimgegner standen vorab im Schnitt auf Platz 11, die fünf Gegner in der Fremde auf Platz 9,4.

Die Bilanz im eigenen Stadion geht völlig in Ordnung, kein Punkt zu viel, keiner zu wenig. Geht man dagegen die fünf Auswärtsspiele seit der Winterpause durch, fällt es schwer, zu einem abschließenden Urteil zu kommen, wie viel der VfL liegengelassen hat.

  • Mainz? Riesiges Chancenplus, 0:1 verloren, drei Punkte möglich, einer hätte es mindestens sein müssen.
  • Hamburg? Der Doppelschlag des HSV ist bis heute unerklärlich und darf niemals passieren. Nach ihrer Führung stellte die Borussia das Fußballspielen ein. Verlieren darf man auch dieses Spiel nicht.
  • Augsburg? Da war die Chancenverwertung in Ordnung. Ein erneuter Doppelschlag des Gegners war ärgerlich. Aber mit dem Punkt konnte die Borussia gut leben, der FCA hatte deutlich mehr Möglichkeiten.
  • Wolfsburg? 150 Sekunden gepennt, mehr nicht. Ansonsten ein astreines Auswärtsspiel beim Angstgegner. Ein Punkt hätte es sein müssen.
  • Schalke? Anderthalb Eigentore erzielt, so dominant aufgetreten und so viele Chancen gehabt, dass Schalke trotz des Sieges fast schon beschimpft wird für seine Spielweise. Drei Punkte verloren aus Gladbacher Sicht, ohne Wenn und Aber.

Unterm Strich wären 47 Punkte in der Gesamtrechnung absolut realistisch und würden den Verlauf dieser fünf Gastspiele widerspiegeln — dabei hätte sich das Team von André Schubert sogar noch ein paar Aussetzer und vergebene Chancen leisten dürfen. Zudem hätte drei direkte Konkurrenten jeweils mindestens zwei Zähler weniger.

Vizepräsident Hans Meyer hielt "Doppelpass"-Moderator Thomas Helmer am Sonntag verbal den "Kicker" unter die Nase. Der führe die Borussia nämlich als Mannschaft mit der besten Chancenverwertung, sagte Meyer. Tut der "Kicker" tatsächlich, sogar mit ordentlichem Abstand vor dem Zweiten. Zu Hause hat Gladbach den starken Schnitt der Hinrunde gehalten und 14 von 37 Chancen genutzt, macht 38 Prozent. Auswärts kommt der VfL seit der Winterpause auf genauso viele Möglichkeiten, nur 16 Prozent waren jedoch drin.

Heimteams in die Auswärtsrolle gedrängt

Somit lässt sich am präzisesten diagnostizieren: Die Borussia hat ein Auswärts-Chancenverwertungs-Problem, gepaart mit der Tendenz, es dem Gegner zu oft zu einfach zu machen (oder das Toreschießen gleich selbst für ihn zu erledigen).

Warum nur im Postleitzahlenbereich 41179 alles wie am Schnürchen läuft, ist damit noch nicht geklärt. Am Auftreten des Gegners kann es nur mit Abstrichen liegen, da Mainz, Wolfsburg und Schalke — allesamt Europapokal-Kandidaten — zu Hause wie Auswärtsteams spielten.

Exemplarisch war am Freitag eine mehrminütige Phase, an deren Ende Andreas Christensen den Ausgleich erzielte:

  1. 75:24 Min.: Einwurf für Schalke, es folgt eine Gladbacher Staffette über 16 Stationen.
  2. 76:20 Min.: Lars Stindl kommt von der Strafraumgrenze zum Abschluss.
  3. 76:42 Min.: Abschlag Ralf Fährmann, Ballbesitz Borussia.
  4. 78:45 Min.: 38 Stationen, Christensen trifft zum 1:1.

Über 200 Sekunden hatte Gladbach mehr als 90 Prozent Ballbesitz, brachte 50 von 54 Pässen zum Mann, während der Gegner den Ball in dieser Zeit nicht einmal kontrollieren konnte.

Und dann wären da noch 87 weitere Spielminuten, in denen die Borussia zwölf gute Chancen ungenutzt ließ: Viermal Raffael, dreimal Hazard, zweimal Stindl, einmal Johnson, einmal Dahoud, einmal Christensen. Nur zwei davon hätten drin sein müssen — Martin Hinteregger und Martin Stranzl hätten sogar ihr Tika-Taka-Eigentor behalten und Fährmann weiter einen formidablen Abend erwischen dürfen.

So aber fiel das mediale Urteil vernichtend aus — bezogen auf S04, kurioserweise, nicht auf die Borussia (zu den Pressestimmen).

  1. "Torfabrik" notierte: "Dass die Schalker am Ende über einen Sieg jubeln durften, war ein schlechter Witz."
  2. Die "Süddeutsche Zeitung" schrieb von einem "Erfolg, der wohl zu den ungerechtesten Siegen in der Bundesliga-Geschichte gezählt werden darf".
  3. "Schalke ist ein Klub von trauriger Gestalt, insbesondere durch seinen Fußball. Was da auf dem Feld abläuft, geschieht mehr zufällig als geplant, das Duell mit Gladbach war ein gutes Beispiel dafür", ging "Die Welt" hart ins Gericht mit den Königsblauen.
  4. "Spiegel Online" meinte: "Nach den Eindrücken dieses Abends ist kaum vorstellbar, dass die wirren Schalker auch am Ende der Saison vor diesen brillant spielenden Gladbachern stehen. Aber im Moment sind sie tatsächlich zwei Punkte besser."

"Unser Anspruch muss sein, in den nächsten Wochen auch solche Leistungen zu bringen. Dann werden wir auch die Punkte holen", sagte Sportdirektor Max Eberl. Davon ist auszugehen. Welche Rolle der Rucksack mit den liegengelassen Punkten spielt, wird sich noch zeigen.

(jaso)
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