Borussia Mönchengladbach Was von Favre übrig blieb

Mönchengladbach · Knapp sechs Wochen nach Lucien Favres überraschendem Rücktritt lohnt sich ein Blick darauf, wie Verantwortliche, Spieler und Anhänger von Borussia seitdem mit der Amtszeit des Schweizer Trainers umgehen.

Borussia Mönchengladbach: Zeit unter Lucien Favre in der Chronologie
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1680 Tage Favre bei Borussia Mönchengladbach

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Foto: dapd

Es war keine Trennung, die an diesem 20. September in beiderseitigem Einvernehmen vollzogen wurde. Es war lediglich einseitiges Einvernehmen, das dem Rücktritt von Lucien Favre zugrunde lag, Borussia hatte schließlich weiter mit diesem Trainer arbeiten wollen. Der Tag, der den Verein erschütterte, ist nun schon sechs Wochen her, und die Schnelllebigkeit des Fußballs hat das Ende der Favre-Amtszeit längst in den Hintergrund gedrängt. Dafür sind in diesem Fall vor allem zwei Aspekte verantwortlich: Zum einen natürlich der erfolgreiche Start von Interimstrainer André Schubert, zum anderen aber mindestens genauso der Verzicht von Borussias Verantwortlichen, aus Enttäuschung über Favres Schritt rückblickend öffentlich immer mal wieder nachzukarten.

Am Tag nach Favres Alleingang hatte Sportdirektor Max Eberl bei der mit Spannung erwarteten Pressekonferenz die Wahl zwischen einer menschlichen und einer professionellen Reaktion auf das 24 Stunden vorher Geschehene. Er entschied sich für den professionellen Auftritt, den Blick nach vorne. Ja, er gab zu, was längst kein Geheimnis mehr war, nämlich, dass Favre über die Jahre immer mal wieder seinen Rücktritt angeboten hatte. Aber Eberl verzichtete auf Details, er verzichtete auf eine Schlammschlacht, er verzichtete darauf, Borussia als Leidtragende des Verhaltens eines ewig Zaudernden hinzustellen. Tage später sagte Eberl im Fernsehen sogar: "Favre muss in einer Reihe mit Weisweiler und Lattek Anschluss finden." Eberl weiß, dass - so unterschiedlich sie sich waren - Favre und er gemeinsam Borussias Aufschwung verantwortet hatten und so ganz nebenbei gegenseitig ihren beiden Namen viel Renommee verliehen.

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Foto: dpa/Marius Becker

Schubert machte es ähnlich wie Eberl, wie der Mann also, der ihm die Bühne Bundesliga eröffnet hatte: Auch er verzichtete in der Öffentlichkeit darauf, auf Favres Fehler zu Saisonbeginn hinzuweisen und seine Änderungen als alleinigen Grund für den Umschwung zu rühmen. Stattdessen legte Schubert Wert darauf, dass seine Maßnahmen nicht als Kritik an Favres Herangehensweise verstanden werden dürften. Ob Eberl und Schubert nun berechnend oder intuitiv handelten, sei dahingestellt, die Wirkung jedenfalls war positiv.

Bei den Spielern sieht es ähnlich aus. Bis auf Martin Stranzls Ausführungen im TV-Studio, es sei schon anstrengend gewesen mit Favre, sind es höchstens mal Andeutungen, dass es auch mal gut tut, wenn ein Trainer wie Schubert bei einer Analyse das Positive betone statt wie Favre vor allem das Negative herauszustreichen. Aber ein regelrechtes Nachtreten aus dem Kader in Richtung des Ex-Trainers gibt es nicht. Natürlich loben Ibo Traoré und Julian Korb Schubert mit Nachdruck, sie sind ja auch Stammspieler unter ihm. Und natürlich sagt auch Granit Xhaka bei aller Dankbarkeit für Favre, er wolle mit Schubert weiterarbeiten. Der machte ihn ja schließlich auch zum Kapitän. Eines ist ohnehin klar: Die Spieler, die länger mit Favre zusammengearbeitet haben, wissen, was sie ihm an taktischem Rüstzeug zu verdanken haben, von dem sie und damit natürlich auch Borussia über Favres Rücktritt hinaus profitieren.

Und die Fans? Auch hier herrschen in weiten Teilen Dankbarkeit und Anerkennung vor für das, was Favre zwischen 2011 und 2015 geleistet hat. Wobei der Grad des Verständnisses für den Rücktritt bei manchem davon abhängt, ob er den Erfolg der jüngeren Vergangenheit eher bei Favre oder bei Eberl verortet. Im einen Extrem wäre Borussia mit Favre nämlich mindestens Weltpokalsieger geworden, wenn Eberl ihm mal vernünftige Spieler zur Verfügung gestellt hätte. Und im anderen Extrem wäre Borussia genauso Weltpokalsieger geworden, wenn Favre nicht so ein zögerlicher Zauderer gewesen wäre und nicht immer so spät gewechselt hätte.

Borussia hat Favres Abgang bislang gemeistert. Sportlich. Wie in der Haltung.

(klü)
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