Borussia Mönchengladbach Rollentausch - Jetzt eifert Werder Borussia nach

Mönchengladbach · Lange galt Bremen als Gladbacher Vorbild. Doch in den vergangenen Jahren kehrt sich die Konstellation um – sportlich wie wirtschaftlich.

Gladbach - Bremen
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Lange galt Bremen als Gladbacher Vorbild. Doch in den vergangenen Jahren kehrt sich die Konstellation um — sportlich wie wirtschaftlich.

Es gab einmal eine Zeit, da blickte man am Niederrhein neidisch in Richtung Norden. Nein, nicht nach Hamburg, nach Bremen ging der Blick. Denn Borussia hatte beim SV Werder in der Art und Weise des dortigen Arbeitens just dieses Miteinander von Konstanz bei den maßgeblich Handelnden, von hanseatisch-maßvollem Umgang mit den vorhandenen Mitteln und kluger Transferpolitik ausgemacht, die in der Summe sportlichen Erfolg nach sich zogen. Es war eine Zeit, in der Borussia indes selbst vom sportlichen Erfolg genauso weit entfernt war, wie von den drei Faktoren, die das Vorbild Bremen prägte.

Doch wenn diese Borussia nun am Samstagnachmittag (15.30 Uhr/Live-Ticker) im Weserstadion mit einem Sieg — es wäre der erste seit 1987 — den Deckel auf die direkte Champions-League-Qualifikation machen will, hat sich die Beziehung zwischen früherem Idol und einstigem Bewunderer gewandelt. Ja, sie hat sich quasi um 180 Grad umgekehrt. In den vergangenen Jahren sind auf allen Ebenen aufstrebende Borussen nun plötzlich zum Vorbild für in vielen Bereichen zur Konsolidierung gezwungene Bremer geworden.

Dieser Wandel in der Beziehung der beiden früheren Bayern-Rivalen lässt sich dabei an verschiedenen Punkten veranschaulichen. Am deutlichsten natürlich beim Thema Geld. In den Spielzeiten 2006/2007 bis 2010/2011, in denen Bremen viermal in der Champions und einmal in der Europa League spielte, lag der Umsatz der Werderaner pro Saison immer zwischen 105 und 126 Millionen Euro, der Gewinn lag im Schnitt über fünf Millionen Euro. Borussias Umsatz bewegte sich im selben Zeitraum teilweise bei nur 50 Prozent der Bremer Bilanz. Wenn es Gewinn gab, war er marginal — auch weil man statt um die Europacup-Plätze gegen den Abstieg spielte. Und während bei Werder Trainer Thomas Schaaf und Manager Klaus Allofs eine sportlich wie finanziell erfolgreiche Ära prägten, blieben in Gladbach die Verantwortlichen nie lange.

180-Grad-Wandlung

Doch seit 2011 drehte sich diese Konstellation bis um 180 Grad. Wo die Bremer in den vergangenen drei abgeschlossenen Spielzeiten in der Summe 31,6 Millionen Euro Verlust machten, fuhr Borussia im selben Zeitraum 28,3 Millionen Euro Gewinn ein. Bremens Umsatz pendelte sich unterhalb der 100-Millionen-Euo-Marke ein, Borussia übertraf sie zweimal deutlich. Bremen spielte zuletzt 2010/2011 international, Borussia seitdem zweimal. Bremen lernte zuletzt regelmäßig den Abstiegskampf kennen, Borussia seit 2011 nicht mehr. Das über Jahre bewährte Erfolgsduo in der sportlichen Führungsetage arbeitet nicht mehr an der Weser, sondern gemeinsam seit 2011 am Niederrhein und heißt Max Eberl und Lucien Favre. Und in Stephan Schippers besitzt Gladbach einen Geschäftsführer, der wegen seiner defensiven Kaufmannsart fast schon hanseatisch daherkommt.

Doch selbst in der gewandelten Beziehung zueinander können die nun vorbildhaften Borussen von Werder etwas lernen, nämlich, welche Folgen es haben kann, wenn ein über Jahre vom Gehaltsgefüge auf Champions-League-Teilnahmen getrimmter Kader plötzlich ohne Europapokaleinnahmen finanziert werden soll - was, wie man in Bremen erfahren musste, eben nicht geht. Sicherlich auch mit dem Beispiel Werder als Mahner im Hinterkopf werden Schippers wie Eberl daher eben auch nicht müde zu betonen, dass man keine verrückten Sachen machen werde, nur weil man nächste Saison an der Königsklasse teilnimmt, und dass man peinlich darauf achtet, auch weiterhin das Gehaltsgefüge harmonisch zu gestalten.

Sportlich erlebt der SV Werder unter Trainer Viktor Skripnik zumindest eine kleine Renaissance und hat im Saisonfinale sogar noch Chancen auf die Europa-League-Teilnahme. Doch die finanzielle Realität sieht eben weiterhin vor, im Verlust eines Top-Talents wie Davie Selke (nach Leipzig) auch den finanziellen Gewinn zu sehen. Den würde Geschäftsführer Thomas Eichin auch herausstellen, falls ein anderer Verein Selkes Sturmpartner Franco di Santo für einen zweistelligen Millionenbetrag aus dessen Vertrag herauskaufen würde. Borussia wird dieser Verein indes nicht sein, denn nach Informationen unserer Redaktion entspricht di Santo nicht dem Anforderungsprofil, das Eberl und Favre bei ihrer Stürmersuche zu Grunde gelegt haben.

(RP)
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