Borussias emotionales 3:3 "Ein tolles Fußballspiel, aber auch ein Fehlerspiel"

Mönchengladbach. · Hoffenheims Trainer Julian Nagelsmann konnte mit dem Unentschieden noch etwas besser leben als sein Gegenüber aus Gladbach, Dieter Hecking. Einig waren sich beide, dass ihre Teams den 51.000 Zuschauern fast alles geboten hatten, was ein sehenswertes Fußballspiel ausmacht.

Borussia Mönchengladbach - 1899 Hoffenheim: Einzelkritik
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Borussia - Hoffenheim: Einzelkritik

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Foto: Dirk Päffgen

Dieter Heckings Emotionen wandelten irgendwo zwischen einem gefühlten und einem verpassten Sieg. Den scheinbaren Widerspruch gab der Spielverlauf her: Dreimal hatte Borussia zurückgelegen, dreimal hatte sie ausgeglichen, zuletzt durch Matthias Ginter in der 90. Minute. Davor wäre Hoffenheim beinahe das 4:2 gelungen, aber der Ex-Gladbacher Nico Schulz traf die Unterkante der Latte. Nach dem 3:3 hatten beide Teams noch Chancen zum 4:3, die Nachspielzeit war ein dreiminütiger Schlagabtausch.

Julian Nagelsmanns Einschätzung konnte Hecking wohl nicht helfen, seinen Frieden mit dem Unentschieden zu schließen. "Ich kann mit dem Punkt gut leben, weil ich nicht glaube, dass wir mehr verdient hatten", sagte Hoffenheims Trainer, der sich vom Gladbacher Systemwechsel auf ein 3-1-4-2 überrascht zeigte. "Da mussten wir viele Anpassungen vornehmen, was immer Zeit in Anspruch genommen hat", erklärte Nagelsmann.

Ein bisschen haderte Hecking also. "Julian sagt, er hätte nicht mehr verdient gehabt. Vielleicht hätten wir den Sieg heute aufgrund der Situation verdient gehabt", sagte der 53-Jährige, dessen Mannschaft weiter auf der Stelle tritt und eine grottenschlechte Rückrundenbilanz hat — durch den späten Ausgleich beträgt der Rückstand auf den siebten Platz aber weiterhin drei Punkte. Nach der Länderspielpause ist Borussia beim FSV Mainz gefordert. Also rückte Hecking die Leistung seiner Spieler in den Vordergrund, was seine Stimmung deutlich aufhellte. "Wenn man gesehen hat, mit welchem Charakter und welcher Leidenschaft die Mannschaft dreimal zurückgekommen ist, dann muss das heute über allem stehen", sagte er.

Eberl beleidigt Nagelsmann

Das Spiel hatte nahezu alles geboten, was dem Zuschauer gemeinhin Freude bereitet: Jedes Tor veränderte die Statik der Partie, es gab einen Elfmeter, Josips Drmics erstes Tor nach fast zweieinhalb Jahren (mit Videobeweis, was den Zuschauer gemeinhin nicht so erfreut), die Comebacks von Oscar Wendt, Raffael und Fabian Johnson sowie viele intensive Duelle. Nach einem Foul von Benjamin Hübner in der 36. Minute entstand auf dem Platz eine Rudelbildung, die in den Coaching-Zonen zumindest verbal ausgelebt wurde. Dabei war über die Mikrofone zu vernehmen, wie Nagelsmann von Borussias Sportdirektor Max Eberl als "kleiner Pisser" bezeichnet wurde.

Max Eberl zofft sich mit Julian Nagelsmann an der Seitenlinie
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Eberl zofft sich mit Nagelsmann an der Seitenlinie

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Foto: Screenshot Sky

"Es tut mir leid, dass ich im Stadion auch emotional bin, wie Spieler, wie Fans. Ich habe einen Fehler gemacht, habe mich bei Julian entschuldigt. Wir haben die Szene anders gesehen, er hat keine Gelbe Karte gesehen, ich habe da eine gesehen", erklärte Eberl. "Es war eine reine Emotion — und wir arbeiten beide sehr emotional für unsere Klubs. Das Schöne ist, dass man sich am Ende in die Augen schauen und sich entschuldigen kann. Dann ist die Sache aus der Welt."

Eine kuriose Szene hatte sich vor dem 2:3 ereignet: Schiedsrichter Martin Petersen eroberte unabsichtlich den Ball für Hoffenheim, weil Jonas Hofmann mit gesenktem Kopf gegen ihn lief. "Da mache ich dem Schiedsrichter aber keinen Vorwurf", sagte Hecking. "Vielleicht hätte Jonas einfach passen, nicht reindribbeln sollen." Es gab also einiges zu bereden nach mitreißenden 96 Minuten Bruttospielzeit. "In letzter Zeit ging es oft darum, dass es in der Bundesliga zu wenig attraktive Spiele gibt. Das war mal wieder eins. Es war ein tolles Fußballspiel, aber natürlich auch ein Fehlerspiel", sagte Hecking.

Beim 0:1 monierte er das Abwehrverhalten seiner Mannschaft, als Hübner fast im Fünfmeterraum zum Kopfball kam. "Beim zweiten stehen wir eigentlich in Überzahl, der eine will auf Abseits spielen, der andere anscheinend nicht. Dann kriegen wir den Elfmeter", rekapitulierte Hecking die Szene, in der Hofmann am Ende Serge Gnabry von den Beinen holte. Und dann kam eben Hofmanns "verlorener Zweikampf" gegen den Schiedsrichter, unmittelbar nachdem er das 2:2 durch Lars Stindl, der erstmals seit vier Monaten traf, schön vorbereitet hatte.

Nachdem zwischenzeitlich 14 Spieler verletzt oder zumindest fraglich gewesen waren unter der Wochen, musste Hecking am Ende auf zehn verzichten. Wendt hielt 80 Minuten durch, Raffael spielte 20 (und bereitete Ginters 3:3 vor), Johnson stand noch zehn auf dem Platz. Vor allem im zentralen Mittelfeld hatte Hecking auf eine Not-Formation bauen müssen. "Da hatten wir schon ein wenig Bauchschmerzen mit Stindl, Cuisance und Hofmann. Die sind sehr spielstarke Leute, aber defensiv nicht die besten. Da bin ich froh, wenn Chris Kramer oder Denis Zakaria den einen oder anderen mal wegräumen können", sagte Hecking. "Aber die drei haben es im Verbund richtig gut gemacht. Vor allem ein Riesenkompliment an Mika Cuisance mit seinen 18 Jahren, das ist außergewöhnlich gut gewesen."

Und so bedeutete das 3:3 für Borussias Trainer am Ende doch mehr Freude als Ärger. Ganz sicher war sich Manager Eberl: "Der Punkt ist hochverdient und fühlt sich sehr, sehr gut an. So wie die Geschichte des Spiels war, wie wir gespielt haben, war es ein gewonnener Punkt."

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