Borussia Mönchengladbach Borussias Stimme aus dem Off

Mönchengladbach · Herrmann Schnitzler verliest heute im Borussia-Park die Schweigeminute für die Terroropfer. Der 55-Jährige ist seit Jahren Borussias Stimme aus dem Off, der unsichtbare Mitstreiter von Torsten "Knippi" Knippertz.

 Herrmann Schnitzler an seinem Arbeitsplatz oben unter dem Tribünendach des Borussia-Parks.

Herrmann Schnitzler an seinem Arbeitsplatz oben unter dem Tribünendach des Borussia-Parks.

Foto: Dirk Päffgen

Ein Ratespiel: Zwei Menschen sind bei jedem Heimspiel von Borussia über die Stadionlautsprecher zu hören - Welche beiden sind das? Klar, Torsten Knippertz natürlich, "Knippi", der Stadionsprecher. Richtig. Das war ja auch einfach. Aber wer ist der zweite? Na? Na? Na? Okay, wir lösen auf: Herrmann Schnitzler heißt der Mann. Und wenn wir jetzt sagen, dass ihm die Stimme gehört, die verlässlich darüber informiert, wann, wo und wie die Shuttlebusse und Sonderzüge nach Spielende abfahren oder die im Zweifelsfall darum bittet, das Abbrennen von Pyrotechnik zu unterlassen, dann werden Sie sagen: Ach so, ja stimmt, diese Stimme ist das!

Schnitzler kennt eine solche Reaktion. "Es kommt vor, dass mir Leute während einer Unterhaltung sagen: Mensch, irgendwo habe ich deine Stimme schon mal gehört", erzählt der 55-Jährige und schmunzelt. Für ihn ist es schon lange nichts Neues mehr, dass ihn jemand vielleicht zuerst über die Ohren und erst viel später auch mal von Angesicht zu Angesicht kennenlernt. Indes: Der Rheydter ist kein Unbekannter in der Stadt. 2001 war er Karnevalsprinz, und jedes Jahr moderiert er für CityVision den Veilchendienstagszug.

Die Sache mit dem Karnevalsprinz stellt schließlich auch die Verbindung zum heutigen Dasein am Stadionmikrofon her. "Damals durfte ich vor dem Spiel gegen Aachen am Bökelberg ein paar Worte an die Zuschauer richten, und da erkannte Tony Häring mich und meine Stimme wieder", erzählt Schnitzler. Häring, den langjährigen Technischen Leiter für das Stadion, der Ende vergangenen Jahres verstorben ist, hatte schon der 18-jährige Herrmann Schnitzler mal getroffen und ihm gesagt: "Ich würde gerne Stadionsprecher werden." Häring hatte geantwortet: "Die Stimme dazu hast du, Junge!"

Nach dem Wiedersehen 2001 machte Häring dann irgendwann später kurzerhand Nägel mit Köpfen. Borussia suche neben Matthias Opdenhövel einen zweiten Stadionsprecher, eine zweite sonore Stimme für die seriösen Ansagen. Schnitzler, Borussen-Fan seit dem fünften Lebensjahr und früher Dauerkarteninhaber in Block 25 am Bökelberg, zögerte nicht lange und nahm das Angebot an. In elf Jahren im Borussia-Park hat Schnitzler seitdem ganze zwei Pflichtspiele verpasst - und das, obwohl er unter der Woche beruflich in Hannover weilt, wo er jetzt auch die Absage des Länderspiels miterlebte.

Aus Opdenhövel wurde 2006 Knippertz, aber ansonsten hat sich für Schnitzler nicht viel verändert. Er, der selbst gerne der Stimme von Christoph-Maria Herbst lauscht, sitzt hoch oben in der Stadionregie. Glasscheibe an Glasscheibe mit der Polizei. Kurze Wege in Sachen Sicherheits-Kommunikation. Man kennt sich. "Das sind seit zehn Jahren dieselben Gesichter", sagt Schnitzler. Dass seine Ansagen über die Stadionlautsprecher vom Wortlaut quasi immer exakt gleich sind, hat übrigens nichts mit fehlender Kreativität des Sprechers zu tun. Vielmehr sind die Durchsagen genormt. Gestaltungsspielraum gibt es da kaum. Es gibt sogar regelmäßige Schulungen für Schnitzler und seine Kollegen seitens des DFB.

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Heute kommt auf Schnitzler eine besondere Aufgabe zu. Er wird den Begleittext zur Schweigeminute, die es in allen Stadien der 1. und 2. Bundesliga für die Terroropfer von Paris geben wird, verlesen. "Das ist ein einheitlicher Text", verrät Schnitzler. Und wie sieht es in seinem Inneren aus? "Natürlich haben mich die Vorfälle der vergangenen Tage nicht unberührt belassen, aber ich hoffe, dass wir uns heute auf das Sportliche konzentrieren können", sagt er. Diese Hoffnung dürfte er mit jedem im Stadion teilen.

(klü)
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