Borussia Mönchengladbach Hrgotas schwerer Stand und die fehlende Million

Mönchengladbach · Zweimal in Folge hat Branimir Hrgota das Siegtor vorbereitet, in der Europa League und im DFB-Pokal trifft er wie kein anderer für die Borussia. Trotzdem verschmähen viele Fans den Favre-Liebling. Für das leere Stadion gegen Freiburg kann Hrgota aber nichts.

Gladbach - Freiburg
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Bis in den März hinein mühte sich die Borussia, um auf sechs Rückrunden-Pünktchen zu kommen. Drei Niederlagen zum Auftakt, dann viermal in Folge das 1:0 gemacht, aber nur drei Unentschieden geholt. Dann verdoppelte der Coup in Dortmund die Bilanz auf einen Schlag, der Frühling stand schon vor der Tür. Das war Gladbach zu Beginn des Jahres 2014, ein Hinrunden-Dritter mit Champions-League-Träumen, der inzwischen um Europa zittern musste. Zwei minimalistische 1:0-Siege sorgen Anfang 2015 dafür, dass die Borussia a) nach 19 Spieltagen wie im vergangenen Jahr 33 Punkte hat und b) in zwei Rückrundenspielen so viele gesammelt hat wie vergangenes Jahr in acht.

Um die beiden Erfolge beim VfB Stuttgart und gegen den SC Freiburg zu erklären, ist es legitim, ins Tal der Banalitäten hinabzusteigen: Die Borussia hatte jeweils Chancen für drei Tore, zwei hätten es mindestens sein müssen, eins wurde es. Und wer nicht mehr zustande bringt, ist darauf angewiesen, hinten die Null stehen zu lassen. Wie gesagt, banal. Das gelang in Stuttgart mit Glück, weil Georg Niedermeier in der Nachspielzeit die Unterkante der Latte traf. Das gelang gegen Freiburg, weil die Gäste ihre drückende Überlegenheit in zu wenige Torchancen verwandelten. So einfach, so glücklich.

Selten geben Zahlen die Spielverlauf so gut wieder (auch wenn das jetzt zu erwarten ist, sei in der Folge vor einem Überfluss an Zahlen gewarnt):

Etwas geradliniger lässt sich Gladbachs neues Traumduo durch die Statistik belegen. Drei Tore hat Branimir Hrgota nun schon in der Bundesliga für Patrick Herrmann aufgelegt. Hinzu kommen in der Europa League zwei halbe Assists, weil Herrmann beide Male einnetzte, nachdem ein Gegner Hrgota den Ball vom Fuß gespitzelt hatte.

Der wieder verschmähte Raffael kommt in doppelt so vielen Bundesligaminuten auf gleich viele Torbeteiligungen wie Hrgota, der zusätzlich noch zehn Tore in der Europa League und im DFB-Pokal anzubieten hat. Trotzdem schlägt dem Schweden aus einem nicht gerade kleinen Teil der Fanszene eine bemerkenswerte Abneigung entgegen. Wäre Hrgota am Dienstag mit dem Shuttlebus nach Hause gefahren, hätte er sich anhören können, er sei "der schlechteste Stürmer, den wir jemals hatten". Der namentlich unbekannte Urheber dieser Schmähung mag sich hier des Stilmittels der Übertreibung bedienen. Dennoch hat die Aussage eine gewisse Heftigkeit, wenn sie aus dem Mund eines Fans kommt, dessen Lieblingsklub einst Damian Mori ("Das Video mit seinen Toren war länger als 'Ben Hur'") verpflichtete und Kahê auf welchem Scouting-Weg auch immer verpflichtete.

Lucien Favre ist bekanntlich der größte Hrgota-Fan südlich von Jönköping. Vor dem Freiburg-Spiel hatte er dem Schweden scheinbar eine Einsatzgarantie ausgestellt, als er in der Pressekonferenz ausgiebig über die Vorzüge des Duos Hrgota-Raffael referierte. Die mussten in Villarreal, so klang es, quasi eine Jahrhundert-Leistung gezeigt haben. Da dachte man sich: Wenn Favre schon einmal so konkret über Personalien spricht, dann wird wohl mit den beiden zu rechnen sein. Das hätte dann auch bedeutet: Favre denkt doch nicht nur von Spiel zu Spiel, sondern würde schon an Schalke denken, eine Sensation. Aber der Trainer hat mit seinen Äußerungen ganz schön auf die falsche Fährte gelockt. Statt Vorab-Rotations-Verkündung gab es diesmal gar keine. Zum ersten Mal im 29. Pflichtspiel schickte er die gleiche Elf auf den Platz — was dann doch einer kleinen Sensation glich.

Als zu Beginn der zweiten Hälfte die Tafel des vierten Offiziellen hochging, sah es kurz nach spielinterner Rotation aus. Alvaro Dominguez kam für Martin Stranzl. Doch der Österreicher blieb nicht freiwillig in der Kabine, er war in der ersten Hälfte von einem Schuss an die Schläfe ausgeknockt worden. Wieder hatte er geholfen, die Null zu halten. Doch bei allem Stranzl-Kult sei kurz an seinen Fehler vor Nils Petersens Abseitstor erinnert. Da ging der 34-Jährige in einen Tod-oder-Gladiolen-Zweikampf, aus dem seine Gegner in der Regel mit Erinnerungen an womöglich nie erteilte Lateinstunden herausgehen: "Alea iacta est", der Würfel ist gefallen. Doch diesmal ging Stranzl überraschend zaghaft zu Werke, verlor das Duell, die Abwehr war blank — und Petersen beim Abspiel zum Glück ein paar Zentimeter vor dem Ball. Aber es gibt eben kein Denkmal ohne Taubenmist.

Max Kruse kennt die Hrgota-Situation ein wenig aus dem vergangenen Jahr. Da traf der Nationalspieler plötzlich nicht mehr, die Borussia gewann nicht mehr, was damals durchaus eine Kausalitätskette darstellte. Am Dienstag verschonte Kruse seinen Ex-Verein auch im dritten Anlauf, in der Hinrunde hatte ihn eine Harnleiter-Operation aller Chancen beraubt, es besser zu machen. Krönung einer schwachen Leistung war diesmal eine Situation, in der Kruse einen Eckball — etwas vereinfacht ausgedrückt — in der eigenen Hälfte ins Seitenaus beförderte. Der Borussia-Park rumorte gewaltig. Gegen Schalke läuft es im Gladbach-Trikot besser. Da sind Kruse in drei Duellen zwei Tore und zwei Assists gelungen.

Als das Transferfenster am Montagabend um 18 Uhr dicht machte, war es beinahe eine Nachricht wert, dass es aus Mönchengladbach keinerlei Nachrichten gab. Das einstige "Kaufhaus des Westens" ist seit geraumer Zeit eine reine Sommer-Filiale. Dafür hat Sportdirektor Max Eberl das gemacht, was er im typischen Eberl-Sprech einen "internen Transfer" nennt. Granit Xhaka unterschrieb einen neuen Vertrag. "Der Schweizer wechselt vom Jahr 2016 ins Jahr 2019", hätte es in einer entsprechenden Nicht-Transfer-Meldung heißen können.

Einen Teil der sicherlich damit verbundenen Gehaltserhöhung hätte die Borussia finanzieren können, wenn der Bundesliga-Spielplan in dieser Saison etwas gnädiger ausfallen würde. Zum dritten Mal musste der VfL unter der Woche zu Hause ran. Gegen Freiburg kamen nur 37.091 Zuschauer, so wenige wie seit dem Heimspiel gegen Hoffenheim vor vier Jahren nicht mehr. Das war ein Samstag, es war Karneval, der Gegner auch nicht verlockend und das Favre-Wunder steckte noch in den Kinderschuhen. In den Englischen Wochen dieser Saison liegt Gladbachs Schnitt bei 41.926 Zuschauern, am Wochenende bei 52.174. Und samstags oder sonntags waren ja beileibe nicht nur die Bayern und Schalke zu Gast, sondern auch Mainz und Hoffenheim. 30.000 Zuschauer weniger ergeben bei einem durchschnittlichen Eintrittspreis von mehr 30 Euro fehlende Ticket-Einnahmen von etwa einer Million Euro — nicht gekaufte Biere und Bratwürste außen vor.

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