Borussia Mönchengladbach Der erste Dunkelhäutige in der Bundesliga

Mönchengladbach · Werner Waddey hat sich mit Franz Beckenbauer bei der Jugend-Nationalmannschaft das Zimmer geteilt, Günter Netzer hat ihn zum Wechsel vom 1. FC zu Borussia überredet. Waddey stand 1965 im Aufstiegs-Sturm. Und er war als "Besatzungskind" 1965 eine Ausnahme im Oberhaus.

Als Maria Waddey damals mit ihrem Kind durch Viersen ging, haben die Leute geguckt und getuschelt. Als "Besatzungskind" war der kleine Werner, 1946 geboren, nach dem Zweiten Weltkrieg noch etwas Exotisches. Er hat seinen Vater, einen US-Soldaten, nie kennengelernt. Doch er hat keine bösen Erinnerungen an seine Kindheit. "Meine Mutter, eine Seidenweberin, hat mich in den ersten Jahren mit den Großeltern wunderbar großgezogen, obwohl das bestimmt nicht leicht war", sagt er.

Und dann, als Werner in die Schule kam, hat er sich auch als Dunkelhäutiger schnell den Respekt der Spielkameraden verdient - "weil ich im Sport besser war". Er sprang weiter und lief schneller als die anderen, und er spielte vor allem viel besser Fußball. "Schon mit sechs Jahren war ich jeden Tag auf einer Wiese im Viersener Robend, wo viele Jungs kickten. Der Ball war das Wichtigste und Schönste für mich", erzählt er. "Mit acht habe ich in der D-Jugend des FC Germania gespielt. Und bald spielte ich zusammen mit ein oder zwei Jahre Älteren in höheren Mannschaften."

Werner Waddey, der kleine, flinke und sehr ausdauernde Junge ("Ich war einmal westdeutscher Jugendmeister über 600 Meter") auf dem linken Flügel war ein außergewöhnliches Talent, auf das längst nicht nur die benachbarten Grün-Weißen aufmerksam wurden. Das Rennen um den kleinen Flitzer machte 1961 schließlich der 1. FC Mönchengladbach. Drei Jahre spielte Werner Waddey im Westend, dabei eine Saison in der A-Jugend zusammen mit Günter Netzer, den er aus der Kreis- und Verbandsauswahl kannte. Ebenso wie den damaligen Büttgener Berti Vogts, mit dem er auch zusammen in der Jugend-Nationalmannschaft spielte - zu der ebenfalls Franz Beckenbauer gehörte. "Der Franz und ich haben uns beim UEFA-Turnier 1964 in Holland das Zimmer geteilt", erzählt Waddey, der insgesamt dreimal für Deutschland auflief.

Zu Günter Netzer entwickelte sich eine gewisse Freundschaft: "Er war öfter bei mir zu Besuch. Und eines Tages stand er wieder vor der Tür: um mich zu überzeugen, dass ich statt zu Alemannia Aachen oder Preußen Münster, die mich unter anderem holen wollten, besser nach Gladbach zur Borussia ginge, für die er seit einem Jahr in der Regionalliga spielte." Und Hennes Weisweiler, der neue Trainer, kam zu einem Gespräch auf die Ernst-Reuter-Anlage.

Werner Waddey unterschrieb am Bökelberg einen Dreijahresvertrag und geriet bald in den Blickpunkt: als erster dunkelhäutiger Spieler Borussias eine Ausnahmeerscheinung im deutschen Spitzenfußball. Erwin Kostedde kam 1967 zum MSV Duisburg, Kölns Zeze war weißer Brasilianer.

68 ist Werner Waddey heute. Das große Geld hat er nicht verdient. Nicht nur, weil es damals im Fußball noch nicht viel zu verdienen gab. 1964 hatte er, wie fast alle anderen Borussen, tagsüber einen normalen Job als kaufmännischer Angestellter beim Viersener Holz- und Baustoff-Großhandel Hüpkes, bei der er seine Lehre gemacht hatte. Nachmittags wurde am Bökelberg trainiert. In der Regionalliga gab es 400 Mark im Monat, plus 200 Mark Siegprämie. Nach dem Aufstieg in die Bundesliga ein Jahr später ("Dafür gab es stolze 10 000 Mark!") wurden es 1200 Mark Gehalt pro Monat und 1000 pro Sieg. Aber Fußball war nun auch ein Vollzeit-Job.

Bei dem man, zumal als Jugend-Nationalspieler, natürlich von der ganz großen Karriere träumte. Doch diese Hoffnungen haben sich nicht erfüllt. Dabei war Werner Waddey in der Saison 1964/65, seiner ersten am Bökelberg und gleich dem Aufstiegsjahr, neben Bernd Rupp der Einzige im Kader, der alle 34 Spiele in der Regionalliga und alle sechs in der Bundesliga-Aufstiegsrunde bestritt. Herbert Laumen, Jupp Heynckes, Bernd Rupp, Günter Netzer und Werner Waddey: Das war Borussias Standard-Sturm, der Gladbach in die höchste Klasse schoss - "nachdem wir als Abstiegskandidat in die Saison gestartet waren".

Im ersten Bundesliga-Jahr hatte Waddey noch 15 Einsätze. Doch es kam die Abkehr vom WM-System mit seinen fünf Angreifern - und 1966 musste der 20-Jährige seinen Wehrdienst leisten - nach den sechs Monaten Grundausbildung noch ein weiteres Jahr. Eine ganze Saison hat er nicht gespielt - und danach die Rückkehr in die Stamm-Mannschaft nicht mehr geschafft: "Ich war mit 1,65 Metern und 64 Kilogramm immer noch recht klein und schmächtig, konnte meine Stärken in der Bundesliga nicht so einbringen wie in der Regionalliga. Und der Konkurrenzkampf wurde gegen neue Leute wie Hacki Wimmer oder Klaus Ackermann immer härter."

Sieben Bundesliga-Spiele machte Waddey in der Saison 1967/68 - seine letzten. "Mein Vertrag lief danach aus, sollte aber verlängert werden", erzählt er. Doch dann kam der Schlag: "Plötzlich wurde mir mitgeteilt, dass es doch nichts würde mit der Verlängerung. Und das kurz vor Ende der Transferfrist im Profifußball. Da musste ich froh sein, auf die Schnelle noch einen Vertrag beim frischgebackenen Regionalliga-Aufsteiger Bonner SC zu bekommen."

Zu dessen Aufstiegsfeier am Abend des 19. Juli 1968 kam Waddey im Hochzeitsanzug - mittags hatte er seine Freundin Gladys, Sekretärin bei den Stadtwerken Mönchengladbach, geheiratet. "Das musste schnell gehen. Aber nicht etwa, weil ein Kind unterwegs gewesen wäre, sondern weil es für unverheiratete Paare kaum eine Wohnung gab."

Gut 46 Jahre sind Gladys und Werner Waddey verheiratet. Seit 1975, als er seine Karriere als Fußball-(Halb-)Profi mit weiteren Stationen bei Fortuna Köln und Arminia Gütersloh (dort arbeitete er halbtags beim Bertelsmann-Verlag) beendet hatte, leben die beiden in Hardt. Die beiden Töchter Vanessa (40) und Jennifer (36) sind hier groß geworden. Werner Waddey hat ab 1975 in der Lohn- und Finanzbuchhaltung eines Viersener Unternehmens gearbeitet, bis er mit 50 Frühpensionär wurde. Nun sind zwei Enkelkinder da, viereinhalb und eineinhalb Jahre, für die er viel Zeit hat. Sportlich ist nach einer Hüftoperation 2012 und einem Achillessehnenriss beim Fußballtennis mit Alt-Borussen nichts mehr möglich. Doch eine Stunde Marschieren vor der Haustür im Hardter Wald ist jeden Tag Pflicht. Und einmal die Woche bringt die Tour für einen Lesezirkel Kontakte und Gespräche.

Werner Waddey ist 68 und mit seinem Leben zufrieden. Als Fußballer ist es zwar nicht ganz so gelaufen wie erhofft. "Aber es gibt nichts, das ich bereue."

(RP)
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