Borussia Mönchengladbach Die Kunst der Geduld und Strobls Warmspielen

Mönchengladbach · Nur 1973 ist Borussia Mönchengladbach besser in eine Rückrunde gestartet als dieses Jahr unter Dieter Hecking. Das 4:2 gegen den FC Schalke lässt die Gladbacher Fans wieder von Europa träumen – jetzt gibt es Europa erst einmal ganz real.

Borussia Mönchengladbach - FC Schalke 04: Einzelkritik
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Borussia - Schalke: Einzelkritik

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Foto: dpa, gki kno

Nur 1973 ist Borussia Mönchengladbach besser in eine Rückrunde gestartet als dieses Jahr unter Dieter Hecking. Das 4:2 gegen den FC Schalke lässt die Gladbacher Fans wieder von Europa träumen — jetzt gibt es Europa erst einmal ganz real.

  • Weniger als 50 Prozent führen zum Erfolg

Ballbesitz oder Konter? In den vergangenen Jahren hat sich im deutschen wie im internationalen Fußball diese Dualität der Stile herausgebildet. Borussia Mönchengladbach war seit der Relegation 2011 beides — mal zur gleichen Zeit, mal in verschiedenen Phasen. Gerade der FC Schalke hatte Gladbach in den direkten Duellen zuletzt oft dazu gezwungen, das Spiel zu machen. Diesmal drehte Dieter Hecking den Spieß um, was Benedikt Höwedes, Holger Badstuber und Matija Nastasic in der Dreierkette des Gegners jeweils mehr als 100 Ballbesitzphasen bescherte, aber auch große Probleme aufdeckte. Zum fünften Mal in sieben Bundesligaspielen unter Hecking hatte Borussia weniger als 50 Prozent Ballbesitz, es gab den fünften Sieg. 66 Prozent beim 0:0 gegen den SV Darmstadt und 59 Prozent beim 1:2 gegen RB Leipzig führten nicht zum Erfolg.

  1. Schon wieder zugelegt im zweiten Durchgang

Mit dem 3:1 in der zweiten Halbzeit hat Borussia ihre grandiose Bilanz unter Hecking weiter ausgebaut. Das Torverhältnis nach der Pause steht nun bei 17:3, wobei zwei Gegentore in den Bereich der Ergebniskosmetik fielen. Mittlerweile ist Gladbach in der Lage, dermaßen zuzulegen, dass man sich gar nicht einigen kann, welche 20 Minuten im zweiten Durchgang nun die besten waren. Zur Auswahl stehen: Leverkusen, als Borussia aus einem 0:2 ein 3:2 machte; Freiburg, als sie von 0:0 auf 3:0 wegzog; Florenz mit der wundersamen Wende von 1:2 auf 4:2 direkt nach dem Seitenwechsel; Schalke mit dem Zwischenspurt von 1:1 auf 4:1, in dem Fall binnen zwölf Minuten.

  1. Tobias Strobl brilliert
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Sogar ein vermeintlicher Wermutstropfen erwies sich als Glücksfall. Für Christoph Kramer ging es nicht weiter, "grippig" habe sich sein Sechser gefühlt, sagte Hecking, und Kramer habe signalisiert, dass es keinen Sinn habe, weiterzumachen. Deshalb kam Tobias Strobl — und machte ein barenstärkes Spiel. "Im Nachhinein war es mir ganz Recht, weil er auch am Donnerstag spielen wird", sagte Hecking. Dann ist Kramer im Europa-League-Hinspiel auf Schalke gelbgesperrt. "Von daher war es gut, dass Tobi nochmal 45 Minuten höchstes Tempo gehen musste. Für ihn war das die beste Vorbereitung." Die krönte Strobl in seinem 100. Bundesligaspiel mit 91 Prozent Passquote, neun von elf gewonnenen Zweikämpfen und der Vorlage zum 4:1, seiner ersten Torbeteiligung im Gladbach-Trikot.

  1. "Döppen" in den Duden

Seit Herbst 2005 ertönt bei Gladbacher Toren im Borussia-Park das Lied "Maria (I Like It Loud)" von Scooter, dessen inoffizieller Name selbstverständlich "Döpdöpdöpdödödöpdöpdöp" lautet. Längst hat sich das Verb "döppen" etabliert, obwohl der Duden es weiterhin ignoriert. Dabei könnte der FC Schalke als unabhängige Quelle bezeugen, dass in Gladbach ziemlich oft "gedöppt" wird, 23-mal haben sich die Königsblauen das in den vergangenen zehn Jahren anhören müssen. Denn in dieser Zeit hat Schalke neun von zehn Gastspielen in Gladbach verloren. Nur im Mai 2013 feierten sie einen Sieg, als Julian Draxler kurz vor Schluss zum 1:0 traf — nach Vorlage von Raffael, der ein halbes Jahr als Leihspieler das S04-Trikot trug. Seitdem hat er übrigens in jedem Heimspiel gegen Schalke getroffen — und damit jedes mal Scooter verursacht.

  1. Der 1. FC Köln hat Gladbach im Nacken

Die Rückrunden-Tabelle und die Hecking-Tabelle liefern beeindruckende Bilder, zweifellos. Aber auch die Seit-dem-Derby-Tabelle ist nicht zu verachten. Am 19. November trafen Borussia und der 1. FC Köln aufeinander, seitdem hat Köln nur zwei von zwölf Spielen gewonnen. Während Gladbach trotz der schwachen Ausbeute der letzten Wochen unter André Schubert in dieser Wertung schon Fünfter ist, steht der FC auf dem Relegationsplatz. Bis auf einen Zähler hat sich Gladbach herangepirscht, nach den Viertelfinalspielen im Pokal und der Halbfinal-Auslosung ist es wahrscheinlich, dass der siebte Platz für Europa reicht — und wenn nicht, dann dürfte es daran liegen, dass Borussia als Pokalsieger sowieso ins internationale Geschäft einzieht. Die Fans haben den Rivalen aus der Domstadt — rein sportlich und kreativ — schon ins Visier genommen.

(jaso)
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