Borussia Mönchengladbach Die "Zehn vom Niederrhein" der Hinrunde

Mönchengladbach · Am Ende ging es doch noch mit guten Nachrichten in die Winterpause: Martin Stranzl hat seinen Vertrag verlängert, das Hickhack zum Christoph Kramers Zukunft ist endgültig beendet. Sportlich lief es dafür in den vergangenen Wochen nicht immer rosig, davor aber so richtig. Die "Zehn vom Niederrhein" zieht Bilanz.

Das Hinrunden-Zeugnis der Borussia
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1. Ein Vierter wie ein Siebter Die Drei-Punkte-Regel feiert ihre 20. Saison und stellt zum Ende der Hinrunde eindrucksvoll unter Beweis, was passiert, wenn sie ignoriert wird — nämlich dann, wenn es wie in den ersten 153 Partien deutlich mehr Unentschieden als in vergangenen Spielzeiten gibt. Die Borussia hat sechs Remis auf der Habenseite. Zeitweise wurde genörgelt, es seien zu viele. Unterm Strich hätte je ein Punkt in Dortmund, Wolfsburg und Augsburg die Bilanz allerdings deutlich aufgewertet. So geht Gladbach als Viertplatzierter mit den wenigsten Zählern seit Einführung der Drei-Punkte-Regel in die Rückrunde. Nur zehn Punkte beträgt der Vorsprung auf den Relegationsplatz, der Blick nach unten war seit 1995 nie so waghalsig. Ein Trend vergangener Jahre macht Mut: Punkteten die Europacup-Anwärter in der Hinrunde dürftig, blieb das auch nach der Winterpause so.

2. Hoch, gerade, runter Würde man Borussias Formkurve in der Bundesliga als geometrische Figur darstellen, wäre sie ein Trapez: Eine Linie nach oben, dann lange waagerecht, am Ende abfallend. Mit zwei Punkten aus zwei Spielen ging es los, mit sieben Punkten aus sieben Spielen ging es in die Winterpause. Eine halbe Hinserie lang hat der VfL gepunktet wie ein Abstiegskandidat. Dafür stehen mittendrin 18 Punkte aus acht Partien zu Buche — in einer Liga ohne den FC Bayern wäre das meisterlich. Auf den Wunschzettel gehört also etwas mehr Konstanz.

3. Was darf's denn sein? Etwas konkretere Wünsche ließen sich auch formulieren. Nur was ist besonders erstrebenswert in einer Saison, in der die Borussia erstmals seit 28 Jahren in drei Wettbewerben überwintert? Sie könnte Vierter oder gar Dritter werden, aber im DFB-Pokal und der Europa League bald scheitern. Sie könnte Fünfter oder Sechster werden und ansonsten mindestens die Viertelfinals anpeilen. Sie könnte auch den Europapokal verpassen und dafür einen Titel gewinnen. Klingt ganz, als sollte für jeden Geschmack etwas dabei sein — vorausgesetzt, es gibt überhaupt Geschenke.

4. Deutlich hinter Augsburg Würde die Borussia in der ersten schwedischen Liga spielen, wo die Saison dem Kalenderjahr entspricht, hätte es 2014 nichts gegeben mit Europa. 49 Punkte bei 49:40 Toren, 13 Siegen, 10 Unentschieden und 11 Niederlagen bedeuten den achten Platz in der Jahrestabelle. Gladbach stellt die zweitbeste Abwehr, aber nur den achtbesten Angriff. Damit ist klar, wo es Steigerungspotenzial gibt. Mit dem einen oder anderen Treffer mehr wäre der Jahresvierte Augsburg (55 Punkte) zu holen gewesen.

5. Torfabrik in Kurzarbeit Dementsprechend gab es 2014 in der Liga keine echten Schützenfeste, sondern allenfalls kleine Dorfumzüge. Die 4:1-Siege gegen Schalke und Bremen sind die höchsten Siege des Jahres. Treffsicherer war die Borussia in der Europa League beim 7:0 gegen Sarajevo und dem 5:0 gegen Limassol. Der deutlichste Auswärtserfolg gelang beim 3:0 in Hannover. Vier Gegentore kassierte der VfL lediglich beim 2:4 in Freiburg.

6. Schwede mit zwei Gesichtern An der Spitze der vereinsinternen Scorerliste der Hinrunde steht ein Phänomen. In der Bundesliga trifft Branimir Hrgota nur alle 428 Minuten und ist im Noten-Ranking unserer Redaktion der schwächste Borusse. Dafür gelangen ihm im DFB-Pokal und der Europa League zehn Tore, alle 80 Minuten eins.

Scorerliste Hinrunde

7. Bloß nicht zu früh Eine Gladbacher Spezialität in der Hinrunde waren frühe Tore. In 27 Pflichtspielen gelang der Mannschaft von Lucien Favre 18-mal das 1:0 — im Schnitt bereits in der 18. Minute. Nur im Auswärtsspiel auf Zypern bei Apollon Limassol fiel der Führungstreffer erst nach der Pause. Zweimal verlor die Borussia trotzdem, gegen Frankfurt und gegen Augsburg. Die Treffer in der sechsten und dritten Minute waren kurioserweise die beiden frühesten der Saison.

8. Nur Kramer konnte er nicht stoppen Man könnte Martin Stranzl getrost zum "Spieler der Hinrunde" küren, wenn er nicht seit dem 9. November ausgefallen wäre. Doch mit 1698 Einsatzminuten in 19 Partien hat der Österreicher ausreichend Arbeitsproben abgegeben, um eine Bewerbung dennoch zu rechtfertigen. Stranzl war Borussias notenbester Feldspieler der Hinrunde. Und wahrscheinlich wäre der 34-Jährige ungeschlagen geblieben, wenn er sich in Dortmund auch in den Zweikampf mit Christoph Kramer gestürzt hätte wie in Duelle mit seinen Gegnern. Doch das ahnte selbst der Kapitän nicht. In der Meisterschaft kassierte die Borussia ohne Stranzl dreimal so viele Gegentore. Mit der Nachricht, dass er sein Karriereende zum dritten Mal aufschiebt, ging es in die Winterpause. Stranzl hat bis 2016 verlängert.

9. Dauer-Sommer Lucien Favre hat das Rotieren in der Hinrunde gelernt und lieben gelernt. Die Hälfte seines Kaders wurde so eingesetzt, dass die Belastung etwa einer vollen Bundesliga-Halbserie entsprach — simulierte Einfach-Belastung bei Dreifach-Belastung. Unter den am häufigsten geforderten Spielern sind viele Defensivleute. Auch das könnte ein Grund für die gesteigerte Gegentorquote sein.

Diese Elf hat die meisten Minuten auf dem Platz gestanden:

Yann Sommer 2430, Tony Jantschke 2295, Granit Xhaka 1959, Alvaro Dominguez 1883, Julian Korb 1742, Martin Stranzl 1698, Raffael 1688, Christoph Kramer 1666, Max Kruse 1585, André Hahn 1443, Oscar Wendt 1312

10. Umgekehrter HSV Lässt man den jungen Mahmoud Dahoud mit seinen 57 Europa-League-Minuten außen vor, hat die Borussia in 27 Pflichtspielen lediglich einen Kader von 18 Spielern eingesetzt. Alle spielten mindestens zehnmal. Zum Vergleich: Der Hamburger SV kommt in 19 Partien auf 28 Spieler.

(jso)
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