Borussia Mönchengladbch Ein Dämpfer zur rechten Zeit

Dortmund · Die Niederlage in Dortmund zeigt, dass die Elf von Trainer Favre höchstes Niveau bieten muss, um in der Spitzengruppe zu bestehen.

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Foto: dpa, hak

Die Mitspieler waren bemüht, Christoph Kramer zu trösten. Nach und nach wurden die Mönchengladbacher Fußballprofis nach dem 0:1 bei Borussia Dortmund bei ihrem Teamkameraden vorstellig. Torhüter Yann Sommer, Außenstürmer André Hahn, sogar Dortmunds Sebastian Kehl. Der eine oder andere sprach sein Bedauern aus, doch meist blieb es bei einem aufmunternden Schulterklopfer. "Es war natürlich schwer, Worte zu finden. Christoph weiß selbst, dass das eine schlechte Aktion war. Aber er kann mit so etwas umgehen", sagte Patrick Herrmann.

Was will man auch einem jungen Mann sagen, der gerade das wohl schlimmste Erlebnis seiner Laufbahn hatte. Aus 45 Metern schoss Kramer den Ball über Torhüter Yann Sommer hinweg ins eigene Tor und sorgte damit für die erste Saisonniederlage. Es war der Moment, in dem der Weltmeister geerdet wurde - in einem Spiel, das ganz Gladbach auf den Boden der Tatsachen zurückholte. Denn die westfälische Borusssia war der Namenscousine vom Niederrhein total überlegen.

Vorwürfe seiner Kollegen gab es nicht in Richtung Kramer, und der unfreiwillige Hauptdarsteller gab zu, "Grütze" gespielt zu haben. Seine Einlassungen zum Hauptthema des Spiels war seine beste Leistung in Dortmund. Sein insgesamt schwacher Auftritt ärgerte ihn mehr als das Eigentor. "Das sollte nicht, aber kann passieren. Das ist menschlich", sagte Kramer. Er fand auf schmerzliche Art heraus, wie kurz der Weg zum König zum Bettler ist: knapp 45 Meter. In den Wochen zuvor sah es so aus, als sei Kramer im ewigen Aufwind unterwegs.

Der schüchterne Bursche, der vor einem Jahr aus Bochum gekommen war, kam als gefeierter Star aus Brasilien zurück, als Führungsfigur. Bei seinem ersten Einsatz nach der WM schoss er gleich ein Tor, das 1:1 gegen Stuttgart. Sein Spiel ist gestenreicher geworden. Und Kramer will nicht mehr nur der Dauerläufer sein, die Lunge des Gladbacher Spiels, sondern auch einer der Vordenker. Er begnügt sich nicht mehr mit den einfachen Bällen, die in der Vorsaison seine große Stärke waren, er will zeigen, dass er auch filigran ist. Damit setzt er durchaus Zeichen und gibt Impulse, seine Laufleistungen und seine Passquoten sind nach wie vor stark. Doch zuweilen ist es zu viel der Ästhetik. Gegen die Bayern versuchte er sich mehrfach am "Zidane-Trick", zweimal ging es schief. Gerade im defensiven Mittelfeld können unnötige Kunststückchen zur Katastrophe werden.

In Dortmund ging Kramers Rückpass total daneben. Damit bremste er seine Mannschaft nach 18 Spielen ohne Niederlage erst mal aus. Doch vielleicht war es eine lehrreiche Erfahrung für die Borussen und ihren Weltmeister, ein Dämpfer zur rechten Zeit. Das Thema "erster Bayern-Jäger" wurde vorerst nach Wolfsburg verschoben, Gedankenspielen um Titelgewinne haben sich die Borussen ohnehin nicht hingegeben. Doch gab es viel Schmeichelei - und so etwas kann die entscheidenden Prozente Konzentration kosten, die dann fehlen, um als Team optimal zu funktionieren.

Nun weiß jeder Gladbacher: Nur wenn alle voll bei der Sache sind, hat Borussia das Zeug zum Spitzenteam. "Wir haben viel zu tun", befand Trainer Lucien Favre. Auch Kramer. Es gilt, sich nach dem Ende der Unbesiegbarkeitsserie im 19. Spiel wieder auf das Wesentliche zu konzentrieren. "Wir werden nicht alles überdenken, denn wir haben vieles richtig gemacht und stehen verdient auf Platz drei. Nichtsdestotrotz hat das Spiel gezeigt, dass wir jedes Mal aufs Neue frisch im Kopf und in den Beinen sein müssen", sagte Sportdirektor Max Eberl.

(RP)
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