Borussia Mönchengladbach EM zeigt: Borussia ist zukunftstauglich

Mönchengladbach · Was die Torproduktion und die Action angeht, war in Gladbach in der vergangenen Saison mehr los als nun in Frankreich. Die Tendenzen, die beim Kontinental-Turnier offenbar werden, sind auch in Gladbach angelegt.

Turniere wie die EM sind immer auch ein Leitfaden für die Klubs. Borussias Fußball war in der vergangenen Saison attraktiver als der, der nun bei der EM zu sehen ist. Gleichwohl gibt es Ansätze in Frankreich, die interessant sind.

Turniere wie die EM sind immer auch ein Leitfaden für die Klubs. Borussias Fußball war in der vergangenen Saison attraktiver als der, der nun bei der EM zu sehen ist. Gleichwohl gibt es Ansätze in Frankreich, die interessant sind.

Foto: AP, kn

Sagen wir es mal so: Borussias Spiele zu gucken war in der vergangenen Saison aufregender als es jetzt das EM-Gucken ist, zumindest wenn es um das Wesentliche geht: 3,44 Tore gab es im Schnitt bei Spielen mit Gladbacher Beteiligung, insbesondere die Heimspiele waren meist ein (Tor-)Fest. 2,47 Treffer schaffte das Team von André Schubert im Schnitt (42 in 17 Spielen), hinzu kamen 18 Tore der Konkurrenz (gesamt: 3,53). Action und Entertainment waren garantiert. Borussia war wie ein Hollywoodfilm; die EM ist eher wie das europäische Kunstkino: Die Ästhetik liegt in der Tiefenstruktur des Kunstwerks und ist mehr schwer als leicht, mehr Kalkül als die große Leichtigkeit.

Große Turniere sind oft Leitfäden für neue Tendenzen. Doch sollte man nun in Mönchengladbach keine Angst vor einem Schönheits- und Unterhaltungsverlust des Borussen-Spiels haben. André Schubert denkt stets offensiv und würde es als ein Vergehen an der Seele seines Teams ansehen, es in ein strenges defensives Konzept zu pressen. Darum ist nicht zu erwarten, dass der Trainer das Grundgefühl der bisherigen EM als Borussia-Prinzip übernimmt, das Tobias Escher, Taktik-Experte und EM-Kolumnist dieser Redaktion, als "defensiv hui, offensiv pfui" beschreibt. Gleichwohl gibt es EM-Ansätze, die auch für Borussia interessant sind.

Defensive Italien hat einmal mehr gezeigt, wie effektive Abwehrarbeit geht - und das mit jener Dreierkette, die in der vergangenen Spielzeit Pate stand für Schuberts Borussia. Giorgio Chiellini, Leonardo Bonucci, Andrea Barzagli sind das Trio, das bei Borussias Champions-League-Gegner Juventus Turin dicht macht. Nun hielt der Turiner Block, der Schubert so beeindruckte, auch Belgiens Fußballfeingeister in Schach. Es war ein kunstvolles "zu Null" der Azzurri, eines, das als Musterbeispiel für das Dreierketten-Spiel herhalten kann: die optimale Raumaufteilung, das perfekte Verschieben, die Lückenlosigkeit, die nötige Zweikampfhärte - dass Bonucci nebenbei mit seinem langen Pass vor dem 1:0 zehn Belgier aus dem Spiel nahm, kam hinzu. Er führte die Ästhetik des Einfachen vor: geradlinig und effektiv. Borussia hat in Nordtveit und Xhaka zwei Spezialisten für weite Bälle verloren - Nachfolger erwünscht. Ein Mann wie Jannik Vestergaard könnte einer für solche Fälle sein.

Mittelfeld Bei der EM hat Tobias Escher den andauernden Schwund der echten "Zehner" festgestellt. Die Spielmacher stoßen eher aus der Tiefe nach vorn - wie Mo Dahoud in Gladbach. Oder es sind Männer aus der Angriffsreihe, die sich fallen lassen, wie Raffael, Lars Stindl oder Thorgan Hazard, die sehr flexibel unterwegs sind im Zentrum und oft auf die Flügel ausweichen. Das ist insofern gut, weil die EM zeigt, dass immer weniger Raum in der Mitte ist und daher das Flügelspiel ein Revival erlebt. Schubert hat in Gladbach zwar zwei Außen abgeschafft, gleichwohl schätzt er den Weg nach vorn über die Seiten. Darum besetzt er die Außenstürmerpositionen entweder mit offensiv denkenden Außenverteidigern (Wendt, Johnson) oder zuletzt sogar mit Außenstürmern, die auch nach hinten arbeiten müssen (Herrmann, Traoré).

Angriff Wer viel über die Flügel spielt, braucht Präsenz im Strafraum. In André Hahn hatte Schubert zuletzt einen, der das richtig gut gemacht hat mit seiner extremen Körperlichkeit. Hahn ist ebenso beweglich wie rustikal, er kann beides. Das Tiki-Taka-Spiel, das Raffael, Stindl und Hazard meisterlich aufziehen können, ist der andere Weg zum Tor - der in Frankreich aber kaum gesucht wird, nicht mal von den Erfindern dieses Prinzips, den Spaniern. Tore fallen nach eher klassischem Muster wie: Flanke, Kopfball, Tor. Ein anderes Mittel gegen massive Defensivblöcke sind Standards: Freistöße, Ecken. Da gibt es in Gladbach Nachholbedarf: In der vergangenen Saison gab es nur einen Treffer nach einer Ecke. Doch Borussia ist dank dem 1,99-Meter-Mann Jannik Vestergaard gewachsen. Das steigert die Wahrscheinlichkeit, nach Standards zu treffen.

Fazit Wenn die EM als Maßstab für die neuen Anforderungen im Fußball herhält, ist Borussia zukunftstauglich. Die Tendenzen, die beim Kontinental-Turnier offenbar werden, sind auch in Gladbach angelegt. Und sie hat sogar noch ein bisschen mehr zu bieten.

(RP)
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