Borussia Mönchengladbach Borussia - ein Konkurrent der Bayern-Jäger

Mönchengladbach · Es gibt zwei Welten in der Bundesliga: Die eine, in der es nur den FC Bayern gibt, und die andere, in der die 17 anderen Klubs spielen. Die Bayern sind im eigenen Orbit unterwegs, sportlich, wirtschaftlich und überhaupt, sie sind der Bundesliga entrückt.

Borussia gegen Bayern - der große Vergleich
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Foto: dpa, fg nic

Der Kader des Rekordmeisters (24 Titel) hat einen Transferwert von 564 Millionen Euro, nur Real Madrid (673 Millionen) und der FC Barcelona (611 Millionen) haben ein Ensemble, das mehr wert ist. Borussia Dortmund war zweimal in der Lage, den Bayern den Titel zu rauben — doch das hat der Branchenführer längst zurechtgerückt. Er hat die Muskeln spielen lassen und dem BVB seinen tollen Angriff weggekauft, erst Mario Götze und nun Robert Lewandowski. 19 Punkte lagen in der vergangenen Saison zwischen den Bayern und den Westfalen. Das ist mehr als eine Welt.

Einige Jahre durfte als echter Konkurrent der Bayern definieren. Man war auf Augenhöhe. Doch damit ist es vorbei, nicht nur wegen des schlechten Saisonstarts der Dortmunder. Die Bayern sind die Bayern — nur sie selbst können sich im Wege stehen auf dem Weg zum 25. Meistertitel. Der BVB ist vom Konkurrenten wieder zum Bayern-Jäger zurückgestuft worden.

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Womit wir bei den Borussen aus Mönchengladbach wären. Die waren früher mal Bayern-Konkurrent, stürzten dann ab, sind aber dabei, zu denen aufzuschließen, die sich als Bayern-Jäger definieren: Neben dem BVB sind das dem Selbstverständnis nach (nicht der aktuellen Tabelle entsprechend) Bayer Leverkusen und der FC Schalke 04.

Geschwindigkeits- Ballbesitz-Tiki-Taka

"Passt auf Mönchengladbach auf", sagte Bayerns Trainer Pep Guardiola zuletzt. Der Spanier ist ein brillanter Analytiker. Er sieht, was passiert im Borussia-Park, und er weiß, welchen Effekt nachhaltige Arbeit haben kann. Zudem haben er und Borussias Trainer Lucien Favre eine ähnliche Idee vom Spiel, wobei jeder es auf die Bedürfnisse des Klubs übersetzt hat: Guardiola setzt auf totale Dominanz, Favre nun mehr auf Geschwindigkeits- Ballbesitz-Tiki-Taka. Beide haben die Ur-Idee ihres Schaffens gemein: den Fußball des FC Barcelona.

Beide, Guardiola wie Favre, wissen jedoch, dass nachhaltiger Aufbau ein langwieriger Prozess ist und kein Selbstläufer. Nachhaltig bedeutet, auch geduldig zu sein und Rückschläge einzukalkulieren. Je weniger es diese gibt, desto mehr geht es nach oben. Borussia hat viele Schritte übersprungen, als sie nach der Relegationsrettung Vierter wurde — nun hat sie sich in der oberen Tabellenhälfte stabilisiert, dreimal in Folge gab es einen einstelligen Tabellenplatz. Der nächste Schritt: ein Stammgast zu sein im ersten Drittel, ab Platz sechs aufwärts.

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Foto: Imago

Guardiola, so scheint es, wähnt Borussia bereit dafür, vom Jäger der Bayern-Jäger zum ernsthaften Dauer-Konkurrenten der Bayern- Jäger zu werden.

Alle drei — Dortmund, Leverkusen und Schalke — sind regelmäßige Teilnehmer der Champions League. Das haben sie Gladbach voraus und haben daher weit mehr finanzielles Potenzial: Dortmunds Kader ist laut Transfermarkt.de 344,5 Millionen Euro wert, der Schalker 208 Millionen, der von Leverkusen 176 Millionen. Borussias gesammelter Marktwert beläuft sich immerhin auf 119 Millionen Euro, das ist in der nationalen Geld-Rangliste Platz sieben, weil Wolfsburg (174 Millionen) und 1899 Hoffenheim (122 Millionen) vor ihr stehen. Doch Sportdirektor Max Eberl und Trainer Lucien Favre haben es geschafft, ein Team aufzubauen, das zwar weniger kostet, aber gleichwertig ist mit denen der wirtschaftlich Größeren — und derzeit besser platziert ist als das Trio. In dieser Saison ist es eine Nagelprobe für die Gladbacher: Sie spielen in der Europa League, wie vor zwei Jahren. Damals war der Kader in der Breite noch nicht so weit, um erneut die Qualifikation für den internationalen Wettbewerb zu schaffen, es wurde am Ende Rang acht. In dieser Saison, so scheint es, kann mehr gelingen. "Für Borussia geht es darum, in der Europa League so weit wie möglich zu kommen und am Saisonende wieder einen Europacup- Platz zu belegen. Das schafft die Mannschaft auch", sagte jüngst der Ur-Borusse Jupp Heynckes.

Eberl und Favre haben das Team nicht nur in der Breite verstärkt, sondern auch qualitativ breiter aufgestellt. Es gibt sozusagen eine doppelte Borussia, die auf allen Positionen weitgehend gleichwertig besetzt ist. Zudem hat Favre einige vielseitige Spieler, die er nach Bedarf hin- und herschieben kann. Trotz großer Rotation gibt es keinen eklatanten Qualitätsverlust. Im Pokal in Runde zwei, in der Gruppenphase der Europa League dabei, Dritter in der Liga und wettbewerbsübergreifend noch unbesiegt — das spricht dafür, dass die Borussen die Mehrfachbelastung können.

Personelle Konstanz

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Entscheidend für die Stabilität ist, dass es seit Jahren personelle Konstanz und einen roten Faden gibt. Sportdirektor Max Eberl ist seit 2008 im Amt, Trainer Lucien Favre seit Februar 2011. Eberl hat eine Grundidee für Borussia vorgegeben. Mit Michael Frontzeck hat er angefangen, ein Team aufzubauen, nach Frontzecks Scheitern hat er in Lucien Favre den Trainer gefunden, der auf dieser Basis eine Mannschaft geformt hat, die ein klares Gesicht zeigt.

Ein wesentlicher Aspekt ist, dass die Borussen aus der eigenen Geschichte gelernt haben. In den Jahren zuvor waren die Ansätze von Großmannssucht brutal gescheitert. Nun ist die Fohlen-Philosophie der Leitbegriff: Es wird mit vielen jungen Talenten gearbeitet, Spielern aus der eigenen Akademie (Herrmann, Jantschke, Korb etc.) und eingekauften (Hahn, Xhaka, Dominguez, Nordtveit, Kruse, Kramer etc.). Sie alle sind hungrig und haben Entwicklungspotenzial — das passt zum Klub, denn so war es auch in den großen 70ern. Dazu kommen gestandene Profis, die das Korsett bilden (u. a. Stranzl, Raffael).

Eberl und Favre haben das Erfolgsrezept der guten alten Zeit in die Gegenwart übersetzt, um eine schöne Zukunft einzuleiten. Statt wie zuvor zu versuchen, sich mit großen Namen einen Namen zu machen, hat sich Borussia aus sich selbst heraus erneuert. Das ist modern und effektiv. Jupp Heynckes, der die Bayern zum Triple-Gewinner machte, lobte die Entwicklung am Niederrhein. "Borussia ist auf einem sehr guten Weg", sagte er. Er mahnte aber auch, sich mit dem Erreichten nicht zufriedenzugeben. "Borussia muss in den nächsten Jahren immer noch einen Schritt weitergehen", fordert Heynckes. Wer Eberl und Favre kennt, weiß, dass sie offiziell auf Understatement machen, intern aber ganz sicher eine Entwicklungskurve planen, die stetig weiter nach oben geht.

Ein Quantensprung wäre für Borussia die Qualifikation für die Champions League. Das würde ganz andere finanzielle Möglichkeiten eröffnen angesichts der größeren Verdienstchancen. Dafür indes, sagte Heynckes, brauche es Topspieler. Derzeit machen die Gladbacher ihre Stars weitgehend selbst, sie holen Spieler wie Hahn oder Kruse, die auf dem Sprung sind, und entwickeln sie weiter. Der nächste Schritt wäre, fertige Topleute im besten Fußballeralter zu holen, die das Team dann auf die nächste Stufe führen können. Doch die kosten viel Geld. Noch muss Eberl vor allem geschickt einkaufen, aufgrund der wachsenden Wirtschaftskraft allerdings auf einem immer höheren Niveau. Eberl und Favre haben Borussia zudem soweit salonfähig gemacht, dass sich Spieler wie Hahn, der auch Offerten aus Dortmund und Leverkusen hatte, für Gladbach entscheiden. Das ist ein Beleg dafür, dass in Gladbach gut gearbeitet wird.

"Vielleicht ist Borussia dann auch irgendwann mal wieder ein Rivale, den die Bayern ernst nehmen müssen", sagte Heynckes. Die Bayern indes sind noch Lichtjahre entfernt. Sie sind einer der besten Klubs der Welt. Borussia ist aber dabei, wieder im Kreis der besten Klubs der Bundesliga heimisch zu werden. Sie hat das Zeug dazu, das glaubt nicht nur Pep Guardiola. Und das an sich ist eine außerordentlich gute Nachricht. Wenn die Borussen nun die Bayern herausfordern, dann traut man ihr zu, für eine Überraschung zu sorgen. Viele Jahre war das eine Utopie. Die Zeiten sind aber vorbei. An einem sehr guten Tag kann Borussia im direkten Vergleich ein ernstzunehmender Konkurrent für die Bayern sein, auch wenn zwei Welten aufeinandertreffen.

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