Borussia Mönchengladbach Dahoud vs. Kramer: Kopf-Spieler trifft Instinktfußballer

Mönchengladbach · Samstag trifft Christoph Kramer mit Leverkusen auf Borussia und seinen Erben im dortigen Mittelfeld, Mo Dahoud. Ein Vergleich.

Borussia Mönchengladbach: Mo Dahoud vs. Christoph Kramer
Foto: Dirk Päffgen / dpa

Nun ist 2015 auch schon fast wieder vorbei. Und damit das Jahr, in dem Christoph Kramer eine Art Neustart vollziehen wollte und nach Meinung vieler Beobachter letztlich auch vollzogen hat. Nachdem der Medien-Hype um ihn, den "Wie aus dem Nichts"-Weltmeister, im Herbst 2014 ein zunehmend kritisches, ja irgendwann nur noch ein genervtes Echo provoziert hatte, sollte im Jahr darauf wieder alles etwas ruhiger, etwas unaufgeregter zugehen. Diese guten Vorsätze jedenfalls tat Kramer kund, als er Mitte Januar in Borussias Teamhotel im Trainingslager im türkischen Belek bei einem Medientermin zurück- und vorausblickte.

Zu diesem Zeitpunkt war seine Zukunft auf Vereinsebene längst geklärt, seine Rückkehr zu Bayer 04 nach zwei Jahren in Gladbach fix. Also stellte sich für viele die Frage nach seinem Nachfolger im Borussen-Dress. Kramer selbst hatte dabei einen konkreten Namen im Sinn: Mo Dahoud. Und in der Tat wurde der Deutsch-Syrer ja der Mann, der Kramers Erbe bei Borussia angetreten hat. Am kommenden Samstag (18.30 Uhr) treffen beide Profis, so sie verletzungsfrei bleiben, mit ihren Mennschaften in der Leverkusener BayArena aufeinander.

Es ist ein Duell, das nicht zuletzt das Schlaglicht darauf wirft, was Kramer und Dahoud in ihrer Spielweise verbindet und wo und wie sie dann doch in unterschiedlicher Weise Borussias Spiel geprägt haben bzw. prägen.

"Ein überragender Spieler, wirklich überragend. Und das sage ich nicht zu vielen. Aber er ist so jung, da muss man aufpassen, dass man langsam vorgeht. Er ist unheimlich ehrgeizig, er will unheimlich viel. Er wird es schaffen, und dann hat Gladbach einen richtig guten Spieler", hatte Kramer damals in Belek über Dahoud gesagt. Diese Prophezeiung — die Kramer im Übrigen natürlich mit Borussias Verantwortlichen gemein hatte — trat nun früher als erwartet ein. Denn seit Mitte September ist Dahoud nicht mehr aus der Zentrale des Gladbacher Spiels wegzudenken. Wer Kramer und Dahoud und ihr Wirken auf dem Platz vergleicht, muss dabei zu dem Schluss kommen: Mit Kramer ordnete ein Kopf-Spieler Lucien Favres Zentrale, mit Dahoud spielt nun ein Bauch-Spieler in André Schuberts Mittelfeld.

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Beide haben vor allem eines gemeinsam: Sie laufen Räume zu, in die der Gegner gefährlich reinstoßen könnte. Sie beherrschen also eine der zentralen Fähigkeiten, die der heutige Spitzenfußball von der Defensivarbeit eines Mittelfeldspielers verlangt. Doch wo Kramer Räume schloss, weil er handlungsschnell erkannte, dass sie geschlossen werden mussten, schließt Dahoud sie instinktiv. Ohne groß nachzudenken, ohne in Sekundenbruchteilen "Wenn, dann…"-Szenarien aus dem Training umzusetzen, einfach aus dem Gefühl heraus. Beide gewährleisten so auf ihre Weise eine Stabilität im mittleren Spieldrittel, die für ein Team mit Europacup-Ambitionen unerlässlich ist.

Doch so zentral die hervorstechende Qualität bei Kramer und Dahoud auch ist, nicht minder bedeutsam sind bei näherem Hingucken die Unterschiede im Einfluss auf das Spiel ihres Teams. In Kramer, dem 1,91-Meter-Schlaks, hat Borussia zweifelsohne Kopfballstärke im Zentrum eingebüßt, auch wenn Granit Xhaka in diesem Bereich zugelegt hat. Ohnehin war bei Xhaka/Kramer die Rollenverteilung klar: Der Schweizer war der Achter, der deutsche Nationalspieler der Sechser versetzt dahinter. Im Laufe der zwei Jahre als Borusse lernte Kramer das Vorstoßen in die offensiven Räume zwar immer mehr, aber Balleroberung und Laufstärke blieben und sind immer noch seine großen Qualitäten — nicht Torgefahr oder der tödliche Pass.

Dahoud ist kein Sechser, er ist genauso ein Achter wie Xhaka. Mit 1,76 Metern Größe ist er kein Kopfballspezialist, aber er antizipiert dafür Passwege unheimlich gut. Dahoud ist, das sieht Kramer bestimmt genauso, der weitaus bessere Fußballer von beiden. Und genau das kommt Borussias Spiel nun zugute. Während Kramer die einfachen, sicheren Kurzpässe bevorzugt, sucht Dahoud auch immer mal wieder den öffnenden Pass in die Tiefe — wie zuletzt vor Traorés Tor gegen Hannover, wie vor Johnsons erstem Treffer in Sinsheim. Dahouds Technik macht ihn zum perfekten One-Touch-Football-Partner für Raffel, Stindl und Co. Und wenn er selbst noch an seinem Torschuss herumkrittelt, sucht er oft genug den Abschluss und kommt schon auf zwei Treffer.

"Nach vorne geht immer etwas, da weiß ich auch manchmal gar nicht, woher die Kraft noch kommt. Nach hinten ist es schon ein bisschen schwer. Aber man muss halt in beide Richtungen konzentriert arbeiten", sagte Dahoud neulich in seinem ersten Interview, das er unserer Redaktion gab.

Dass Dahoud bei aller Qualität mit 19 Jahren zuweilen noch die Konstanz abgeht, kalkuliert man bei Borussia naturgemäß ein. Schließlich gab man auch Kramer (24) Zeit und Vertrauen, das dieser dadurch rechtfertigte, dass er das, was sich der Verein bei seiner Verpflichtung erhofft hatte, weit übertraf. Für Borussia ist Dahoud ein zentraler Baustein der nahen Zukunft — neben Xhaka, aber im Hinterkopf natürlich auch für die Zeit nach Xhaka. Dann hätte Gladbach mit Dahoud immer noch einen, dann gereiften, Strategen im Kader, dem man im Zweifelsfall eine laufstarke Absicherung zur Seite stellen könnte. Einen Typ wie Kramer vielleicht.

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