Borussia Mönchengladbach "König" Juan ist weg – aber es gibt Borussen mit Arango-Faktor
Juan Arango war Borussias Kunstschütze. Er hat einen linken Zauberfuß, der seinesgleichen sucht. Seine Tore waren fast immer spektakulär, seine Ballbehandlung und seine Pässe zum Zungeschnalzen. Er war oft der Mann für die entscheidenden Momente. Doch König Arango ist abgetreten. Ersetzen kann den coolen "Chiller" keiner der Borussen. Doch es gibt einige, die ein bisschen Arango in sich haben. Wir haben ihren Arango-Faktor untersucht.
Kunstschuss
Ibrahima Traoré hat einen feinen linken Fuß. Es ist kein ausgesprochener Zauberfuß mithin, aber doch einer, der mit dem Ball allerhand anstellen kann. Beim VfB Stuttgart durfte Traoré nicht so, wie er wollte, wenn es Freistöße gab. Bei Borussia gehört er zur Expertenriege bei den Standards, das wurde in der Vorbereitung längst deutlich. Warum, das liegt auf der Hand: Ibrahima Traoré kann definitiv den Kunstschuss.
Das sah der Borussia-Park, als er in der vergangenen Saison mit dem VfB Stuttgart, seinem Ex-Verein, da war Traoré zirkelte den Ball in einer hübschen Flugbahn aufs Gladbacher Tor – und traf die Latte. Die ganz große Zielgenauigkeit hat er sich dann für Borussia aufgehoben. Zuletzt in Enschede fand sein Freistoß-Versuch den Weg ins Tor. Traoré ist keiner, der den Ball mit Gewalt schießt, er streichelt ihn, er zirkelt, schlenzt oder zwirbelt – da kann immer mal ein Treffer von hohem ästhetischem Wert herauskommen.
Arango-Faktor: 70 Prozent
Spielkunst
Raffael ist ein typischer Südamerikaner, er spielt mit Gefühl, Herz und Intuition. Er kann ein Spiel lesen und erahnen, wohin ein Ball gespielt werden muss, um einer Abwehr richtig weh zu tun und den eigenen Mitspieler bestmöglich in Position zu bringen. Raffael kann den so genannten tödlichen Pass spielen, der eine Defensive binnen Sekunden in ihre Einzelteile zerlegt. Das hat er in der Bundesliga reichlich oft nachgewiesen, und auch im Vorlauf dieser Saisonvorbereitung gab es Zuspiele von Borussias Inspirator, die den Betrachter regelrecht entzückten.
Das eine oder andere Tor entsprang seinen Ideen, die Adressaten bedankten sich nachher artig. „Es war ein Traumpass von Raffa“, sagte beispielsweise Oscar Wendt. Raffael macht all das nicht mit links, aber sein rechter Fuß kann durchaus zauberhafte Dinge tun. Gerade wurde er erstmals zum Torschützen des Monats gekürt von den Borussen-Fans – für ein Tor, das auf „Raffa“- Art fiel: schön herausgespielt, geschmeidig, elegant und millimetergenau abgeschlossen. Raffael beherrscht das Spiel nach allen Regeln der Kunst.
Arango-Faktor: 80 Prozent
Der Schussgewaltige
Nordtveit ist ein Muster an Konstanz: Seine bislang vier Tore für Borussia in der Bundesliga verteilte der Norweger schön gleichmäßig auf seine bislang vier Spielzeiten im Fohlendress. Dass er in seiner fünften Saison einen persönlichen Rekord von dann mindestens zwei Treffern aufstellen könnte, scheint keine gewagte Prognose. Schließlich besitzt der 24-Jährige eine Qualität, die für einen zentralen Mittelfeldspieler als die wohl brauchbarste Waffe zum Torerfolg gilt: Schusskraft.
Und „Howie“ ist auch am ehesten der Mann auf seiner Sechser-Position, der im Vertrauen auf die Power im eigenen Bein den Mut hat, aus der Distanz draufzuhalten. Wie viel Dampf dahinter stecken kann, zeigte nicht zuletzt sein Freistoßtreffer in Freiburg. Wenn die ruhenden Bälle zentral, 30 Meter vor des Gegners Tor stattfinden, ist Nordtveit in jedem Fall erste Wahl. Und die Gegenspieler in der Mauer wissen nur allzu gut, was ihnen gleich entgegenfliegt. Arango-Faktor: 70 Prozent
Passspiel
Xhaka liebt den Umgang mit dem Ball. Deswegen liebt er auch seine Position in der Zentrale. Dort ist er ständig im Spiel, dort holt er sich die Bälle aus der Innenverteidigung, dort ist er oberster Ballverteiler in Richtung Offensive. Im geduldigen Ballbesitzfußball von Lucien Fravre mit kurzen Pässen in den eigenen Reihen ist der Schweizer jedoch auch derjenige, der mal aus dem gewohnten Muster ausbricht und einen langen Diagonalschlag wagt, um das Spiel zu verlagern oder schnell umzuschalten. Ganz so, wie es Juan Arango des Öfteren vollführte.
Xhaka besitzt die technischen Fähigkeiten und das Auge, um solche öffnenden Pässe zu schlagen. In der neuen Saison, so sagt der WM-Teilnehmer, sei es sein Ziel, in jedem Spiel 90 Minuten lang konzentriert zu agieren. Das würde für Borussias Spiel ein "Noch-Mehr" an Passsicherheit bedeuten, denn gerade bei Xhaka ist sinkende Genauigkeit oft ein Zeichen nachlassender Konzentration.
Arango-Faktor: 60 Prozent
Der Spektakuläre
Wendt ist allein schon positionsbedingt keine Tormaschine. Als Linksverteidiger versteht sich das von selbst. Vier Treffer hat der Schwede bislang in seinen 53 Bundesligaspielen für Borussia erzielt. Doch wenn der Blondschopf einmal trifft, dann sind es keine simplen Tore, keine Abstauber, keine abgefälschten Bälle. Wendt liebt es eher spektakulär – wie beim 4:1 gegen Braunschweig im September vorigen Jahres, als er aus spitzem Winkel die Führung erzielte.
Oder beim 4:1 gegen Frankfurt einen Monat später, als er nach Doppelpass mit Raffael in den Strafraum eindrang und den Ball zum 2:0 ins kurze Eck drosch. Am schönsten war jedoch wohl sein Tor zum 2:0-Sieg in Stuttgart: Wendt legte sich eine Herrmann-Rückgabe zurecht und schoss volley unhaltbar ein. Nette Randnotiz zu den Toren des Linksfußes: Sie zogen stets einen Gladbacher Sieg nach sich. Wenn sich daran nichts ändert, hätte wohl niemand etwas dagegen, wenn Wendt auch mal unspektakulär trifft.
Arango-Faktor: 50 Prozent
Coolness
Branimir Hrgota ist kein großer Redner. Er sagt, was er zu sagen hat, basta. Doch was er sagt, zeigt: Der junge Kerl hat ganz viel Selbstvertrauen. Er weiß, was er kann und vertraut darauf. Darum wirkt Hrgota stets total "gechillt", wenn er von der Kabine zu seinem Auto schlendert. Hrgota, der "Eismann" aus Schweden, dessen Wurzeln in Bosnien-Herzegowina liegen. Und er ist tatsächlich verdammt cool. Vor allem dann, wenn er vor dem Tor steht. Dann geht sein Puls fast auf den Nullpunkt runter, er lässt sich durch nichts beirren, ist total fokussiert auf das Tor.
Selbst die Kollegen staunen im Training manchmal, wenn der 21-jährige Stürmer mal wieder vor dem Tor den Ball hat und ihn mit aller Seelenruhe dorthin tut, wo er hingehört: ins Netz. Noch hat Lucien Favre den Rohdiamanten, dessen Qualitäten er so sehr schätzt, nicht zu Ende geschliffen. Aber einer wie Hrgota kann der Mann für die entscheidenden Momente sein. Coolness hat noch nie geschadet, wenn es darum geht, Entscheidendes zu tun.
Arango-Faktor: 50 Prozent