Borussia Mönchengladbach Borussias turbulente Premiere

Mönchengladbach · Auch 1965 starten die Fohlen bei einer Namenscousine: Neunkirchen erlebt vor 50 Jahren die Geburtsstunde des Bundesligisten Borussia.

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Foto: Dieter Wiechmann

Für Herbert Laumen endet die Premiere mit einem zusätzlichen, ganz persönlichen Novum. "In der Schlussphase musste ich Verteidiger spielen, das hatte ich bis dahin noch nie gemacht", erinnert sich der heute 72-Jährige an den 14. August 1965. Es ist der Tag, an dem der junge Gladbacher Stürmer sein erstes Bundesligaspiel absolviert. Mehr noch: Es ist die Geburtsstunde des Fußball-Bundesligisten Borussia Mönchengladbach. Gestern vor 50 Jahren tritt sie erstmals im 1963 geschaffenen Oberhaus des deutschen Fußballs an, wie ein halbes Jahrhundert später startet sie bei einer Namenscousine; heute Dortmund, damals Neunkirchen. Und Borussias Sturm-Legende Herbert Laumen kann sich noch gut an das Gladbacher Bundesliga-Debüt erinnern. Nur dass es nun schon 50 Jahre her ist, das sei "eigentlich unglaublich".

Einen unglaublich ereignisreichen Sommer 1965 erleben die Borussen durch den Bundesliga- Aufstieg, den sie am 26. Juni durch ein 1:1 daheim gegen Wormatia Worms im letzten Spiel der Aufstiegsrunde perfekt gemacht haben. Die Spieler erhalten eilends neue Profi-Verträge, gehen dann in einen Kurzurlaub und beginnen bereits Anfang Juli wieder mit der Vorbereitung. Zunächst sieht der Spielplan vor, dass sie das Abenteuer Bundesliga mit der Partie bei 1860 München starten. "Doch dann blieben nach Herthas Zwangsabstieg die eigentlichen Absteiger Karlsruhe und Schalke doch drin, Tasmania Berlin kam hinzu, und die Liga wurde auf 18 Vereine vergrößert. Dann war unser erster Gegner plötzlich Neunkirchen", erinnert sich Laumen

Der Klub aus dem Saarland ist für die unerfahrenen Gladbacher, die mit 23,3 Jahren im Durchschnitt das jüngste Team der Liga stellen, ein weitgehend unbeschriebenes Blatt. "Wir kannten die Mannschaft kaum, nur die Angreifer Günter Kuntz und Werner Görts waren uns ein Begriff. Insgesamt war die Bundesliga für uns Neuland, wir wussten gar nicht so recht, was auf uns zukommen würde. Aber wir waren super gespannt und haben uns richtig gefreut auf das erste Spiel vor großer Kulisse", sagt Laumen. 25 000 Zuschauer sind denn auch in Neunkirchens Ellenfeld-Stadion Zeuge, wie sich beim Anstoß um 16 Uhr an jenem Samstagnachmittag Torwart Manfred Orzessek, die Defensivkräfte Albert Jansen, Berti Vogts, Heinz-Willi Raßmanns, Heinz Wittmann, Walter Wimmer sowie die Angriffsreihe mit Herbert Laumen, Günter Netzer, Bernd Rupp, Jupp Heynckes und Gerhard Elfert in den Geschichtsbüchern verewigen. Sie sind die ersten elf Bundesligaspieler Borussias.

Der erste Torschütze der Gladbacher steht 20 Minuten später fest. Neunkirchen, das gewarnt ist durch die 92 Tore der Fohlenelf in der vorigen Regionalliga-Saison, hat in der Anfangsphase nicht viel zugelassen. Der von einer Grippe geschwächte Günter Netzer ist ebenso bei den Verteidigern der Hausherren in guten Händen wie der quirlige Jupp Heynckes. Doch dann zieht Gerhard "Amigo" Elfert aus etwa 20 Metern mit dem linken Fuß ab, und Neunkirchens Torwart Willi Ertz lässt den Ball von seinem Oberarm ins Netz fliegen — Borussias erstes Bundesligator. "Es war ein Flatterball — das konnte ich damals schon — aus 16, 17 Metern, der den Torhüter überraschte", erzählte Premierenschütze Elfert Jahrzehnte später einmal im Fohlen-Echo. Zwar kassiert Borussia noch vor der Pause den Ausgleich durch Jürgen Wingert, weitere Gegentore verhindert Gladbach aber — nicht zuletzt dank Verteidiger-Talent Berti Vogts, der gleich mehrfach auf der Linie klärt. Der 18-jährige Vogts, vom VfR Büttgen zur Borussia gewechselt, und der 22-jährige Elfert, der von Arminia Hannover gekommen ist: Zwei junge Zugänge sorgen für die ersten Ausrufezeichen im Premierenspiel. Daneben stehen die beiden Routiniers des Bundesliga- Neulings im Fokus. Denn Torwart Manfred Orzessek (32) hält in der 54. Minute einen von Günter Heiden geschossenen Foulelfmeter.

Und Kapitän Albert Jansen (28), der einzig verbliebene Spieler aus der DFB-Pokalsiegermannschaft 1960, wird in der 85. Minute von Schiedsrichter Karl Riegg aus Augsburg wegen zweimaligen Handspiels vom Platz gestellt. Das erste Tor, der erste parierte Strafstoß, der erste Platzverweis — Jansens Hinausstellung ist der Abschluss eines an Premieren wahrlich nicht armen Debütspiels der Gladbacher. Und sie beschert Angreifer Laumen die ganz persönliche Verteidiger-Premiere. Er wird von Trainer Hennes Weisweiler für die letzten Spielminuten in die Abwehr beordert. "Anders ging es in der Situation nicht. Aber es ist ja gutgegangen", sagt Laumen.

Trotz der verstärkten Offensivbemühungen der Gastgeber in der zweiten Halbzeit holt Borussia ihren ersten Punkt. "Das war für uns als Neuling schon wichtig. Da haben wir direkt gesehen, dass es geht", sagt Laumen. Dass jenem 1:1 in Neunkirchen bis heute weitere 1601 Bundesligaspiele, 47 Spielzeiten in der Beletage des deutschen Fußballs mit fünf deutschen Meistertiteln, zwei Pokalsiegen und zwei Triumphen im Uefa-Cup folgen sollten, davon wagt am Premierentag niemand auch nur ansatzweise zu träumen. "Damals ging es für uns nur darum, in der Bundesliga zu bleiben. Dieses Ziel haben wir erreicht, ohne einmal wirklich in Abstiegsgefahr zu geraten. Und danach ging es stetig aufwärts", sagt Laumen. Was folgte, ist nicht nur jedem Gladbach-Fan bekannt. Nun sind es bereits 50 Jahre seit Beginn dieser Erfolgsgeschichte.

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