Borussia Mönchengladbach Die Liga mit zweierlei Maß für Transparenz

Mönchengladbach · Borussia muss sich jeden Euro erst einmal verdienen und ihre Bilanz alljährlich offenlegen. Leverkusen sind dagegen vorab schon mal 25,2 Millionen Euro pro Jahr vom Bayer-Konzern garantiert. Und um eine Offenlegung der Zahlen kommt der Werksklub herum.

Finanzen Borussia Mönchengladbach: Umsatzentwicklung seit 2005
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Borussias Finanzzahlen seit 2005

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Foto: Dirk Päffgen/Dirk Paeffgen (dirk)

Jedes Jahr im Frühjahr ist es soweit. Dann lässt Borussia die Hosen runter. Also, nicht wörtlich und nicht etwa die Spieler, aber der Verein als Wirtschaftsunternehmen lässt dann tief blicken, und zwar in die Geschäftstätigkeit des vorangegangenen Jahres. Ausgaben, Einnahmen, Erträge, Aufwand, Gehälter, Transfersummen, alles, was übers Jahr für die Öffentlichkeit Spekulationsobjekt bleibt, wird dann publik. Und wenn, wie in diesem Jahr, mal wieder ein Rekord-Umsatz (von knapp 160 Millionen Euro) und ein Rekord-Gewinn (von knapp 21 Millionen Euro) vermeldet werden kann, dann gehen die Verantwortlichen der Borussia 1900 GmbH diesem Akt der Transparenz auf der Mitgliederversammlung natürlich mit ganz besonders viel Freude nach.

Für den Klub selbst, das Umfeld, die Fans und anderweitig Interessierte bietet der Jahresabschluss die jährlich wiederkehrende Möglichkeit zu gucken, wo man denn so steht, mit den eigenen Zahlen im Vergleich zur Branchenkonkurrenz. Und alljährlich muss der Vergleich auf die Bundesliga im Gesamtbild unsauber ausfallen, weil es eben Vereine im Reigen der 18 gibt, die sich vor einer Offenlegung der Zahlen drücken. Drücken dürfen. Von Gesetzes wegen. Vereine wie der heutige Gegner Bayer Leverkusen, über den der Normalsterbliche nur Geschäftszahlen erfährt, wenn sie ungewollt nach außen dringen oder von Verantwortlichen aus freien Stücken kommuniziert werden. Doch warum ist das eigentlich so?

Das Gros der Bundesligisten bzw. die Profifußballabteilung des jeweiligen Vereins firmiert entweder noch immer als eingetragener Verein (e.V.), als ausgegliederte GmbH (wie Borussia) oder als Aktiengesellschaft (AG, wie der FC Bayern und Borussia Dortmund). Der Gesetzgeber sieht für alle drei Formen eine Veröffentlichung der Geschäftstätigkeit vor. Auch der TSV Bayer 04 Leverkusen gliederte 1999 seine Profifußballabteilung in die "Bayer 04 Leverkusen Fußball GmbH" aus.

Doch diese GmbH darf der Transparenz entsagen, weil sie als hundertprozentige Tochtergesellschaft der Bayer AG existiert und so von einem entsprechenden Passus im Handelsgesetzbuch Gebrauch machen kann, der sie davon befreit, eine Jahresbilanz auszuweisen. Vielmehr geht die Geschäftstätigkeit der GmbH im riesigen Zahlen-Wust der Bilanz des globalen Mutterkonzerns auf. Was in Bezug auf die Werkself bekannt ist, ist die Zuweisung von jährlich 25,2 Millionen Euro, mit der die AG die Fußball-Tochter unterstützt. Der jährliche Betrag konnte zuletzt über einen Zeitraum mehrerer Jahre auch schon mal flexibel verteilt werden.

Natürlich ist das viel Geld, Geld, das garantiert fließt, während Klubs wie Borussia sich diese Summe erst einmal erwirtschaften müssten. Aus Sicht der Bayer AG rechnen sich diese 25,2 Millionen Euro aber auf jeden Fall, denn allein der Werbewert der Leverkusener Fußballer wird auf rund 80 Millionen pro Jahr geschätzt. Weiterhin ist die Bayer Fußball GmbH vertraglich verpflichtet, ihren gesamten Gewinn an die AG bzw. an eine für diese Zwecke zuständige andere Tochtergesellschaft abzuführen.

Über die gleicht der Mutterkonzern am Ende indes auch einen etwaigen Verlust der Fußballer aus. Als "Eigentümer und Partner", bezeichnete Bayer-04-Geschäftsführer Michael Schade, zuvor Leiter der Konzern-Kommunikation, dann auch die AG mal im Jahr 2014. Doch während das Dasein als Tochter eines Weltkonzerns naturgemäß finanzielle Vorteile schafft, die von der Konkurrenz seit jeher kritisch gesehen werden, muss man an dieser Stelle zumindest auch festhalten, dass dieser Weltkonzern die Akquise weiterer Sponsorengelder durchaus erschwert, weil eben die omnipräsente Bayer AG den Werberaum Bayer 04 nicht ad hoc für jedes andere Unternehmen interessant macht.

Da ist ein Verein wie Borussia letztlich sogar im Vorteil, weil er sich nur zu fragen braucht, ob ein spezieller Sponsor zum Image und zum Anspruch des Vereins passt. Kurioserweise hat das stärkere Aufkommen des VfL Wolfsburg in den vergangenen Jahren dafür gesorgt, dass Bayer 04 weniger daran gelegen sein müsste, in der Öffentlichkeit gegen den Vorwurf des Vorteils als Werksklub anzugehen, sondern viel stärker Wert darauf zu legen, dass Werksklub heute eben nicht mehr gleich Werksklub ist, wenn VW dem VfL schon 2011 von der "Süddeutschen Zeitung" geschätzte 100 Millionen Zuwendungen zukommen ließ (der VfL dementierte diese Zahl damals übrigens).

Fakt bleibt in jedem Fall: Weder Bayer 04 noch der VfL Wolfsburg brauchen alljährlich im Frühjahr die Hosen runter lassen, was ihre Zahlen angeht. Und wo Hosen oben bleiben, bleiben Spekulationen am Leben. Und wo Spekulationen sprießen, ist man vor allem von einem weit entfernt: von Transparenz.

(klü)
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