Borussia Mönchengladbach In Gladbach funktioniert Europa League — in Leverkusen nicht

Mönchengladbach · Für Leverkusens Publikum, jedenfalls einen großen Teil, muss es schon die Champions League sein. Borussias Fans hingegen genießen auch schon das internationale Flair eine "Klasse" darunter.

Borussia Mönchengladbach begrüßt den Uefa-Pokal und Jupp Heynckes
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Für Leverkusens Publikum, jedenfalls einen großen Teil, muss es schon die Champions League sein.
Borussias Fans hingegen genießen auch schon das internationale Flair eine "Klasse" darunter.

Nein, es gibt sie letztlich einfach nicht, diese eine Europa League. Das muss man mit Blick auf die deutschen Vertreter der vergangenen Jahre zwangsläufig konstatieren, wenn man sich denn anguckt, wie der seit 2009 unter diesem Namen ausgetragene ehemalige Uefa- Cup an den jeweiligen Standorten angenommen wurde und wird.

Die Frage, ob die Europa League für einen Verein funktioniert, hängt dabei von zwei zentralen, sich gegenseitig beeinflussenden Faktoren ab: zum einen von der öffentlich vorgetragenen Haltung, mit der ein Klub der Teilnahme am kleinen Bruder der Europa League entgegenblickt, zum anderen von der Wertschätzung, die die jeweilige Fangemeinde dem Wettbewerb entgegenbringt. Wie es aussehen kann, wenn sich beide Faktoren förderlich auswirken, lässt sich am Beispiel Borussias verdeutlichen.

Was dagegen am Ende herauskommt, wenn die beiden genannten Punkte negativ gefärbt sind, zeigt die jüngere Europapokal-Historie vom heutigen Gegner Bayer Leverkusen. "Operettenpublikum" — mit diesem Vorwurf sehen sich die Zuschauer in der BayArena seit nunmehr vielen Jahren konfrontiert. Und es waren vor allem die Europa- League-Spiele seit 2010, die dem Vorwurf neue Nahrung verliehen.

Fans von Borussia Mönchengladbach mit imposanter Choreographie
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Foto: Dirk Päffgen

Denn, das bleibt unter den Strich einfach stehen, wenn man sich die Zuschauerzahlen der Leverkusener Heimspiele in den entsprechenden Europacup-Spielzeiten 2010/11 und 2012/13 anguckt: Europa League funktioniert nicht in Leverkusen. In fünf Partien in der BayArena ab Beginn der Gruppenphase 2010/11 kamen im Schnitt 17.152 Fans ins Stadion.

Das entsprach einer Auslastung der Arena von knapp 58 Prozent, und damit stand der Werksklub auf Rang 29 der zugehörigen Zuschauertabelle. Dabei traf man in der Gruppe damals immerhin auf Titelverteidiger Atletico Madrid und im Achtelfinale auf den FC Villarreal.

Zwei Jahre später bot sich ein ähnliches Bild: In den vier Heimspielen der Europa-League-Gruppenphase 2012/13 kamen im Schnitt 17.547 Fans. Das mangelnde Interesse der Leverkusener Zuschauer fußt dabei maßgeblich auf den zwei genannten Gründen. Erstens ist die Anhängerschaft eben nachhaltig verwöhnt von den Champions-League-Auftritten rund um die Jahrtausendwende, als es 2002 ja sogar bis ins Finale von Glasgow ging. Und jenseits der Königsklasse existiert für viele potenzielle Leverkusener Ticket- Käufer eben einfach kein Anreiz.

Zweitens wird die Geringschätzung der Europa League durch die Protagonisten des Klubs befeuert, indem sie den Wettbewerb seit Jahren als graues "Mindestziel" titulieren, in Abgrenzung zum strahlenden "Wunschziel" Champions League. In erster Linie ist also eine Europa- League-Saison für Leverkusen, so die Wahrnehmung, eine Spielzeit ohne die ungleich attraktiveren Einnahmen der Champions League. Die Europa League wirkt unter dem Bayer-Kreuz eher wie ein Fluch der guten Tat denn als Lohn für einen fünften oder sechsten Platz.

Borussia bildet dazu das komplette Gegenteil. Die Europa League funktioniert in Mönchengladbach vorzüglich. Weil Verein und Fans sie bei den bisherigen zwei Teilnahmen 2012/13 und 2014/15 als Belohnung annahmen, als Erlebnis, als Europapokal im eigentlichen Sinne, und eben nicht als Europapokal zweiter Klasse. 2012/13 kam Borussia auf einen Zuschauerschnitt von 44.431 in den vier Heimspielen ab der Gruppenphase der Europa League. Das entsprach einer Auslastung des Borussia-Parks von 96 Prozent. Nur drei Vereine zogen damals mehr Fans an.

2014/15 war es ähnlich. Der Schnitt lag diesmal bei 41.978 Fans, was Rang fünf in der Zuschauer- Tabelle des Wettbewerbs bedeutete und maßgeblich dazu beitrug, das Einnahmeverhältnis zwischen Europa League und Champions League, das im Schnitt bei 1:5 liegt, in Gladbach auf 1:3 zu reduzieren. Borussias generell reisefreudige Anhänger genießen nach jahrelanger Abstinenz de facto erst einmal das internationale Flair eines Europacup- Abends mit ihren Helden. Wie der Wettbewerb dann heißt, ist erst einmal zweitrangig. Und die Vereinsführung ist realistisch und clever genug, die Europa League nach wie vor als erstrebenswertes Ziel auszugeben. So wäre es auch am Ende dieser Saison.

Beides — Haltung der Anhänger und Haltung des Vereins — ergänzen sich in Gladbach also zu einem stimmigen Gesamtbild eines Vorzeige-Vertreters in einem Wettbewerb, in dem die Uefa vor Jahren die Pressesprecher der teilnehmenden Vereine schon mal bat, bei den offiziellen Terminen Wert und Bedeutung der Europa League noch mal explizit zu betonen.

Im Fall Borussia ist dies nicht nötig, im Gegenteil, mit Bildern aus Gladbach könnte die Uefa alleine einen Imagefilm bestücken. Nicht umsonst fiel in der vergangenen Saison der offizielle Startschuss der Europa League beim Gruppenspiel zwischen Borussia und Villarreal. Die Frage für die Borussen wird sein, wie lange und wie nachhaltig die Europa League so gut am Standort funktioniert.

Dass sie es tut, muss das Ziel sein. Ob sie es tut, wird sich vor allem zeigen, falls Borussia in Zukunft auch immer mal wieder Champions League spielen sollte und so Ansprüche und Erwartungen fast zwangsläufig wachsen. Das etwas überstrapazierte Gladbacher Mantra "Wir dürfen nicht vergessen, wo wir herkommen", wird an dieser Stelle jedenfalls nicht ewig als Argumentation zur Mäßigung helfen.

Das Beispiel Leverkusen taugt am Niederrhein jedenfalls durchaus — natürlich vor dem Hintergrund der gänzlich anderen Konstellation aus Historie, Fan-Potenzial und Binnenstruktur des Vereins — zum warnenden Beispiel dafür, wie trist und unattraktiv die Europa League wirken kann, wenn sie nicht funktioniert. Nicht funktionieren kann.

(klü)
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