Borussia Mönchengladbach "Nimm die Hand runter, du Vogel"

Mönchengladbach · Christoph Kramer ist nicht nur auf dem Feld extrem passsicher – auch als Reporter gibt er ideale Vorlagen. Nachdem er schon Kolumnist für unsere Redaktion war, hat er nun sein erstes Interview gemacht – und wie. Max Kruse fragt er zu Stil, Diätprogramme und merkwürdige Eissorten.

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Christoph Kramer ist nicht nur auf dem Feld extrem passsicher — auch als Reporter gibt er ideale Vorlagen. Nachdem er schon Kolumnist für unsere Redaktion war, hat er nun sein erstes Interview gemacht — und wie. Max Kruse fragt er zu Stil, Diätprogramme und merkwürdige Eissorten.

Christoph Kramer Mal so als Einstiegsfrage, lieber Max: Wie würdest du deinen Klamottenstil bezeichnen?

Max Kruse (lacht) Das war so klar. Ich würde sagen — ich habe in den letzten Jahren dazugelernt. Der Style ist zwar extravagant, aber trotzdem stylisch. So wie ich im echten Leben auch bin. Immer mal für eine Überraschung gut. Rotes T-Shirt, rote Schuhe zum Beispiel.

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Kramer Ja, das gefällt mir sehr gut.

Letztens hieß es noch, Sie würden sich in Kruses Klamotten nicht auf die Straße trauen.

Kramer Das stimmt. Aber ich habe danach gesagt: Wenn es einer tragen kann, dann er.

Kruse Das ist wirklich nett von dir. Da war wahrscheinlich kaum Ironie drin, in der Aussage. Man muss hinter seinem Style stehen. Das ist wie beim Auto: Manche mögen es, manche nicht. Aber am Ende muss ich mich darin wohlfühlen. Daher ist mir egal, was andere sagen.

Kramer Ich muss zugeben — du hast dir in Sydney ein neongelbes Schlangen-T-Shirt mit neongelben Schuhen gekauft. Da musste ich echt schlucken, als ich das Ding im Laden gesehen habe. Als ich das Ding abends in...

Kruse...einer Diskothek unseres Vertrauens...

Kramer ...kombiniert gesehen habe, musste ich sagen: Das hat nicht nur mich in dem Club vom Hocker gehauen. Das war großes Kino. Da habe ich mich auch für mein Gelächter am Vormittag entschuldigt.

Drehen wir den Spieß mal um. Herr Kruse, was halten Sie von Kramers Stil?

Kruse Christoph kommt glaube ich mehr über die inneren Werte. Er ist modisch noch nicht so weit wie ich, aber das kommt mit der Zeit. Da sind farblich ein paar Aussetzer drin. Aber mit 22 ist er ja fast noch ein Küken. Er kann froh sein, dass er mit mir unterwegs ist, da kann ich ihn etwas unterstützen.

Kramer Muss ich eigentlich auch sportliche Fragen stellen?

Das wäre sinnvoll.

Kramer (wartet lange)

Kruse War klar. Da fällt dir nichts ein.

Kramer Wie lief denn so dein rasantes Jahr 2013?

Kruse Rasant ist tatsächlich das richtige Wort. Irgendwie ging alles ziemlich schnell und steil bergauf. Was machst du da?

Kramer Ich halte dir ein Mikrofon hin.

Kruse Du hältst mir deine Faust hin, du Vogel. Nimm das Ding runter. Also, das war echt ein krasses Jahr. Aber ich glaube, dass ich die Qualität habe, auf diesem Niveau weiterzuspielen. Aber wirklich viel Zeit, das alles zu realisieren, hatte ich bislang noch nicht. Das ging alles Schlag auf Schlag. Ich kann sagen: Da hat ein Rad in das andere gegriffen.

Kramer Ein Rad in das andere? Das Sprichwort kenne ich auch noch nicht.

Kruse Was bist du denn für ein Journalist? Das ist ja ein Treppenwitz.

Kramer Ist ja gut. Was hast du dir für 2014 vorgenommen? Privat? Sportlich?

Kruse Privat möchte ich viel Zeit mit meinem Sohn verbringen. Und ja, ich bin aktuell Single. Aber das ändert sich ja vielleicht wieder. Denn wenn ich ehrlich bin: Eigentlich bin ich schon ein Familienmensch.

Kramer Und sportlich?

Kruse Zuerst einmal kommt das Bayern-Spiel, da freue ich mich wahnsinnig drauf. Das ist direkt mal eine Standortbestimmung.

Kramer Wir haben uns schon beim Hinspiel in München gut verkauft und sind jetzt gut vorbereitet. Es ist wieder ein Freitagabendspiel, es wird öffentlich übertragen, alle schauen darauf.

Kruse Zurück zur Frage: Insgesamt würde ich mich freuen, wenn wir mit Borussia Dritter bleiben könnten. Wenn wir das schaffen würden, glaube ich, dass es dann auch für mich sportlich nicht so schlecht gelaufen sein kann und ich mir vielleicht sogar Hoffnungen auf einen Platz im Kader der Nationalmannschaft machen kann. Brasilien wäre der große Traum.

Kramer Bei dem Stichwort — wie läuft es denn so mit deiner Diät?

Kruse Gut, danke. Danke, dass du das jetzt erwähnst.

Diät?

Kruse Ich versuche seit Saisonstart — im Hinblick auf mein großes Ziel im kommenden Sommer — noch etwas mehr für meinen Körper zu machen. Abends wenig Kohlenhydrate essen, nur Wasser trinken. Klar, zwischendurch muss auch mal eine Cola sein. Aber insgesamt schaffe ich das ganz gut. Das geht natürlich alles nicht von heute auf morgen. Aber ich denke, das wird sich irgendwann auszahlen.

Kramer Nur im Urlaub klappt das nicht so. Die Pizzen waren zwei Meter groß.

Kruse Urlaub ist die schönste Zeit des Jahres. Aber so leicht ist das tatsächlich nicht — ich bin ein Mensch, der gerne viel isst. Und auch gerne mal ungesund. Aber in dem Moment muss man sich halt überlegen, was einem wichtiger ist: Und da kam ich zu dem Schluss, dass man durchaus mal ein halbes Jahr verzichten kann, um etwas Großes zu erreichen. Was ist denn mit Dir? Machst du dir noch Hoffnungen auf die WM-Teilnahme?

Kramer Ich bin da eher Realist.

Kruse Wieso eher? Bin ich keiner?

Kramer Doch doch. Aber ich bin zufrieden, so wie es ist. Es ehrt mich, wenn Sportjournalisten oder Experten mich als Khedira-Ersatz bezeichnen, das lese ich ab und zu. Aber das ist natürlich totaler Quatsch. Ich denke, dass ich die WM wohl nicht als Spieler erleben werde — daher bin ich zufrieden mit meiner Situation.

Kruse Stimmt. Angesichts deiner Möglichkeiten hast du schon ziemlich viel aus dir gemacht.

Die Hierarchie bei Ihnen beiden scheint deutlich geklärt...

Kramer Da greift das Gesetz des Älteren. Wenn es darum geht, wer Aufräumen oder Klamotten wegbringen muss, war ich meistens der Doofe... allerdings hat er sich da gebessert.

Kruse Du warst halt Neuling im Sommer.

Kramer Stimmt. Du warst ja schon so lange im Verein. Aber mit seiner ganzen Erfahrung ist er halt so was wie eine Vaterfigur für mich. Er ist so weise. Und wenn er in seine sentimentale Phase kommt und ernst redet...

Kruse ... dann?

Kramer Dann kann man die Worte Max Kruse und weise tatsächlich in einem Satz verwenden.

Zuletzt hat er Sie noch als Stinkstiefel bezeichnet.

Kruse Das bin ich ja gar nicht. Wenn man mit mir alleine ist, dann ist alles problemlos. Generell bin ich recht schwer aus der Ruhe zu bringen.

Kramer Ich kenne ihn auch nur so. Aber ich höre immer, dass er in der Öffentlichkeit so eine Diva ist. Keine Lust auf Interviews und so.

Kruse Im Vordergrund muss doch stehen, dass ich mich auf meinen Job als Fußballer konzentrieren kann. Ich möchte nicht jede Woche mit irgendwelchen Zitaten in irgendwelchen Zeitungen stehen, das kann auf Dauer auch nicht gut für mich sein.

Kramer Auf Max prasselt ja mehr ein als auf mich. Aber ich hätte kein Problem damit, mich jeden Tag eine halbe Stunde hinzusetzen und Fragen zu beantworten. Das macht ja auch irgendwie Spaß.

Kruse Noch. Wir reden in ein paar Jahren noch mal. Du tust jetzt so naiv, bist aber für deine 22 Jahre auch schon ein ausgefuchster Hund. Du weißt doch genau, was du sagst, bist ziemlich offen und direkt.

Das merkt man in Interviews.

Kramer Wieso? Was sage ich denn Schlimmes?

Kruse Mich als Stinkstiefel zu bezeichnen ist doch ein gefundenes Fressen für den Boulevard.

Kramer Ach komm. Da ist auch ein bisschen Spaß dabei.

Kruse Er wird noch lernen, sich gemäßigter auszudrücken. Er ist halt noch nicht so lange dabei in der Bundesliga. Das habe ich auch schon alles erlebt, dass man Dinge raushaut, ohne drüber nachzudenken. Auf dem Zimmer kann man sich halt andere Sachen sagen, als in der Öffentlichkeit.

Kramer Wir können auch viel Mist erzählen. Aber: Das ist dann intelligenter Mist.

Kruse Wir haben den gleichen Humor. Und können uns in Sachen so reinsteigern, dass wir minutenlang lachen können. Manche Leute denken: Das sind Fußballer, die können wir verarschen. Aber das klappt nicht.

Kramer Das sind die typischen Vorurteile. Aber damit lernt man umzugehen. Man muss die Welt um einen herum mit Humor nehmen. Ich nehme durchaus vieles ernst. Aber ein Erfolgsrezept als Sportler muss sein, dir die Lockerheit zu bewahren.

Kruse Stimmt. Ich bin ja so einer, der überhaupt nicht über Dinge nachdenkt wie "Was wäre jetzt, wenn ich fünf Spiele kein Tor mache?

Kramer Dafür ist das Leben zu schade.

Kruse Es gibt wirklich schlimmere Dinge im Leben, als ein Fußballspiel zu verlieren. Klar ist das scheiße. Aber ich erlebe regelmäßig selbst, dass es Wichtigeres gibt.

Kramer Wenn wir mal ehrlich sind, das sind doch Luxusprobleme. Wenn jemand, der einen ganz normalen Job hätte, sich hauptsächlich darüber Gedanken machen müsste, ob er am Wochenende das Tor trifft, hätte er ein recht sorgenfreies Leben. Wir wissen, dass wir privilegiert sind und wissen das auch zu schätzen. Aber wir genießen auch unsere Zeit.

Kruse Das müssen wir. Der Fußball ist ja überhaupt nicht planbar. Wir wissen doch beide nicht, ob wir in zwei Jahren beim gleichen Verein spielen. Wir haben es nicht selber in der Hand. Könntest du dir denn vorstellen, länger in Mönchengladbach zu bleiben?

Kramer Natürlich! Ich sagte ja schon mal: Ich muss nicht nach Leverkusen zurück, um glücklich zu sein. Aber wir haben noch so viel Zeit vor uns, noch so viel Entwicklungspotenzial.

Kruse Wir müssen beide noch dazulernen, haben beide unsere Fehler. Wenn es nicht so wäre, würden wir wahrscheinlich nicht hier spielen, sondern in Barcelona.

Kramer Was sind denn deine Fehler?

Kruse Ich meckere viel auf dem Platz. Das ist meine Art. Ich will auch im Training jedes Spiel gewinnen, da bin ich einfach zu ehrgeizig. Wenn mir was nicht passt, kann ich das nicht verstecken, dann muss das raus. Aber: Was im Training passiert, bleibt im Training. Ich habe auch Chris so einige Male angeschrien. Nach dem Training bin ich wieder entspannt. Aber man muss unter Kollegen mal aneinandergeraten können, ohne dass das Auswirkungen auf das Privatleben hat. Das ist ebenfalls wie im normalen Job. Einige kommen mit der Art nicht klar, die können dann aber zu mir kommen und mit mir drüber reden.

Kramer Nächste Frage: Du stehst an der Eisdiele. Dort gibt es zwei Sorten. Engelblau und Waldmeister. Welche Sorte nimmst du?

Kruse Gar keine. Da würde ich auf das Eis glatt verzichten.

Kramer Camouflage oder Schwarzmetallic?

Kruse Blöde Frage? Schau dir mein Auto an.

Das sind ziemlich merkwürdige Eissorten...

Kramer Wir versuchen manchmal, Menschen anhand der Eissorten, die sie in Eisdielen nehmen würden, zu charakterisieren.

Kruse Was die Sorten genau bedeuten, wissen wir manchmal selber nicht genau.

Kramer Sie essen bestimmt gerne Stracciatella-Nuss. Nicht wirklich, eher Vanille. Oder Erdbeer.

Kruse Erdbeer. Unsere Spezialität. Damit können wir gar nichts anfangen. So, jetzt ich wieder: Wer wird Weltmeister?

Kramer Deutschland, Brasilien und Spanien sind natürlich die Favoriten. Und ich habe noch einen Geheimtipp: Belgien.

Kruse Riesen Geheimtipp. Brasilien muss man auf der Rechnung haben. Von den Einzelspielern her sind die überragend — aber ich glaube, dass Deutschland, also wir, als Team besser funktionieren. Da habe ich gerade eine Idee: Du könntest einen holländischen Pass annehmen. Vielleicht kommst du dann auch zur WM.

André Schahidi moderierte das Gespräch.

(seeg)
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