Borussia Mönchengladbach Rheinische Derbys auf höchster Ebene

Mönchengladbach · Zweimal trafen Borussia und der 1. FC Köln im Uefa-Cup aufeinander. Beide Male gewann Gladbach und kam danach ins Endspiel.

Die Gesichter des rheinischen Derbys
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Foto: Herbert Berger

Helmut Grashoff gefiel das gar nicht. Das Los bescherte Borussia im Achtelfinale des Uefa-Cup der Saison 1972/73 das Derby. Der 1. FC Köln als internationaler Gegner, mithin der erste deutsche Spielpartner der Borussen ihrer damals noch kurzen Europapokalgeschichte, nein, das war gar nicht im Sinne des Borussen-Managers.

"Mieser konnte es nicht kommen", grantelte er. Tatsächlich ist die Konstellation seltsam: Der Reiz eines Derbys ist die Nähe, der Wettstreit mit dem Nachbarn. Das Spannende an Europa ist es, sich mit Teams aus der Ferne zu messen. Spieler zu sehen, die man nicht aus der Liga kennt. Feiertag statt Alltag, das soll Europa sein. "Die Kölner kannten wir natürlich aus dem Effeff", sagt Rainer Bonhof, damals Mitglied der Fohlenelf, heute Vize-Präsident der Borussen.

Die rund 60 Kilometer, die zwischen beiden Stadien liegen, sind zu wenig, um das Gefühl von etwas Besonderem zu erzeugen. Genau genommen ist ein Derby eher die Karikatur eines Europapokalspiels. Grashoff ging es nicht einmal um die Romantik, als er klagte. Es ging ums Geld. Denn der Europapokal war natürlich eine wichtige Einnahmequelle der Gladbacher.

Zahlen und Fakten zum Rheinischen Derby
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Foto: Andreas Bretz

"Für den Verein war es wichtig, diese Einnahmen zu haben. Wenn wir nicht im Europapokal spielten, gab es immer internationale Freundschaftsspiele", erinnert sich Bonhof. Und Köln war im Europa-Kontext weit weniger werbewirksam als Mailand, Madrid oder Liverpool. Zumal: Binnen zwei Wochen standen Ende 1972 nun drei Treffen mit dem Rivalen aus der Domstadt an: im Hin- und Rückspiel des Uefa-Cup und zwischendrin in der Bundesliga. Grashoff ahnte, dass dies Zuschauer kosten könnte.

Er behielt recht: Zum zweiten Uefa-Cup-Spiel kamen bei Nieselregen nur 15.000 Menschen zum Bökelberg. Man stelle sich das heute vor: Das Stadion war gegen die hassgeliebten Kölner nur halb voll — trotz ermäßigter Preise. Die, die nicht kamen, verpassten jedoch ein Fußballfest mit dem höchsten Derbysieg aller Zeiten. 5:0 gewann Borussia. Damit zogen die Borussen nach dem 0:0 im ersten Derby-Vergleich auf höchster Ebene deutlich ins Viertelfinale ein. Noch einmal, 1974/75, kamen beide international zusammen. Diesmal war es das Halbfinale.

Beide Spielzeiten sind angesichts dieser Konstellation auch die mit der höchsten Derby-Dichte. Denn kurioserweise gab es neben den Bundesliga-Duellen und den nachbarschaftlichen Europaspielen in beiden Fällen auch noch ein Treffen im DFB-Pokal. Die internationale Derby-Bilanz der Borussen ist bestens: Vier Spiele gab es, drei wurden gewonnen, keins verloren, 8:1 Tore.

Zudem: "Wir sind in beiden Jahren ins Uefa-Cup-Finale eingezogen", sagt Bonhof, der bei allen vier Köln- Spielen im Uefa-Cup dabei war. "1973 haben wir an dem Ding geschnuppert, aber der FC Liverpool war zu stark", sagt Bonhof. Das 0:3 an der Anfield Road war uneinholbar, das 2:0 im Rückspiel zu wenig. Kein Meister war Borussia in dem Jahr, drei Niederlagen im Endspurt der Saison, darunter ein 1:3 in Köln am vorletzten Spieltag, beendeten auch die Hoffnung, sich über die Bundesliga für den Uefa-Cup zu qualifizieren. Und nun war Gladbach auch Verlierer im Europapokal- Endspiel.

Die Rekord-Trainer im rheinischen Derby
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Rheinisches Derby: die Rekord-Trainer

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Foto: Horstmüller

Glücklicherweise für die Borussen gab es noch das fünfte Spiel gegen die Kölner. Es war das Pokalfinale: Netzers Selbsteinwechslung, Bonhofs Vorlage, Netzers verunglückter Schuss, der in den Winkel flog, "die Dramaturgie war unglaublich", sagt Bonhof über die Hitzeschlacht im Düsseldorfer Rheinstadion, die Borussia den Titel und die Teilnahme am Pokalsieger- Wettbewerb brachte. "1975 war es im Uefa-Cup dann eine Sache des Willens. Wir wollten den Pott unbedingt — da mussten wir eben an Köln vorbei", sagt Bonhof.

Borussia tat das in atemberaubender Art und Weise: 3:1 siegte sie in der Domstadt und konterte dabei so gut, dass selbst Kölns Trainer Zlatko "Tschik" Cajkovski von "einer wunderbaren Leistung" sprach. Dieses Derby war sozusagen der Vorgucker für das spätere Final-Rückspiel bei Twente Enschede. Auch dort, beim 5:1, stand Borussia hinten sicher und spielte schnell und elegant nach vorn.

Kurioserweise waren es ausgerechnet die Kölner, die wohl dazu beigetragen haben, dass Weisweilers Mannschaft 1975 den Höhepunkt ihrer Schaffenskraft erreichte. Und zwar, weil sie Borussia besiegten. Es war in der zweiten Runde des DFB-Pokals, auf dem Bökelberg. Gladbach führte 3:1 und verlor 3:5. "Diese fünf Gegentore haben uns zu einer Veränderung veranlasst. Wir sind seitdem in der Abwehr konsequenter und vorsichtiger geworden", gestand Weisweiler später.

Rheinisches Derby: die Rekord-Spieler
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Rheinisches Derby: die Rekord-Spieler

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Foto: dpa, ck jai

Ob auch ein anderer Gegner eine derartige Wirkung hätte erzeugen können beim knorrigen Meistertrainer — es ist anzuzweifeln. Doch das Derby war ihm, dem Kölner, der zudem Dozent an der Sporthochschule war, heilig. Er konnte Niederlagen gegen den FC nicht ertragen. Weisweiler reagierte richtig auf die Pleite im Pokal. Das 3:1 im Uefa-Cup wird als taktische Meisterleistung Weisweilers definiert — und es war die Grundlage für die zweite Uefa- Cup-Final-Teilnahme innerhalb drei Jahren und den ersten internationalen Titel der Klubgeschichte. Drei Derbys waren Meilensteine auf dem Weg dorthin. Auch in der Liga siegte Borussia in Köln, dieser Erfolg war ein Baustein ihrer dritten Meisterschaft.

Drei Jahre später stritten sich die rheinischen Rivalen dann um den nationalen Titel. Vor dem letzten Spieltag waren die Kölner um ein paar Tore besser. Es kam quasi zum Endspiel — in Form eines Fernduells. Köln spielte beim FC St. Pauli, die Gladbacher "daheim" (in Düsseldorf, weil der Bökelberg ausgebaut wurde) gegen Dortmund. Gladbach gewann 12:0, es ist bis heute der höchste Sieg der Bundesliga. Doch Kölns 5:0 in Hamburg reichte dem Team, das damals von Hennes Weisweiler trainiert wurde, das Fern-Derby gleichsam mit drei Toren Unterschied zu gewinnen und Meister zu werden.

Dabei half wohl ein taktischer Kniff jenseits des Rasens: "Köln hat, glaube ich, 10.000 Karten für das Spiel bestellt, aber es sind nur 5000 hingefahren. Wegen der großen Bestellung wurde das Spiel aber ins Volksparkstadion verlegt — und da hat St. Pauli nie gut ausgesehen", erzählt Rainer Bonhof. Bonhof hat Derbys auf allen Ebenen mitgemacht (später sogar auf der anderen Seite, als Kölner). In der Liga, im Pokal und im Europapokal. Das Derby-"Jeföhl" jedoch bleibt stets das gleiche. "Es ist egal, in welchem Wettbewerb man sich trifft, das Derby bleibt ein Derby, und es funktioniert immer nach eigenen Gesetzen", sagt Bonhof.

Allerdings, merkt er an, "war es im Europapokal etwas schade, dass uns das Los zusammengebracht hat, weil dann von zwei deutschen Teams nur eines weiterkommen konnte". Das gilt besonders für 1975: Wäre das Halbfinal- Los anders ausgefallen, hätte es bei günstigstem Verlauf der Dinge ein Derby auf der denkbar höchsten Ebene gegeben: in einem europäischen Endspiel. Man darf vermuten, dass Helmut Grashoff damit kein Problem gehabt hätte.

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