Trainer-Vergleich Roger Schmidt setzt alles auf Pressing

Mönchengladbach · Das rheinische Duell zwischen Borussia und Bayer ist auch ein Kräftemessen der beiden Trainer. Beide haben einen klaren Plan, beide mögen es offensiv, beide sind außergewöhnliche Typen. Das zeichnet den Leverkusener Trainer Roger Schmidt aus.

Roger Schmidt: Ein Porträt in Bildern
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Das ist Roger Schmidt

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Foto: AFP/PATRICIA DE MELO MOREIRA

SPIELIDEE Die grundlegende Idee des Trainers Roger Schmidt für den Auftritt seiner Mannschaft lautet: Pressing, Pressing, Pressing! Das hatte er schon mit RedBull Salzburg erfolgreich praktiziert und für diesen attraktiven Stil europaweit Beachtung gefunden — vor allem, nachdem er Pep Guardiolas Bayern mal mit diesem Ansatz in einem Testspiel 3:0 besiegt hatte. Nach seinem Wechsel zu Bayer 04 verordnete er auch der Werkself dieses extrem laufintensive System des frühen und gemeinschaftlichen Attackierens, bei dem die komplette Mannschaft sehr hoch steht. Doch zur Hälfte der Saison blieb der anfängliche Effekt irgendwann aus, und Schmidt sah ein, dass er seinen Plan zuweilen auch mal modifizieren muss. Und so lässt er sein Team nun auch mal situativ abwartender agieren und mit seinen schnellen Leuten auf Konter spielen. Die befruchtende Kombination beider Ansätze weist Leverkusen als drittbestes Rückrundenteam aus.

TYP So richtig wissen viele, die mit ihm zu tun haben, noch nicht abschließend, was für einen Charakter sie vor sich haben. Der 48-Jährige ist begeisterungsfähig und kann begeistern, was die Arbeit mit seiner Mannschaft angeht. Er kann offen für sein Gegenüber sein, einnehmend lächeln und besitzt eine sanfte, meist freundliche Stimme. Doch das ist, so ist von Wegbegleitern des Werksklubs eben genauso zu hören, nur die eine Seite dieses Trainers. Vor allem, wenn gegnerische Trainer oder Journalisten sich kritisch ihm und seinem Stil in Leverkusen zuwenden, reagiert der Sauerländer Schmidt oft dünnhäutig, in seinen Repliken zuweilen herablassend, teils arrogant. Die Souveränität geht ihm in diesen Situationen ab, seine Verbissenheit bricht sich dann Bahn. Es ist eine Verbissenheit, die auch seine Profis ab und an auf eine Geduldsprobe stellt, denn die Trainingseinheiten sind zahlreich und lange, und in der Teamführung favorisiert Schmidt auch schon mal die eher kurze Leine.

DRESSCODE Die halblangen Haare trägt Schmidt stets akkurat nach hinten gekämmt, an der Seitenlinie bevorzugt er einen Kleidungsstil, der in der Wirkung dasselbe signalisiert wie der Auftritt seines Teams: Hier arbeitet einer, der hip und jung geblieben ist und deswegen eben auch davon überzeugt ist, hip und modern spielen zu lassen. Meist — und vor allem, wenn es das Wetter zulässt — trägt er ein Sakko über einem ausgeschnittenen, eng anliegenden T-Shirt mit V-Ausschnitt.

KULTFAKTOR Die Leverkusener Anhänger mögen Schmidt, weil ihnen ganz einfach die offensive, mutige Art und Weise gefällt, wie er seine Mannschaft auftreten lässt. Fans, denen man immer eine technisch starke Mannschaft vorgesetzt hatte, die aber zuweilen ihre Probleme mit dem traditionell propagierten Understatement ihres Klubs haben, genießen eine Werkself, die dem Gegner aggressiv und mutig zusetzt. Diesen Imagewechsel verdanken sie Schmidt. Aber davon, dass Schmidt eine Art Kultfaktor genießt, kann keine Rede sein. Nicht wie etwa Vorgänger Sami Hyypiä, der Kult-Profififi , der Trainer wurde. Nicht wie etwa Vorgänger Sascha Lewandowski, der die Anhänger als geradliniger Arbeiter aus dem Nachwuchsbereich überzeugte. Dabei ist zumindest Schmidts Werdegang durchaus besonders: Er machte eine Lehre zum Werkzeugmechaniker, studierte Maschinenbau und arbeitete acht Jahre lang als Ingenieur.

BEDEUTUNG Bayer 04 braucht einen erfolgreichen Roger Schmidt, und Roger Schmidt braucht ein erfolgreiches Bayer 04. Die Verantwortlichen stehen nach zu vielen Trainern in den vergangenen Jahren in der Pflflfl icht, endlich einmal Kontinuität auf der Bank zu gewährleisten. Und Schmidt ist sich bewusst, was für ein Schaufenster für noch größere Aufgaben eine erfolgreiche Arbeit im Werksklub für ihn darstellt.

CL-FAKTOR Die Champions- League-Teilnahme mit Bayer 04 in dieser Saison war — bis auf die Playoffs — noch nicht sein Werk, deswegen entspricht es Schmidts Ehrgeiz, den Eintritt in die Königsklasse diesmal selbst zu bewerkstelligen. Zumal er mit Salzburg genau daran gescheitert ist, eine Tatsache, die ihm immer mal wieder aufs Butterbrot geschmiert wird.

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