Testspiel unter Manipulationsverdacht Falsche Pfiffe — ein offenes Geheimnis in der Branche

Side/Düsseldorf · An der türkischen Riviera hat man im Winter schon seit Jahren ein Geschäftsfeld aufgebaut. Deutsche Fußballvereine werden mit günstigen Angeboten gelockt, die Klubs können sich dort bei milden Temperaturen auf die Rückrunde vorbereiten.

 Einige Entscheidungen des Schiedsrichters sorgten bei den Teams für Verwunderung.

Einige Entscheidungen des Schiedsrichters sorgten bei den Teams für Verwunderung.

Foto: dpa

Drittligist SV Wehen Wiesbaden hat für sein Trainingslager ein sogenanntes "All-Inclusive-Paket" gebucht - neben Getränken und Essen ist sogar die Organisation von Testspielen inbegriffen. Das ist verlockend, weil man sich nicht um viele organisatorische Dinge kümmern muss.

So war das auch beim Testspiel gegen die Zweitvertretung von Borussia Mönchengladbach am vergangenen Wochenende. Das Spiel war auf Einladung der Wehen-Wiesbadener und wegen des persönlichen Kontaktes von Sven Demandt und Arie van Lent zustande gekommen. Demandt, jetzt in Wiesbaden engagiert, war als Trainer Vorgänger von van Lent bei Borussia II. Ein unbedeutendes Spiel. Am Ende setzte sich Wiesbaden 3:1 durch. Das Ergebnis resultierte aus einem Elfmeter, den der türkische Schiedsrichter Ali Can Soudal gab. Dieser wurde durch das lokale Reiseunternehmen "Bluebird" vermittelt und ist offiziell beim türkischen Verband registriert. Beide Klubs zeigten sich schon kurz nach Spielende verwundert über Entscheidungen. Es war die Rede von einem "Elfmeter-Geschenk" und einem "Witz". Die Empörung hielt sich indes ob des sportlichen Werts in Grenzen.

Am Tag danach hat indes "Sportradar" Alarm geschlagen. Das Schweizer Unternehmen registrierte, dass auf dem asiatischen Wettmarkt enorm hohe Beträge auf eine bestimmte Toranzahl für das Testspiel gesetzt wurden. Die Firma, die für den Deutschen Fußball-Bund (DFB) und die Deutsche Fußball Liga (DFL) international Wettbewegungen beobachtet, will zum aktuellen Fall nichts sagen. Man beruft sich auf eine Verschwiegenheitsklausel den Verbänden gegenüber. DFL und DFB wiederum wollen erst den offiziellen Bericht der Agentur abwarten. Ohnehin fällt der Vorfall eigentlich gar nicht in die Zuständigkeit von DFB und DFL. Da Wehen-Wiesbaden und Borussia Mönchengladbach II bislang nicht im Verdacht stehen, an der Manipulation direkt beteiligt gewesen zu sein, fällt es in die Zuständigkeit des Weltverbands Fifa.

Seit Jahren ist es ein offenes Geheimnis in der Branche, dass es besonders bei Testspielen im Rahmen von Trainingslagern in der Türkei oft falsche Pfiffe im Auftrag der Wettmafia gibt - und auch in diesem Jahr sollen neben dem aktuellen Spiel noch weitere Begegnungen von Teams aus anderen Ländern betroffen sein.

Testspiele, die Borussia selbst plant, organisiert die Agentur "Match IQ", die auch für andere Bundesligisten das Trainingslager organisiert und die Teams vor Ort im Rundumservice betreut. Borussia meldet über die Agentur ein Spiel beim türkischen Fußballverband an, der schickt dann einen Schiedsrichter. Im vergangenen Jahr war es auch noch möglich, dass deutsche Schiedsrichter Testspiele in der Türkei pfeifen. Das geht nach einer Regeländerung nicht mehr.

Welche Mannschaft bekommt den nächsten Einwurf oder Ecke? Nichtigkeiten, die im Spielfluss untergehen, Kriminelle versuchen dadurch, im großen Stil abzukassieren. Für ein paar hundert Euro kann man beim Schiedsrichter eine "Bestellung" abgeben. Der versucht dann mit den absurdesten Entscheidungen alle Wünsche zu erfüllen. Weil aber nicht alles funktioniert, werden eine Reihe von Wetten bei Anbietern im Internet platziert.

Das Risiko, aufzufliegen, ist sehr gering. Mögliche Folgen halten sich im überschaubaren Rahmen. In Deutschland gibt es eine eingeschränkte Möglichkeit der juristischen Aufklärung - erst in diesem Jahr wird der Tatbestand "Spielmanipulation" eingeführt, der eine Strafrechtslücke schließen soll.

(RP)
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