Borussia Mönchengladbach Lucien Favre: "Laut sein ist nicht meine Art"

Mönchengladbach · Beim fünften Logentalk der Postbank und Rheinischen Post offenbarte Borussias Trainer interessante Ansichten über seinen Job.

Können Sie alle Spieler der glorreichen brasilianischen Fußball-Nationalmannschaft, die 1970 den Weltmeister-Titel holte, einzeln aufzählen? Mit Position? Nein? Lucien Favre kann. Der Trainer der Borussia kennt sie alle, inklusive Stärken, Schwächen und der Position. Und das war nur ein ganz kleiner Teil von des Schweizers unglaublichem Fußball-Wissen, den er beim Logentalk mit Postbank und der Rheinischen Post preisgab.

Fast anderthalb Stunden stellte sich Favre den Fragen von Moderator Karsten Kellermann, den 30 RP-Lesern im Publikum sowie den Fans, die den Talk im Postbank-Livestream verfolgten. Und dabei offenbarte der 56-Jährige durchaus interessante Ansichten seines Jobs. Vor allem: Wie sehr sich dieser in den Jahren verändert habe. "1954 liefen Spieler vier Kilometer pro Spiel. Heute zwölf. Pelé war der erste athletische Spieler im Weltfußball", sagte er. "Das hat 1970 den Unterschied gemacht."

Selbst war Favre eher zierlicher Natur. Doch auf dem Platz spielte er nach eigenem Bekunden so ziemlich jede denkbare Position. "In meinem ersten Spiel musste ich auf der rechten Seite verteidigen", sagte er. "Als Linksfuß. Das war nicht optimal. Später spielte ich im zentralen Mittelfeld, am Ende meiner Karriere als Innenverteidiger. Die Liebe zum Ball verlor er jedoch nie. "Wenn ich einen Ball sehe, muss ich dagegen treten", sagte er. "Das ist einfach so. Manchmal bin ich 30 Minuten nach dem Training noch alleine auf dem Platz."

Es gab weitere interessante Einblicke. Dass der heutige Disziplinfanatiker diese selbst mühsam erlernen musste, zum Beispiel. "Bis 20 war ich schrecklich", gab Favre zu. "Dann habe ich mich entschieden, Profi zu sein." Aus diesem Grund weiß Favre wohl auch, dass die harte Hand nichts bringt. "Du musst die Spieler leben lassen", sagt er. "Aber man darf es nicht übertreiben: Wenn du eine Nacht nicht schläfst, merkst du das die ganze Woche." Deshalb gab es an seinem Geburtstag auf der Rückfahrt aus Hamburg auch nur "Wasser und Schlaf", sagte der Coach. "Aber manchmal würde ich gerne mit meinen Spielern feiern."

Auf die Frage nach seiner Fußball-Philosophie reagierte der Schweizer zunächst zurückhaltend. Als Kellermann ihm anbot, es aufzumalen, lachte Favre und sagte, "ich bin kein Lehrer" — um kurz darauf doch an die Tafel zu gehen. Fußball bestehe für Favre aus mehreren Aspekten. Aus Geduld. Tempoverlagerung. Kontersituationen. Und Standards. "Jede Situation für sich ist wichtig", betonte der Coach. "Und deshalb arbeiten wir auch an jeder." Akribische Arbeit — so versteht sich Lucien Favre. "Ich gehe in der Halbzeit nicht hin und sage ,Wir müssen mehr Zweikämpfe gewinnen.' Das kann jeder. Das ist nicht meine Art. Ich war bis jetzt noch nie laut."

Mit Erfolg. Man merkt dem Schweizer an, dass er seinen Job bei Borussia gerne macht. "Als Schweizer diesen Verein trainieren zu dürfen, das ist schon toll", sagte Favre. Alle Anwesenden hofften sofort, dass das noch eine Weile so bleibt.

Die Highlights des Talks mit Lucien Favre

Der Talk mit Lucien Favre in voller Länge

(RP)
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