Borussia Mönchengladbach "Gemach, gemach!"

Leverkusen · Dieter Hecking hat mit Borussia in zwei Auswärtsspielen viermal so viele Punkte geholt wie André Schubert in sieben. Trotzdem tritt der Trainer bei aller Begeisterung über den besonderen 3:2-Sieg bei Bayer Leverkusen auf die Euphoriebremse.

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Schiedsrichter Deniz Aytekin ließ Gnade walten: Raffael hatte sich das Trikot über den Kopf gezogen, war beim Sprung auf den Zaun des Gästeblocks nicht ganz so erfolgreich gewesen, dafür aber sein Kollege Lars Stindl. Doch Gelb sah keiner der beiden — als wollte Aytekin dem Moment seine Makellosigkeit lassen. Wie selten Gladbacher Auswärtssiege in der Bundesliga sind, dürfte sich in den vergangenen Monaten deutschlandweit herumgesprochen haben. Als Aytekin nach 93 Minuten abpfiff und ein 2:3 auf den Videowänden in der BayArena stand, war Borussias erster Auswärtserfolg seit acht Monaten und 14 Tagen perfekt.

"Die Mannschaft soll das Gefühl mitnehmen, ein Spiel in einer Art und Weise gedreht zu haben, die nicht selbstverständlich ist", sagte der Mann, der den Satz "Also ich bin auswärts noch ungeschlagen" nun etwas weniger augenzwinkernd aussprechen kann. Dieter Hecking hat mit Gladbach vier Punkte aus zwei Spielen geholt — einen in Darmstadt, drei in Leverkusen — und muss immer noch eine Woche auf seinen ersten Heimauftritt im Borussia-Park warten. Dann wird der SC Freiburg zu Gast sein.

119,8 Kilometer hatten Heckings Spieler am Ende zurückgelegt. Das ist selbst dann noch Saison-Bestwert, wenn man die Strecke abzieht, die sie auf dem Weg in die Kurve zum Jubeln gelaufen sind. "Sie haben sich am Ende belohnt für einen Auftritt, der in der zweiten Halbzeit noch besser war als in der ersten. Ich glaube, dass wir verdient gewonnen haben. Das nehmen wir gerne mit."

Dabei war der Zwei-Tore-Rückstand samt seines Zustandekommens so typisch gewesen. Das schwächste Auswärtsteam der Liga, das die meisten Kopfballtore kassiert und in der zweiten Halbzeit chronisch schwach ist, hatte auswärts zwei Kopfballtore in der ersten Halbzeit kassiert. Und dann schoss dieses Team innerhalb von 19 Minuten so viele Auswärtstore wie zuvor in 772 Minuten, eines davon per Kopf, das allererste in dieser Saison. "Wir haben heute wieder ein Stück weit den Fußball gezeigt, für den wir stehen wollen", sagte Kapitän Lars Stindl.

In den vergangenen Wochen war die Brust nach dem Kopf der Teil des Körpers, über den besonders viel gesprochen wurde. Breiter sollte die Brust werden, der "Brustlöser" wurde gesucht. Nach dem 3:2 durch Raffael schlug der sich immer wieder auf die linke Brust, wo die Raute mit dem B aufgenäht ist. Oscar Wendt tat es ihm gleich. Solche Bilder hatte es lange nicht mehr zu sehen gegeben, geschweige denn auswärts.

"Ich hoffe, die Mannschaft kann das richtig einordnen. Bis Dienstag dürfen Sie sich feiern lassen, dann müssen wir sehen, dass wir gegen Freiburg nachlegen", sagte Hecking. Der jubelte genauso ausgelassen wie seine Spieler, trat aber in gesundem Maße auf die Euphoriebremse. Der 52-Jährige wollte dennoch nicht abstreiten: "So ein Sieg ist in der Zusammenarbeit zwischen einem neuem Trainer und einer Mannschaft goldwert." Ein 3:2 nach 0:2-Pausenrückstand ist eben immer noch eine bessere Teambuilding-Maßnahme als jede Rafting-Tour und jeder Ausflug in den Kletterwald. Das Lob seiner Spieler kommentierte Hecking nüchtern: "Die wollen nur zwei freie Tage haben. Bekommen sie aber nicht." Für Sonntagvormittag war die nächste Trainingseinheit angesetzt.

In der Tabelle bewirkte der Erfolg, dass der zehnte Platz zwar nur noch zwei Punkte entfernt ist, der Vorsprung auf den Relegationsplatz aber weiterhin auch nur fünf Punkte beträgt. Also wählte Hecking den Mittelweg. "Natürlich sind wir sehr begeistert von unserem Auftritt", sagte er, schloss aber mit den Worten: "Gemach, gemach!"

(jaso)
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