Borussia Mönchengladbach "Joselu ist nicht der Mann, den wir suchen"

Mönchengladbach · Borussias Sportdirektor Max Eberl spricht über den neuen Torwart Yann Sommer, die Pläne für die Offensive, die "Sechser" und realistische Ziele.

 Interview, Teil 1: Borussias Sportdirektor spricht heute über die Situation bei Borussia. Morgen geht es im zweiten Teil des Gesprächs um die WM.

Interview, Teil 1: Borussias Sportdirektor spricht heute über die Situation bei Borussia. Morgen geht es im zweiten Teil des Gesprächs um die WM.

Foto: RPO, Dieter Wiechmann

Herr Eberl, Sie kennen Marc-André ter Stegen seit vielen Jahren. Was ist es für ein Gefühl, dass er nun einen Marktwert von 80 Millionen Euro hat?

Eberl Man kennt es ja aus Spanien, dass dort die Ablösesummen relativ skurrile Höhen annehmen. Es ist natürlich Stolz da, auch wenn es schmerzt, einen solchen Spieler zu verlieren. Dass er jetzt mit den größten Spielern der Welt zusammenspielt, ist eine Auszeichnung für unseren Verein. Wir wären nicht froh, wenn er weiterverkauft wird, aber es würde dann eine recht große Beteiligung für uns geben, wenn es so kommen würde.

Sie haben einen Teil des zweistelligen Millionenbetrages, den der FC Barcelona für ter Stegen bezahlt, schon in einen neuen Torwart re-investiert. Wird es ein langer Schatten sein, in dem Yann Sommer, der vom FC Basel kommt, stehen wird?

Eberl Ich hoffe, dass die Vergleiche nicht gezogen werden. Jeder Spieler ist er selbst, hat seine eigenen Stärken und seinen eigenen Charakter. Es gibt nie ein Duplikat. Dass Marc Gladbacher ist, dass er viel für den Klub gebracht und großes Potenzial hat, das wissen wir alle. Aber wir sollten jetzt einen Haken daran machen. Jetzt kommt ein neuer Torwart, der in seiner Karriere schon einiges erreicht hat und uns jetzt in den nächsten Jahren ein sehr, sehr guter Rückhalt sein wird. Davon sind wir überzeugt. Yann ist von allen Kandidaten, die wir im Blick hatten, der, der am besten zu uns passt.

Neben Yann Sommer haben Sie vor allem in offensive Flügelspieler investiert. Es sind andere Spielertypen als Juan Arango, der das neue Vertragsangebot nicht angenommen hat. Wird sich Borussias Spiel verändern?

Eberl Natürlich haben wir jetzt andere Spielertypen. André Hahn und Ibrahima Traore kommen vor allem über die Schnelligkeit. Im Sommer 2013 haben wir in Kreativität und auch Schnelligkeit investiert, jetzt bekommen wir noch mehr Geschwindigkeit, Laufstärke und Aggressivität dazu. Juan Arango hat mit seiner Genialität im Passspiel und seinem linken Fuß viele Spiele entschieden. Natürlich ist diese Kreativität wichtig. Die haben auch die neuen Spieler - und unsere Sechser müssen da mehr Verantwortung übernehmen. Ob sich dann das Spiel verändert, wird sich zeigen, wenn sich die einzelnen Puzzleteile zusammensetzen.

Sie haben gesagt, dass der Kader weitgehend steht und es nur noch Feinjustierungen geben wird - vor allem in der Offensive, wenn Luuk de Jong und Peniel Mlapa gehen. Ist überhaupt ein Szenario denkbar, dass de Jong bleibt?

Eberl Die Wahrscheinlichkeit ist nicht sehr groß, das muss ich ehrlich sagen. Luuk ist ja gegangen, weil er wenig Spielzeit hatte. Die Situation im Angriff hat sich seitdem nicht großartig geändert. Man kann im Fußball natürlich nie etwas ausschließen. Aber die Tendenz ist, dass wir überlegen, etwas Neues zu machen. Wir sind dabei, eine gute Lösung für alle zu finden. Wenn Peniel dann auch etwas Neues gefunden hat, ist es logisch, dass wir versuchen, im Sturm noch etwas zu tun.

Josip Drmic war ein Thema, er geht aber zu Bayer Leverkusen. Nun ist der Hoffenheimer Joselu im Gespräch. Ist das der Typ Stürmer, den Sie suchen?

Eberl Joselu ist nicht der Mann, den wir suchen, so viel kann ich sagen. Und dass es für uns keinen Sinn macht, einen echten Stoßstürmer zu suchen, liegt auf der Hand. Wir haben mit Luuk de Jong einen der besten jungen Stoßstürmer geholt, und dieser Typ hat bei uns nicht funktioniert. Für uns ist eher das Thema Schnelligkeit wichtig. Wir suchen Spieler, die in unser Kombinationsspiel passen, die Räume erkennen, in die es zu laufen gilt. Das ist eine sehr anspruchsvolle Aufgabe. Wir werden sicherlich nicht händeringend irgendetwas machen, es muss in unser System passen. Wir müssen schauen, was möglich ist.

Borussia ist auch im Nachwuchsbereich gut aufgestellt, was die Offensive angeht mit Sinan Kurt, Marlon Ritter und Marvin Schulz. Sind sie schon so weit, die Lücke zu füllen?

Eberl Bei jungen Spielern ist die Wahrscheinlichkeit, dass es nicht funktioniert, natürlich größer. Aber es gibt auch die Wahrscheinlichkeit, dass es klappt. Das hat sich bei uns immer wieder gezeigt. Dass junge Spieler bei uns eine große Rolle spielen, wird auch in Zukunft so sein. Wir werden unseren Kader nicht so aufblähen, dass wir ihnen jede Chance verbauen.

Sinan Kurt könnte jedoch wegfallen. Es selbst hat angedeutet, dass er vielleicht weg will. Der FC Bayern soll interessiert sein.

Eberl Wir haben mit Sinan Kurt noch einen Vertrag bis 2016. Wenn einer hier groß geworden ist, hat er bei uns die größte Chance, in die Bundesliga zu kommen. Wenn er die Chance nicht wahrnehmen will, ist das aus unserer Sicht unverständlich. Lucien Favre und ich haben Sinan die Perspektive aufgezeigt, die er hier hat, und aus meiner Sicht ist es eine gute Perspektive. Er könnte einen Platz im 22er-Kader bekommen - als 17-Jähriger, der noch ein Jahr A-Jugend spielen kann. Natürlich entscheidet am langen Ende die Qualität, ob einer dann in der Bundesliga spielt oder nicht - aber das ist in jedem Verein so. Für uns ist es natürlich immer schade, wenn wir ein Top-Talent ausgebildet haben und es dann verlieren.

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Sie haben eben schon über die Sechser gesprochen. Sie erwarten da mehr Kreativität. Da ist vor allem Granit Xhaka einer, der die hat. Nervt es Sie nicht, dass er öfter durchblicken lässt, dass er vielleicht gehen will? Zumal Sie gesagt haben, dass kein Sechser abgegeben werden soll.

Eberl Die Frage suggeriert, dass Granit ständig bei mir sitzt und fragt, ob er gehen kann. Das ist nicht so. Er hat einmal gesagt, dass er noch nicht weiß, was nach der WM passiert. Darüber haben alle berichtet. Darum will ich das nicht weiter kommentieren. Ich will lieber auf die Sechser im Allgemeinen eingehen. Sie sind das Herzstück unserer Mannschaft - und wir haben mit Granit, 21, Chris Kramer, 23, Havard Nordtveit, 23, und Mo Dahoud, 18, einige junge Spieler, die noch viel Potenzial nach oben haben. Dass wir da aus unserer Sicht gut aufgestellt sind, hat die Vergangenheit gezeigt. Granit ist robust, hat ein überragendes Passspiel und gewinnt die meisten Bälle in der Offensive, das ist statistisch belegt. Chris Kramer hilft uns mit seiner Laufstärke und seinem Willen. Havard Nordtveit ist sehr kontrolliert und stabil in der Zweikampfführung. Thorben Marx ist ein Routinier, der seinen Mann steht, wenn er gebraucht wird. Und Mo Dahoud ist ein strategischer Spieler und geschickt im Zweikampf. Wir haben also unterschiedliche Typen, mit denen wir in die neue Saison gehen werden.

Und daran soll sich nichts ändern? Oder gibt es eine Schmerzgrenze?

Eberl Es ist nicht geplant, einen Sechser abzugeben. Aber immer gilt: Im Fußball darf man nie nie sagen.

Der Kader der vergangenen Saison ist Sechster geworden. Wird es in der neuen Saison darum gehen, auf Platz fünf zu schauen - oder darum, den ersten Platz hinter den großen fünf zu verteidigen. Hoffenheim zum Beispiel hat sehr aufgerüstet.

Eberl Fakt ist, dass wir wie in jeder Saison, in jedem Spiel versuchen werden, das Optimale herauszuholen. Das ist uns in den vergangenen drei Jahren sehr gut gelungen. Wir haben uns jetzt drei Jahre in der Einstelligkeit etabliert - und das muss auch das Ziel für die neue Saison sein. Natürlich wollen wir immer weiter oben angreifen, dafür spielt man Fußball. Aber in der Realität ist es doch so, dass die fünf Teams, die vor uns sind, einfach Lichtjahre von uns entfernt sind. Wir versuchen unseren Weg stabil zu gehen und immer wieder kreative Lösungen zu finden. Natürlich werden Teams wie Hoffenheim, aber auch Stuttgart oder der HSV, die Potenzial besitzen, uns auf Augenhöhe begegnen. Es bringt jetzt nichts, zu sagen, dass man höher hinaus will. Das halte ich in der Bundesliga für sehr schwierig.

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Sie haben die Saison mit "sehr gut" bewertet. Es war aber mehr drin. Wären sie auch damit einverstanden zu sagen, die Saison war "gut plus"?

Eberl Es ist eine Frage der Wahrnehmung. Wir waren im Winter Dritter, das weckt Erwartungen, die dann von uns nicht zu bestätigen waren. Aber was wäre, wenn wir in der Hinrunde Achter gewesen wären, in der Rückrundentabelle Dritter und in der Summe Sechster. Dann sagen alle: fantastisch. Entscheidend ist: Wir sind Sechster, sind in den Europa-League-Play-offs, sind also in Europa dabei. Das ist das, was wir uns jahrelang gewünscht haben. Das zeigt, dass es eine sehr gute Saison war.

Die Fans gucken schon in Europa herum, wer denn nun der Play-off-Gegner sein könnte. Tun sie das auch?

Eberl Natürlich haben ich mir alle Nationen mal angeschaut und versucht, die Mannschaft aufzulisten, die da eine Rolle spielen könnten. Das sind schon ein paar große Namen dabei. Aber auch die vermeintlich Kleineren können unangenehm sein. Wir freuen uns einfach darauf, am 21. und 28. August diese Play-offs spielen zu können. Ich hoffe, wir haben dann wieder ein ausverkauftes Haus, egal gegen wen. Unser Ziel ist, in die Gruppenphase einzuziehen - und da brauchen wir natürlich den Rückhalt der Fans.

(RP)
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