Borussia Mönchengladbach Keine Chance ohne Johnson und ein Drehbuch für Kießling

Mönchengladbach · "Lieber einmal 0:5 als fünfmal 0:1" ist zumindest das Credo der Borussia-Fans nach der Klatsche von Leverkusen. Tatsächlich ging so ziemlich alles schief aus Gladbacher Sicht.

Borussia Mönchengladbach: Frust nach erster André-Schubert-Pleite
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Enttäuschte Gladbacher nach erster Schubert-Pleite

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1. Spektakel-Garantie

Der VfB Stuttgart und Werder Bremen trafen sich vor einer Woche zum tristen Duell der abgestürzten Champions-League-Teilnehmer, die in diesem Jahrtausend sogar noch deutsche Meisterschaften feiern durften. 36 und 30 Gegentore, mehr als jedes andere Team in der Liga, untermauern diese Tristesse. Dass die Borussia nach fünf Gegentoren in Leverkusen nunmehr direkt dahinter kommt, sollte ein wenig zu denken geben. Sie stellt neben der drittschlechtesten Abwehr (28 Gegentore) aber auch den drittbesten Angriff (31 Tore). Alle neutralen Beobachter dürfen sich an der Spektakel-Garantie bei Spielen mit Gladbacher Beteiligung erfreuen. Nur bei der anderen Borussia fallen mehr Tore. Den 23. Januar 2016 sollten sich alle schon mal dick im Kalender eintragen. Dann treffen beide aufeinander.

2. Sorgenkind Jantschke

Bilder von Borussias Weihnachtsfeier
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Foto: Wiechmann

Vor ein paar Jahren hätte eine Klatsche in Leverkusen noch Schulterzucken verursacht, sie schien der Normalfall zu sein, und als ob das nicht gereicht hätte, gab es 1998 noch ein 2:8 am Bökelberg. Gefühlt stammt das Duell Tony Jantschke gegen Stefan Kießling aus dieser Epoche, erst Recht mit Kießling als Sieger wie beim ersten Tor am Samstag. Noch ist es nicht an der Zeit, Jantschke zu fragen: "Where did it all go wrong?" Aber im Frühjahr hatte man noch den Eindruck, er würde in acht Jahren nach 350 Bundesligaspielen auf konstant gutem Niveau abtreten. Momentan ist Jantschke eines der wenigen Gladbacher Sorgenkinder, die diesen Status nicht inne haben, weil sie lange verletzt sind.

3. Rotation ohne Erfolg

Bewusste Rotation beschränkte sich bei André Schubert bislang auf einzelne Spieler und meistens handelte es sich um Schutzmaßnahmen. Nun brachte er Jantschke, Josip Drmic und Ibrahima Traoré für Nico Elvedi, Raffael und Fabian Johnson. Drei Neue hatte es auch im DFB-Pokal auf Schalke gegeben, damals nahm Schubert in der Pause Korrekturen vor, indem er Johnson für Drmic brachte. Diesmal stellte er doppelt um, wobei Jantschke angeschlagen raus musste. Besser machte das die Sache zumindest für zehn Minuten. Dann fiel die Borussia auseinander.

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4. Johnson wird besser, ohne zu spielen

Fabian Johnsons versteckte MVP-Qualitäten haben sich mittlerweile herumgesprochen, sodass viele bereits Böses ahnten, als er eine Stunde vor dem Anpfiff in Leverkusen nicht im Kader auftauchte. Manchester hatte seinen Tribut gezollt. Man könnte langsam eine Verschwörungstheorie verbreiten nach dem Motto: "Johnson hat beim 0:4 in Dortmund gar nicht gespielt." Denn dieses Spiel bleibt seine einzige Niederlage bei 26 Startelf-Auftritten in der Bundesliga. Im 24. Spiel ohne ihn gab es nun die elfte Niederlage. Beschränkt man die Bilanz auf die Zeit unter André Schubert, wird es noch beeindruckender:

5. Die neue Problem-Generation

An einem Problem, das sich durch diese Saison zieht, könnte auch Johnson nichts ändern. In Leverkusen kassierte die Borussia bereits ihr sechstes und siebtes Gegentor per Kopf, darunter schon wieder eins nach einer Ecke. Die Älteren erinnern sich vielleicht: In den ersten 47 Spielen mit Yann Sommer gab es kein einziges Ecken-Gegentor. Nachdem die Elfmeter-Seuche überstanden ist (seit vier Spielen keinen verursacht), streiten sich sich Kopf- und Eckbälle nun darum, wer offiziell die zweite Generation der Gladbacher Defensivprobleme repräsentieren darf.

6. Post-Bayern-Trauma

Gelb umging er zum siebten Mal in Folge, dafür sah Granit Xhaka nach dem Abpfiff verbal Rot. "Wenn man nach dem Sieg gegen Bayern denkt, so geht es weiter, ist man auf dem falschen Weg", sagte er und legte nach: "Wir haben nicht umgesetzt, was der Trainer verlangt hat. Wir haben keinen Fußball gespielt und die Bälle nur blind nach vorne geschlagen." Post-Bayern-Sieg-Arroganz dürfte nicht der Hauptgrund für die Niederlage gewesen sein, doch den letzten Teams, die den Rekordmeister in der Bundesliga ärgerten, erging es danach tatsächlich nicht gut. Vor Gladbach hatte zuletzt Eintracht Frankfurt gegen die Bayern gepunktet — anschließend gab es nur einen Punkt aus vier Spielen und zwei Derby-Niederlagen. Vor Gladbach hatte zuletzt der FC Augsburg gegen die Bayern gewonnen — anschließend gab es nur zwei Siege aus 14 Spielen.

7. Die Borussia-Studios

Falls Stefan Kießling Bayer Leverkusen verlassen sollte und in seinem sportlichen Nachruf auf den märchenhaften Abschied aus der BayArena verwiesen wird, hat sich die Borussia auf jeden Fall ein paar Credits im Abspann verdient. Da kehrt ein Vereinsidol nach fünf Ligaspielen auf der Bank in die Startelf zurück und trifft nicht nur erstmals nach mehr als 700 Minuten, sondern ist zum ersten Mal in seiner langen Karriere an vier Toren in einem Spiel beteiligt. Nach dem Abpfiff klettert er in die Kurve, setzt sich danach bei "Sky" ans Pult und lässt zwischen den Zeilen Abwanderungsgedanken durchsickern, während im Hintergrund mehr als 100 Fans, die extra ins Stadion zurückgekehrt sind, singen: "Stefan, du darfst nicht gehen!" Und das nur, weil sie in Gladbach schon immer ein Faible hatten für Filmproduktion mit Tränengarantie.

8. Schnellste Maus von Leverkusen

Dass Javier "Chicharito" Hernandez sogar drei Tore erzielte, ging dagegen beinahe unter, obwohl die Regie in der BayArena der "kleinen Erbse" bei ihrer Auswechslung noch die Melodie von "Speedy Gonzalez" auflegte. In seinem 285. Spiel als Vereinsfußballer traf "Chicharito" zum ersten Mal dreifach, wenn die gängigen Statistikportale nichts übersehen haben. Gegen Gladbach ist das zudem gar nicht so leicht. Pavel Pogrebnyak vom VfB Stuttgart war im September 2010 der letzte Dreifach-Torschütze gegen die Borussia gewesen. Immerhin ging es diesmal nicht 0:7 aus.

9. Emotionale Woche

Den Borussia-Fans schien das alles gar nicht so viel auszumachen. In den sozialen Netzwerken entwickelte sich der Slogan "Lieber einmal 0:5 als fünfmal 0:1" zu einem regelrechten Trend. In der BayArena sangen die rund 6000 Gladbacher in der Schlussphase vom "geilsten Klub der Welt", als sei eine derartige Klatsche kein Widerspruch, sondern erst der Anlass, sich dessen bewusst zu werden. Viele hatten innerhalb einer Woche einen seltenen Dreiklang erlebt: einen Heimsieg gegen den FC Bayern, einen emotionalen Europokal-Abend bei Manchester City und bei Bayer Leverkusen die höchste Niederlage seit drei Jahren.

10. Jahres-Endspurt

Zwei Aufgaben hat die Borussia noch vor der Winterpause: Sie kann gegen Werder Bremen ins Pokal-Viertelfinale einziehen und mit einem Sieg gegen den SV Darmstadt dafür sorgen, dass sie die Hinrunde besser abschließt als in der vergangenen Saison. Alles darunter wäre mindestens eine kleine Enttäuschung am Ende eines bewegten Jahres. Die 2015er-Tabelle wird Gladbach so oder so als Dritter abschließen — vor Wolfsburg, vor Leverkusen, vor Schalke.

(are/jaso)
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