Borussia Mönchengladbach Kramer setzt sich zwischen alle Stühle

Mönchengladbach · Leverkusen? Oder Gladbach? Oder ins Ausland? Wie der Weltmeister sich mit seinem Auftreten selbst schadet.

Christoph Kramer trifft gegen Borussia Dortmund aus 44 Metern in das eigene Tor
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Kramer trifft aus 44 Metern in das eigene Tor

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Ja, es gibt sie, die definitive Klarheit, wo Christoph Kramer ab 1. Juli 2015 als Profifußballer angestellt sein wird. Und nein, es gibt sie nicht. Es hängt davon ab, wen man fragt. Für Bayer Leverkusen ist alles klar: Der Werksklub nennt einen bis 2017 geltenden Vertrag mit dem Mittelfeldspieler sein eigen und plant fest mit Kramer. Auch für Borussia Mönchengladbach, morgen zu Gast in Leverkusen (15.30 Uhr/Live-Ticker), ist alles klar: Am Saisonende endet das zweijährige Leihgeschäft mit Bayer 04. Die Chance, ihn länger halten zu können, tendiert gegen null.

Nur Kramer selbst tut seit seinem unverhofften WM-Gewinn und dem Aufstieg vom zurückhaltenden Nachwuchsprofi zum medial allgegenwärtigen Hipster mit Endspiel-Amnesie alles, um zu viel Klarheit zu vermeiden. In schöner Regelmäßigkeit platziert er seinen Traum von einem Auslands-Engagement in die öffentliche Diskussion. Mit unglücklichen und wenig überlegten Äußerungen skizziert Kramer in den Augen vieler das Bild eines Jungstars, den dann wohl doch der unverhoffte Ruhm der WM nachhaltig verändert hat. So ist er auf dem besten Wege, sich in der Wahrnehmung der beteiligten Parteien zwischen alle Stühle zu setzen.

Dem Leverkusener Umfeld war bereits im Sommer sauer aufgestoßen, als Kramer kundtat, der Anschlussvertrag bei Bayer 04 bedeute nicht zwangsläufig, dass er auch dorthin zurückkehren werde. Dafür fing er sich einen Rüffel von Leverkusens Sportdirektor Rudi Völler ein.

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Foto: afp, ej

Damals freuten sich noch viele Borussen-Anhänger, weil sie es als Zeichen werteten, dass der 23-Jährige sich um einen Verbleib in Mönchengladbach bemühe. Doch irgendwann machten dann Gerüchte die Runde, neben dem SSC Neapel hätten sich auch der FC Chelsea London und sogar Real Madrid nach dem laufstarken Schlaks erkundigt. Und Kramer selbst vermittelte wiederholt den Eindruck, vor allem auf ein solches Angebot eines europäischen Top-Klubs zu warten. Erst in dieser Woche betonte er erneut: "Wenn einer mit 30 Millionen Euro kommt, dann setze ich mich mit ihm an einen Tisch." Dass sich in einem solchen Fall vor allem Völler mit diesem an diesen Tisch setzen müsste, ging dabei irgendwie unter.

Beide Vereine, Bayer Leverkusen und Borussia Mönchengladbach, sehen bislang noch kein Problem in Kramers Aussagen. Beide sehen ihre Position nüchtern-rational. Bayer weiß, dass Kramer zurückkommen muss, Borussia weiß, dass sie ihn wohl nicht halten kann. Für beide könnte indes ein Problem erwachsen, wenn Kramer zunehmend das Wohlwollen der Anhängerschaft strapaziert - in Leverkusen wie in Gladbach.

Bei den Borussen-Fans hat er einiges an Kredit verspielt, als er auf die Kritik von Ex-Bundestrainer Berti Vogts eine souveräne Reaktion vermissen ließ und stattdessen Gladbachs Idol aus den 70ern als jemanden abkanzelte, der "vor 40 Jahren irgendwann mal vor den Ball getreten hat". In den sozialen Netzwerken nahmen ihm das viele übel, weil sie Kramer Überheblichkeit und einen Mangel an Respekt attestierten.

Dass an einem Zweitligafußballer, aus dem binnen eines Jahres ein Weltmeister wird, der plötzliche Helden-Status nicht spurlos vorbeigeht, dürfte Kramer jeder zugestehen. Doch wer ihn aus seinem ersten Jahr bei Borussia kennt, wer mit Menschen spricht, die ihn in Leverkusens Jugendbereich kennengelernt haben, den verwundert Kramers Auftreten seit dem Turnier in Brasilien dann doch.

Beim 3:0-Erfolg über den FC Zürich in der Europa League verließ er in der Schlussphase humpelnd das Feld, gestern beim Training lief er allerdings wieder mit den Kollegen. Sicher ist: Morgen beim Spiel gegen den künftigen Arbeitgeber ruhen alle Augen auf Kramer. Es werden viele kritische Augen sein.

(RP)
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