Borussia Mönchengladbach Lehrjahre eines Fußball-Meisters

Mönchengladbach · Vor seinem Aufstieg zum Weltklasse-Fußballer lernte Josef Heynckes den Beruf des Stuckateurs bei Karl Bühler. Die sechs Jahre als Handwerker prägten ihn auch als Torjäger und Trainer.

 Der Stuckateur und Bauleiter an seinem Arbeitsplatz: Sechs Jahre arbeitet Heynckes in der Firma des Bauunternehmers Karl Bühler.

Der Stuckateur und Bauleiter an seinem Arbeitsplatz: Sechs Jahre arbeitet Heynckes in der Firma des Bauunternehmers Karl Bühler.

Foto: IMAGO

Der Atem stockt, die Stimme bebt, und Jupp Heynckes (70) ringt um Fassung. "Ich möchte mich wirklich sehr herzlich bedanken bei den Borussen-Fans für den wunderbaren Abschied, weil...", Heynckes wischt sich Tränen aus den Augen, "...das zeigt mir, dass, ja, dass ich, dass das meine Heimat ist." Es ist sein Abschied aus der Bundesliga, nach 1011 Spielen als Spieler und Trainer. 50 Jahre im Fußball enden an diesem Samstag im Mai 2013 in Mönchengladbach - dort, wo alles begann. In der Stadt, die ihn am Sonntag mit dem Ehrenring auszeichnen wird. Und es wohl niemanden, der diese Auszeichnung nicht für angemessen hält. "Wenn sie einer verdient hat, dann der Jupp", sagt Karl Bühler. Er muss es wissen, er kennt ihn noch als Stuckateur-Lehrling in der Firma seines Vaters.

1961 ist Borussia noch lange kein Spitzenclub, es gibt noch keine Bundesliga, und Mathias Heynckes hat einen großartige Idee: Sein Sohn Josef, eines von zehn Kindern, soll einen Handwerks-Beruf lernen. Die Familie Heynckes gilt als tüchtige und ehrbare Handwerker-Familie, die Schmiede in Holt ist seit 1823 im Familienbesitz. Zwei Brüder arbeiten in dem Betrieb mit, ein anderer wird Bäcker. Der noch jugendliche Josef aber lernt nicht in der Meister-Werkstatt seines Vaters. Er wird Stuckateur, dieses feine Kunst-Handwerk passt vielleicht noch besser. In den 50er und 60er Jahren ist der Niederrhein voll mit alten Villen, viel zu tun für Stuckateure. Und der Beruf erfordert große Sorgfalt. Vater und Sohn tauchen in der Firma von Karl Bühler senior auf. "Dä Jung mot jet Ordentlisches liere", sagt Schmied Heynckes zu Bauunternehmer Bühler, erinnert sich Karl Bühler junior. Er beginnt seine Ausbildung in der Nähe des Bökelbergs, wechselt in der A-Jugend auch fußballerisch von Holt nach Eicken, arbeitet und spielt Fußball. In beidem wird er immer besser. "Alles musste präzise und mit großer Sorgfalt ausgeführt werden", sagt Heynckes später. Werte wie Pünktlichkeit, Verlässlichkeit, Korrektheit lernte er zu Hause und im Betrieb - und lebt sie bis heute. "Jupp war der Star, aber er war kein Star", sagt Bühler, der heute Obermeister der Bauinnung in der Kreishandwerkerschaft ist. "Er hat wie alle Platt gesprochen, war fleißig wie alle anderen, nie jemand Besonderes. Und das hat ihn so beliebt gemacht in der Firma."

Auf den Baustellen kickt Jupp mit den Kollegen in der Pause mit Zementsäcken, Fallrückzieher wurden im Sandhaufen geübt, erinnert sich Bühler. "Und Unsere Betriebsmannschaft war fast unschlagbar", sagt er. "Wir haben sogar Schlafhorst geschlagen, nur gegen die Stadtwerke verloren." In der Firma lernt Jupp Heynckes auch seine Frau Iris kennen, die als kaufmännische Angestellte bei Bühler arbeitet. Als Borussia in die Bundesliga aufsteigt mit Torjäger Heynckes, schließt er auch seine Ausbildung als Stuckateur als Jahrgangsbester in NRW ab. Als Hennes Weisweiler 1964 die Borussia übernimmt, bittet er die Firma darum, sein Stürmer möge nicht mehr jeden Tag auf der Baustelle die schwere Plackerei mitmachen müssen. Fortan arbeitet Jupp Heynckes in Teilzeit als Bauleiter, ist für das Aufmaß, die Materialbestellung und die Planung der Baustellen verantwortlich. Bis er 1967, nach sechs Jahren im Betrieb, Gladbach verlässt. Er wechselt zu Hannover 96, und Bühlers damaliger Prokurist hilft beim Aushandeln der Verträge.

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Es ist Heynckes' erster Wechsel fort von Gladbach, dem zahlreiche weitere als Trainer folgen sollen. Nach München. Bilbao. Madrid. Gelsenkirchen. Leverkusen. Noch einmal München. Aber er kehrt immer wieder zurück an den Niederrhein und zu seinen Menschen. Er gewinnt die Champions League, den Weltpokal, das Triple, Meisterschaften. Und er besucht wenn er kann immer noch seinen alten Chef, mit dem er als Teilhaber eines Betonwerks zeitweise auch geschäftlich verbunden ist. Immer wieder kehrt die Familie ins Haus am Bökelberg zurück und lebt heute in Schwalmtal. Heimat eben.

(RP)
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