Borussia Mönchengladbach "Lucien Favre hat Überzeugungskraft"

Mönchengladbach · Borussias Brasilianer spricht vor dem Spiel morgen bei Hertha BSC über seine Lieblingsstadt Berlin, seinen Trainer, das Ziel Champions League und Gefühle, die für 90 Minuten ausgeschaltet werden.

Raffael: Rückblick auf seine Zeit bei Borussia Mönchengladbach
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Das ist Raffael

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Foto: imago sportfotodienst

Raffael, am Sonntag spielt Borussia bei Hertha BSC Berlin. Es ist vermutlich Ihre Lieblingsdienstreise in dieser Saison.

Raffael Ja, ich freue mich sehr darauf. Berlin ist eine tolle Stadt. Ich habe viereinhalb Jahre dort gelebt und ich habe mich sehr wohlgefühlt. Ich habe in Berlin-Mitte gewohnt, das ist ein toller Stadtteil, in dem es viele Familien gibt.

Was macht den Reiz von Berlin aus?

Raffael Es gibt dort alles, was man braucht. Schöne Restaurants, schöne Geschäfte, viel Kultur und viel Geschichte. Es ist einfach interessant in Berlin. Ich habe es immer sehr genossen, mit meiner Familie über den Kudamm zu flanieren, das ist echtes Großstadt-Feeling.

Sind Sie ein Stadtmensch? Ihre Heimatstadt Fortaleza in Brasilien ist auch groß.

Raffael Ja, allerdings. Ich bin ein Stadtmensch. Ich lebe jetzt am Rand von Düsseldorf, wir sind immer schnell in der Stadt, in 15 Minuten. Ich mag es, wenn es lebendig ist.

Hertha BSC ist für Sie ein besonderer Verein, sie haben dort mit Ihren Bruder Ronny gespielt.

Raffael Ja, Hertha bedeutet mir viel. Es war mein erster Verein in Deutschland und es war schön, mit Ronny zusammenzuspielen in einem Team. Das ist etwas Besonderes.

Sie sind sogar mit Hertha in die Zweite Liga gegangen, das sagt alles.

Raffael Allerdings. Ich hatte damals viele Angebote von anderen Klubs, aber ich habe mich entschieden, Hertha zu helfen, wieder in die Erste Liga zu kommen. Ich wollte etwas zurückgeben. Ich schaue natürlich noch immer auf die Spiele von Hertha. Auch die zweite Halbzeit des Spiels in München. Da hat Hertha gut gespielt.

Was sind die Stärken der Berliner?

Raffael Sie kämpfen und verteidigen sehr gut. Es ist nicht leicht, gegen diese Mannschaft zu spielen.

Wird es möglicherweise sogar das komplizierteste der letzten vier Spiele?

Raffael Vielleicht ja. Ich kenne ja den neuen Trainer Pal Dardai gut, wir haben zusammengespielt. Er hat eine Kämpfermentalität, ist immer positiv, einer, der auch mal einen Spaß macht. Das gibt er sicher an die Mannschaft weiter. Er ist auf jeden Fall der richtige Trainer für Berlin in dieser Situation.

Ein Verein, der Ihnen viel bedeutet, ein Verein bei dem Ihr Bruder spielt — wäre für Sie ein Unentschieden nicht das passende Ergebnis, rein vom Gefühl her?

Raffael (lacht) Oh nein, sicher nicht. Wir gehen in das Spiel, um es zu gewinnen, wie immer. Das ist doch klar. Wir wollen den dritten Platz halten. Wenn wir gewinnen und Leverkusen gegen die Bayern verliert, dann haben wir fünf Punkte Vorsprung. Darum schalte ich für die 90 Minuten alle Gefühle für Hertha und Ronny aus, es geht nur um Borussia.

Es kann sogar noch besser kommen: Sollte Wolfsburg das Derby gegen Hannover verlieren, wäre Borussia bei einem Sieg auf einen Punkt am zweiten Platz dran. Ist das ein Thema für Sie?

Raffael Im Moment kämpfen wir um den dritten Platz, den wollen wir sichern, um direkt in die Champions League einzuziehen. Im Fußball ist natürlich alles möglich, aber wir denken nur an Platz drei. Das ist unser Ziel. Ich will mit Borussia in die Champions League.

Das wäre auch möglich, wenn es Platz vier wird. Dann aber nur über die Play-offs. 2012 waren Sie bei Dynamo Kiew, das Borussia ausschaltete. Wie schwer wäre es für Gladbach in den Play-offs, in denen es aufgrund der geringen Uefa-Koefizienten Gegner wie Manchester United oder den FC Sevilla geben kann?

Raffael Das ist das Problem, wenn wir Vierter werden. Das wäre sehr schwer. Darum wollen wir Platz drei halten.

Zurück zum Spiel in Berlin. Wie finden Sie die Stimmung im Olympiastadion?

Raffael Gut. Die Hertha-Fans stehen immer hinter der Mannschaft und unterstützen sie. Es hat immer Spaß gemacht, dort Heimspiele zu haben.

Sie waren einer der Publikumslieblinge. Würden Sie am Sonntag treffen, käme das vermutlich nicht so gut an.

Raffael (grinst) Ich weiß es nicht, ich habe es ja noch nicht ausprobiert, in Berlin gegen Hertha zu treffen. Im Borussia-Park habe ich ja schon ein Tor gegen Berlin erzielt. Und wenn das jetzt wieder gelingt, würde mich das freuen. Aber ich würde nicht so sehr ausgiebig jubeln.

Borussia hat in der Rückrunde viele Big Points gemacht wie zuletzt gegen Wolfsburg. Ist das eine neue Qualität?

Raffael Das ist natürlich wichtig, wenn man große Ziele hat. Wir versuchen immer alles, bis zur letzten Minute. Manchmal klappt es dann, noch ein Tor zu machen. Solche Siege geben natürlich viel Selbstvertrauen.

Vergangene Saison war Borussia auch Dritter nach der Hinrunde und ist dann in der Rückrunde abgerutscht. Jetzt ist sie stabil. Was ist anders, als in der vergangenen Spielzeit?

Raffael Wir haben uns als Team verbessert, sind durch die vielen neuen Spieler breiter aufgestellt. Das ist gut für uns, wir sind unberechenbarer.

Sie kennen Lucien Favre schon, seit Sie 18 sind. Er hat in dieser Saison das Flügelspiel verstärkt und die Rotation eingeführt, so lange Borussia im Europapokal war. Hat Sie das überrascht, denn eigentlich wechselt Favre eher weniger?

Raffael Ein wenig hat es mich schon überrascht, wie er das durchgezogen hat. Aber er ist ein Trainer, der sich immer weiterentwickelt und neue Ideen hat. Darum ist er ein guter Trainer. Als ich damals aus Chiasso zum FC Zürich kam, war ich noch ein reiner Mittelstürmer, ich habe nur nach vorn gespielt. Er hat dann gesagt: Du wirst eine Neuneinhalb, das passt besser zu dir. Er hatte recht. Ich musste mich zwar erst daran gewöhnen, auch nach hinten zu arbeiten, aber es hat mein Spiel besser gemacht.

Sie und Lucien Favre haben zusammen schon viel erreicht: Zweimal Meister mit Zürich, eine Saison in Berlin, in der Hertha um den Titel mitspielte und jetzt die Erfolge bei Borussia. Woran liegt es, dass es mit Ihnen beiden so gut klappt?

Raffael Ich denke, wir passen einfach gut zusammen. Und Favre ist ein Trainer, der seinen Spielern viel Vertrauen gibt. Er spricht viel mit den Spielern und sagt ihnen, was sie verbessern können. Favre hat viel Überzeugungskraft, er kann Spieler für seine Ideen begeistern.

Wie traurig wären Sie, wenn Hertha absteigt?

Raffael Es wäre sehr schade, nicht nur, weil dann die Reise nach Berlin wegfallen würde. Hertha hat die Qualität, in der Bundesliga zu bleiben. Wir müssen zwar dort die Punkte mitnehmen, aber danach haben sie genug Möglichkeiten, die nötigen Punkte zu holen. Hertha gehört in die Bundesliga.

Wie sieht es mit Borussias Restprogramm aus? Wie schätzen Sie das ein?

Raffael Es ist egal, wer da kommt, jedes Spiel ist kompliziert. Darum schauen wir auch immer nur auf den nächsten Gegner und konzentrieren uns darauf. Wenn wir unsere Punkte machen, kann Leverkusen nichts mehr machen. Das wissen wir und wollen den Vorteil nutzen.

Eine Berlin-Reise ist für Sie weggefallen: die zum Pokalfinale. Wie sehr ärgert Sie das noch, gerade jetzt, wenn Sie sehen, dass die Finalisten Borussias Dortmund und VfL Wolfsburg feststehen?

Raffael Ein Pokalfinale in Berlin wäre für mich natürlich eine große Sache gewesen. Aber wir haben es nicht geschafft, das ist so im Fußball. Zum Glück haben wir jetzt das Bundesligaspiel in Berlin, immerhin. Und wenn wir gewinnen, können wir ja einen großen Schritt machen. Das wollen wir schaffen.

Zumal Sie noch etwas nachzuholen haben ...

Raffael (grinst) Das stimmt. In der letzten Saison haben wir in Berlin 0:1 verloren. Dieses Mal wollen wir gewinnen.

(RP)
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