Borussia Mönchengladbach "Marc muss das Finale genießen"

Mönchengladbach · Borussias Nachwuchsdirektor Roland Vikus spricht über den Ex-Gladbacher, der heute im Champions-League-Finale spielt, den verpassten Aufstieg der U23, die Trainersuche, die Zusammenarbeit mit dem 1. FC, ambitionierte Talente und Spiele in der Youth League.

 Roland Vikus kennt Marc-André ter Stegen seit vielen Jahren.

Roland Vikus kennt Marc-André ter Stegen seit vielen Jahren.

Foto: Imago

Herr Virkus, am Samstag ist in Berlin das Champions League-Finale zwischen dem FC Barcelona und Juventus Turin mit Mönchengladbacher Beteiligung. Der Ex-Borusse Marc-André ter Stegen steht im Barca-Tor. Sie gelten als einer seiner großen Förderer von frühester Jugend an. Was bedeutet das Spiel für ter Stegen?

Virkus Erst mal hat er nicht viel falsch gemacht. Mehr als im Finale der Champions League zu stehen, gibt es nicht im Vereinsfußball. Zudem hat Marc mit Barca ja auch den Pokal gewonnen. Sicher, in der Meisterschaft hat er sich das sicher anders vorgestellt. Aber jetzt im Finale zu stehen, das ist für ihn eine Riesengeschichte. Aber auch für den Klub. Ich habe ihn vier Jahre begleitet, aber viele waren an seinem Werdegang beteiligt. Das zeigt, dass wir richtig gelegen haben in seiner Beurteilung.

Ter Stegen ist sehr ehrgeizig. Wie sehr nagt es an ihm, dass er nicht die unumstrittene Nummer eins in Barcelona ist, sondern in der Liga hinter dem Chilenen Bravo zurückstehen muss?

Virkus Natürlich will ein guter Torwart immer spielen, da ist Marc keine Ausnahme. Ich glaube, er hat sich damit arrangiert. Das ist ihm sicherlich zunächst mal schwer gefallen, aber es gibt nun mal eine Realität, und die ist, wie sie ist. Entscheidend für Marc ist, dass er nun dieses große Spiel machen kann und die Chance hat, den größten Titel im Vereinsfußball zu gewinnen. Wer dieses Finale gewinnt, ist die beste Mannschaft der Welt, und wenn es Barcelona ist, steht er da im Tor. Und er kommt aus Gladbach. Das ist eine große Sache.

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Lionel Messi sagt über ter Stegen, er habe das Zeug, der beste Torwart der Welt zu werden. Wie stolz macht das Sie als seinen Förderer?

Virkus Ich war einer von vielen Förderern. Max Eberl und ich haben ihn am längsten begleitet. Dass er nun da oben dabei ist, zeigt, dass wir hier im kleinen Mönchengladbach Spieler ausbilden können, die in der Weltspitze dabei sind. Das ist schön.

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Schön wäre es auch gewesen, wenn die U23 in die 3. Liga aufgesteigen wäre. Doch das entscheidende Spiel gegen Werder Bremens U23 ging 0:2 verloren. Wie sehr schmerzt das ein paar Tage später noch?

Virkus Ich müsste lügen, wenn ich sagen würde, es ist alles gut. Man versucht, die Sache ganz sachlich zu betrachten. Die 3. Liga wäre für uns noch mal eine ganz andere Plattform gewesen. Aber bei genauer Betrachtung haben wir nichts verloren, wir hätten nur etwas gewinnen können. Unsere Ausbildung wird sich nicht ändern. Wir haben in der Regionalliga die gleichen Möglichkeiten und Optionen, auch wenn sie ein wenig anders geartet sind. Da wird mehr Wert auf Fußballspielen gelegt. In der 3. Liga wäre es sicher anders gewesen, was die Akquise junger Spieler angeht, aber gerade die West-Regionalliga ist stark besetzt und hat daher einen guten Ruf. Deswegen finde ich, dass der verpasste Aufstieg schade ist, aber kein Beinbruch.

Schmerzhaft ist sicher vor allem, dass Bremen nicht eindeutig besser war.

Virkus Das ist sicherlich richtig. Man hätte sich mit der Niederlage leichter abfinden können, wenn der Gegner viel besser gewesen wäre. Wir waren in beiden Spielen auf Augenhöhe, aber in der Summe war Bremen vielleicht ein Stückweit reifer. Jetzt sucht man natürlich, wo ein paar Prozent gefehlt haben. Aber wir schauen auch nach vorn und ich glaube, dass wir schon wieder einen guten Kader zusammen haben.

Allerdings gibt es noch keinen Trainer. Sven Demandt wechselt zu Wehen Wiesbaden. Wie ist der Stand der Dinge bei der Suche nach seinem Nachfolger? Spielt zum Beispiel U19-Trainer Arie van Lent eine Rolle in den Überlegungen?

Virkus Wir denken alle Möglichkeiten durch. Dazu gehört auch Arie van Lent. Aber man muss die Entscheidung im Gesamtzusammenhang sehen und die beste Entscheidung für den Verein treffen. Wir sind gerade im Entscheidungsprozess. Aber selbst wenn wir eine externe Lösung wählen, heißt das nicht, dass Arie keine gute Lösung wäre. Im Gegenteil. Durch unsere Qualifikation für die Champions League spielt die A-Jugend in der nächsten Saison zum ersten Mal in der europäischen Youth League mit. Dabei präsentieren wir uns auf internationalem Topniveau und wollen ein gutes Bild abgeben. Dazu brauchen wir einen Trainer, der die Abläufe kennt und die Qualität hat, das hinzukriegen. Das sind Überlegnungen, die auch eine Rolle spielen. Klar ist, dass wir bis spätestens zum 22. Juni einen Trainer präsentieren werden, möglichst schon vorher. Der neue Trainer, ob es nun einer von außen ist oder eine interne Lösung, soll und muss in die Kaderplanung einbezogen werden.

Wie wichtig ist die Teilnahme an der Youth League für die A-Junioren?

Virkus Sehr wichtig. Man sieht es zum Beispiel an Leroy Sane vom FC Schalke, der dort gespielt hat. Das Niveau ist absolut top, man spielt gegen die besten Nachwuchsspieler dieser Altersklasse, das bringt die Spieler sofort einen großen Schritt weiter. Die Jungs freuen sich darauf.

Das Ziel der Nachwuchsspieler ist der Profikader. Seit 2004 haben es 26 Talente dorthin geschafft. Wer steht jetzt vor der Beförderung?

Virkus Es ist natürlich ein wenig schwieriger geworden durch die Teilnahme am internationalen Geschäft. Wer am Ende ganz oben etabliert, wird man sehen. Es ist aber so, dass Christopher Lenz, der beim Trainingsauftakt der Profis am 29. Juni dabei sein wird. Aber es gibt auch andere, die vielleicht eine Chance bekommen, sich zu zeigen. Wie Mario Rodriguez.

Rodriguez ist ein Typ Stürmer, der gerade für das Profiteam gesucht wird: ein schneller, spielender Mittelstürmer. Kann er eine Option sein? Ist er schon so weit?

Virkus Er hat viel Qualität, aber ihm fehlt auch noch etwas. Er ist noch nicht so stabil in seinen Leistungen, das ist das Problem. Wenn wir das hinkriegen - und da ist die Regionalliga sehr geeignet - dann hat er viel Potenzial. Man muss schauen, welche Optionen es gibt: ob er sich oben etablieren kann oder ob man einen Umweg gehen muss, vielleicht über eine Ausleihe. Auf jeden Fall ist er ein sehr interessanter Mann.

Die U19 spielt in der Youth League eventuell gegen den FC Chelsea. In der Junioren-Bundesliga wird sie aber auf jeden Fall gegen den 1. FC Mönchengladbach spielen. Wie wichtig ist es, dass Gladbach weiterhin zwei Teams in der höchsten A-Junioren-Spielklasse hat?

Virkus Es ist überragend, dass Mönchengladbach zwei Teams in dieser Liga hat. Wie der FC das gemacht hat, ist sensationell und bemerkenswert. Wir haben einen guten Draht zum FC und haben viele Spieler quasi an den FC ausgeliehen. Wir werden diese Partnerschaft in dieser Art und Weise fortführen. Tobias Schütz kommt zu uns zurück, wir werden fünf Spieler zum FC geben. Das ist für die Jungs eine gute Chance, auf hohem Niveau zu spielen. Es profitieren alle davon. Wir haben immer gesagt: Wenn du in der Spitze gut ausbildet, wird es auch die Breite besser. Das zahlt sich jetzt aus. Es zeigt sich, dass man mit einem guten Plan viel machen kann.

Zu Borussias Plan gehört, auf Eigengewächse zu setzen. Tony Jantschke, Julian Korb und Patrick Herrmann haben sich in der vergangenen Saison deutlich weiterentwickelt.

Virkus Das ist für den Verein eine tolle Sache. Es freut mich ungemein, dass Patrick seine sehr gute Saison mit der Berufung ins A-Nationalteam gekrönt hat. Auch Tony hat die Qualität, dort dabei zu sein. Und Julian spielt bei der U21-EM mit. Das zeigt, dass wir eine hohe Qualität in unserer Jugendarbeit haben. Dass wir jetzt in der Youth League dabei sind, ist dabei natürlich eine gute Sache. Die Jungs sammeln da früh internationale Erfahrung. Der gesamte Verein profitiert von der Champions-League-Teilnahme.

Ist die Tatsache, dass ein Eigengewächs wie Marc-André ter Stegen nun im Champions-League-Finale dabei ist, auch eine Motivation für die aktuellen Nachwuchsspieler?

Virkus Man sieht, dass die Qualität entscheidet. Aber auch, dass wir Topspieler ausbilden können. Das kann und muss für jeden Nachwuchsspieler an Ansporn sein.

In Ihrem Büro hängt ein Foto von ter Stegen, auf dem er den U17-WM-Pokal in Händen hält. Wie werden Sie sich fühlen, wenn Sie ihn am Samstag mit dem Champions-League-Pokal sehen?

Virkus Da kommen natürlich Bilder von früher hoch, zum Beispiel, als er im U17-Tor stand, und ich ihn gerüffelt habe, weil er mal wieder zu ehrgeizig war. Und jetzt hat er vielleicht den Champions-League-Pokal in Händen. Das ist sensationell. Marc spielt jetzt mit absoluten Weltfußballer in einem Team, er steht jetzt mit einem Neymar, einem Messi oder einem Pique in diesem großen Finale und auf der anderen Seite steht der Weltmeister Buffon im Tor. Da muss man sich schon auch mal zwicken. Marc muss das Finale einfach genießen.

Hat er sich verändert, seit er für Barcelona spielt?

Virkus Man hat ihm ja früher oft Arroganz vorgeworfen. Die hatte er nie. Es war ein Schutz nach außen. Er macht es in Barcelona wie immer: smart und so, dass man stolz auf ihn sein kann. Er hat sich nicht verändert, finde ich. Ich wünsche Marc, dass er mit Barca gewinnt und den Titel mitbringt nach Gladbach.

Karsten Kellermann und Sascha Köppen führten das Gespräch.

(RP)
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