Borussia Mönchengladbach Martin Stranzl: "Im Fußball gibt es keine Helden"

Belek · Borussias Innenverteidiger über die Rolle der Profis, den Konkurrenzkampf in Mönchengladbach, warum er nicht jünger sein möchte und weshalb in dieser Saison der Kampf um die Champions-League-Plätze so schwer wie noch nie ist.

 Martin Stranzl im Gespräch mit RP-Redakteur Stefan Klüttermann.

Martin Stranzl im Gespräch mit RP-Redakteur Stefan Klüttermann.

Foto: Dirk Päffgen

Seit Januar 2011 spielt Martin Stranzl für den Fußball-Bundesligisten Borussia Mönchengladbach. Im Trainingslager im türkischen Belek sprach unser Sportredakteur Stefan Klüttermann mit dem 34 Jahre alten Österreicher.

Muss man sich die jüngsten Vertragsverhandlungen als Stummfilm vorstellen? Borussias Sportdirektor Max Eberl hat mal gesagt, da werde sich nur kurz tief in die Augen geschaut.

STRANZL Na ja, es waren keine Verhandlungen in dem Sinne, dass Forderungen ausgetauscht werden. Es waren ein paar Gespräche, und als der Verein signalisiert hat, er würde gerne noch ein Jahr mit mir weitermachen, gab es für mich nicht viel zu überlegen.

Weil auch die Familie zustimmte?

STRANZL Meine Frau und meine Kinder haben gesagt, sie fänden es toll, wenn ich weitermache. Sie würden es auch vermissen, ins Stadion zu gehen.

War die Zustimmung der Familie ausschlaggebend dafür, das Karriereende erneut zu verschieben?

STRANZL Der entscheidende Grund war, dass Max Eberl mich in der Phase im November anrief, als ich mich gerade verletzt hatte. Ich war damals sehr niedergeschlagen, weil ich bis dahin sehr erfolgreich in der Saison unterwegs war und dann plötzlich länger raus war. Borussias Angebot hat mich da sehr aufgebaut.

Wären Sie enttäuscht, wenn Borussia trotz der Verlängerung mit Ihnen noch einen Innenverteidiger holt?

STRANZL Warum soll ich deswegen denn enttäuscht sein? Konkurrenz ist doch normal. Ich habe ja auch nie gesagt, ich würde bei Borussia eine Stammplatzgarantie fordern. Das ist doch Blödsinn. Es ist mein Naturell, dass ich spielen will. Für mich gilt das Leistungsprinzip. Aber die Zeit geht natürlich weiter. Ich werde älter, jüngere Spieler rücken nach. Und hoffentlich rückt ein jüngerer Spieler so schnell und so gut nach, dass ich weniger spiele und der andere mehr. Das wäre doch gut für Borussia, und ich hätte damit kein Problem.

Ist Ihnen wichtig, selbst zu merken, wenn andere besser werden? Wenn es vielleicht besser ist aufzuhören?

STRANZL "Der Stranzl wird immer langsamer", diesen Satz höre ich, seitdem ich bei Borussia bin. Und dann schaut man sich meine Werte und Geschwindigkeiten an, und dann ist es doch nicht so. Damit kann ich umgehen.

Wären Sie nicht gerne manchmal fünf Jahre jünger, um Borussias positive Entwicklung noch länger begleiten zu können?

STRANZL Um Gottes Willen nicht noch mal jünger sein! Ich genieße es, dass ich in meinem Leben so viel erreicht und was ich alles mit meiner Familie erlebt habe. Ich freue mich darüber, wo wir überall gelebt und uns wohlgefühlt haben. Und sehen Sie, im Fußball spielen doch heute zunehmend Dinge eine Rolle, die wichtiger genommen werden als der Sport selbst. Das finde ich schade. Ich habe das Gefühl, dass ich zur richtigen Zeit am richtigen Ort war.

Wie nehmen Sie den Helden-Status wahr, der manchen Profi umgibt?

STRANZL Ich glaube nicht, dass es im Fußball wirkliche Helden gibt. Dafür sind andere Menschen zuständig. Wir konnten unser Hobby zum Beruf machen und unterhalten die Leute in modernen Arenen. Sport ist insofern wichtig, als er Menschen ablenkt. Dafür sind wir zuständig. Aber es gibt Wichtigeres im Leben - auch wenn das mancher junge Sportler anders sieht, wie ich es übrigens früher auch getan habe. Heute versuche ich den Jüngeren schon mal klar zu machen, wie es in unserem Geschäft läuft. Der eine nimmt es besser auf, dem anderen ist es egal.

Sie sagen immer, Sie spielen Fußball, um Titel zu gewinnen. Wäre eine Champions-League-Teilnahme am Saisonende für Borussia wie ein Titel?

STRANZL Platz zwei, drei oder vier bringen ja keine Titel. Also nein. Aber natürlich würde es uns alle freuen, diesen Sprung zu schaffen, weil es dem Verein wieder ganz andere wirtschaftliche Möglichkeiten verschaffen würde.

Ist die Chance auf die Champions-League-Plätze dieses Jahr für Gladbach so groß wie nie, weil Dortmund unten drin steckt und sich hinter den Bayern niemand entscheidend absetzen kann?

STRANZL Ich glaube eher, dass es dieses Jahr so schwer ist wie nie. Es ist alles sehr eng beieinander, und wenn wir davon ausgehen, dass man 60 Punkte für die Champions League braucht, müssen wir in der Rückrunde 33 holen, also sechs mehr als in der Hinrunde. Das ist schon eine Herausforderung.

Ihr Heimatland Österreich befindet sich gerade auf einem guten Weg, sich für die EM 2016 zu qualifizieren. Fiebern Sie da mit, auch wenn Sie seit 2009 auf eigenen Wunsch kein Nationalspieler mehr sind?

STRANZL Mitfiebern wäre übertrieben, weil man damals, als ich aus der Nationalelf zurückgetreten bin, in mir viel kaputt gemacht hat. Deswegen sehe ich das heute emotionsloser als früher. Ich würde es dem Team aber natürlich gönnen.

Haben Sie Ihren Rücktritt je bereut?

STRANZL Nein.

(RP)
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