Borussia Mönchengladbach Mehr als ein Komödiant

Mönchengladbach · Auf dem Platz ist Mönchengladbachs Flügelstürmer Ibrahima Traoré unberechenbar. Jenseits des Sports ist er ein Querdenker. Der 27 Jahre alte Fußballprofi überlegte, Schriftsteller zu werden.

Ibrahima Traoré im Porträt: Sieben Jahre bei Borussia Mönchengladbach
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Das ist Ibrahima Traoré

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Foto: Dirk Päffgen/Dirk Päffgen (dirk)

Ibrahima Traoré ist Fußballprofi. Seit einem Jahr ist er angestellt bei Borussia Mönchengladbach. Und in der neuen Saison wird der gebürtige Pariser, der auch den Pass von Guinea besitzt, mit Gladbach in der besten Liga der Welt spielen - der europäischen Champions League. Je nachdem, welche Gegner der Bundesligist am 27. August bei der Gruppenauslosung erhält, spielt er nun vielleicht gegen Messi, gegen Ronaldo, gegen Ibrahimovic.

Der Schwede wäre vielleicht sogar sein Favorit. Dann würde Traoré mit Gladbach nach Paris reisen, wo der wilde Schwede für Meister PSG spielt, jenen Klub, den Traoré als Kind verehrte. "Ibra" gegen "Ibo" - das wäre ganz nach seinem Geschmack. Dass Ibrahimovic Spiele entscheiden kann, ist bekannt, doch Traoré hat auch das Zeug dazu. Er kann überraschen. Das tut er oft, nicht nur auf dem Platz. Denn Traoré ist ein Fußballer, der anders ist.

172 Zentimeter ist er groß oder klein, ganz nach Belieben. In seinen dünnen Beinen steckt viel Power. Wenn er sich den Ball zurechtgelegt hat und es aus der Distanz versucht, dann bekommt die Kugel viel Fahrt und kuriose Flugkurven. Zwei Bundesligatore schoss er in der vergangenen Saison. Das erste in Berlin, es brachte einen wichtigen 2:1-Sieg der Gladbacher. Traoré zog rechts in die Mitte und schoss den Ball dann zwischen all den Berliner Abwehrbeinen hinweg in einem hübschen Bogen ins Tor. Das kennt man doch? Ja, von Arjen Robben. "Traoré kopiert Robben", hieß es danach.

Das schmeichelte Traoré. Robben, wie er ein Flügelspieler, sei grandios, sagt er. Doch Traoré wollte nicht als bloßer Tor-Plagiator dastehen. Und so kopierte er sich selbst und schoss einfach im nächsten Spiel gegen Leverkusen fast das gleiche Tor noch einmal. So wurde aus der Robben-Kopie ein Traoré-Original.

Jenseits des Fußballs ist er ein Querdenker. Es hätte für ihn auch andere Lebensentwürfe gegeben, als den des Fußballers. Schriftsteller zum Beispiel. Er hat mal ernsthaft darüber nachgedacht, zu schreiben. Damals hatte er eine Fußball-Blockade und belegte in der Schule das Fach Literatur. Was für Bücher Traoré geschrieben hätte, weiß er nicht, doch es wären vielleicht Bücher, die vom Leben auf den Straßen von Paris erzählen. Dort, "in einer schwierigen Gegend", ist Traoré aufgewachsen. Darum mag er den Rap, die Musik der Straße. Rap ist wie Traorés Spiel: "Viel Improvisation".

"Ich habe zu allem eine Meinung", sagt der 27-Jährige. Und er sagt sie auch. Traroré hat seine Grundsätze. Die haben auch mit seinem Glauben als Moslem zu tun. Den Fastenmonat Ramadan musste er allerdings zuweilen unterbrechen, weil das intensive Training der Vorbereitung ohne Essen und Trinken nicht machbar ist. "Aber ich bete jeden Tag", versichert er. Und er lacht jeden Tag. Viel, sehr viel. "Das Leben ist schön, man sollte nicht alles so ernst nehmen", sagt Traoré. Was aber nicht bedeutet, dass er nicht ernsthaft ist. Menschen, die gute Komiker sind, haben halt immer Tiefgang.

Das wäre der nächste Berufszweig, den man sich für den Gladbacher vorstellen kann: Er hat das Zeug zum Stand-up-Comedian. "Ich mag es, Scherze zu machen, und die Leute lachen oft, wenn ich etwas sage". Als er 2014 zum ersten Mal mit Gladbach im Trainingslager am Tegernsee war, wurde er gefragt, warum er nicht mit den anderen zur Abkühlung in den See springt. "Die Fische da drin sind größer als ich", antwortete er. Auf seinem Fußballschuh steht "Joe Dalton". "Ich war immer der Kleinste bei meinen Brüdern. Aber ich habe immer die Anweisungen gegeben", erklärt der Berufsfußballer.

Diese Geschichten sagen viel aus über Traoré, der auch ein Klamottenfreak ist, der "über 100 Paar Schuhe" in seinem Schrank und "einen ganz eigenen Stil" hat. Er kann über sich selbst lachen, das ist eine gute Eigenschaft, die zeigt, dass man Selbstvertrauen hat. Das braucht man auf den Straßen von Paris, die haben ihn geprägt, auch seine Art, Fußball zu spielen. Er kickt aus dem Bauch heraus, unorthodox. Das ist das Besondere, das er ins Gladbacher Spiel einbringt. In der vergangenen Saison war er für seinen Geschmack zu oft "Joker". Nun will er mehr spielen.

Er hat seine Nationalmannschafts-Karriere auf Eis gelegt, will sich auf Gladbach konzentrieren. "Ich bin ja nicht nur hier, um Witze zu machen. Es gilt, eine gute Vorbereitung zu machen, das funktioniert bisher sehr gut", sagt Traoré. "Der Trainer weiß, was für ein Spielertyp ich bin. Jeder wird seine Chance kriegen." Vielleicht auch eine in Paris. "Wir werden sehen", sagt Traoré.

Er weiß, dass das Leben ebenso viele Haken schlägt wie er selbst.

(RP)
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