Borussia Mönchengladbach Stadionverbot - wenn die anderen feiern

Mönchengladbach · Ralf E. ist als Gewalttäter im Umfeld eines Mönchengladbacher Spiels aufgefallen. Er erhielt drei Jahre Stadionverbot.

 Die Fanszene demonstriert immer wieder Solidarität mit denen, die draußen bleiben müssen — wie hier in der Mönchengladbacher Nordkurve.

Die Fanszene demonstriert immer wieder Solidarität mit denen, die draußen bleiben müssen — wie hier in der Mönchengladbacher Nordkurve.

Foto: Dirk Päffgen

Seine Fankarriere begann wie viele in Mönchengladbach. Der Stiefvater und der Onkel nahmen Ralf E. (Name von der Redaktion geändert) mit zum Bökelberg, zu Borussia. Mit 13 kaufte er die erste Dauerkarte für Block 15. Er wurde ein Teil der Nordkurve.

Dann lief es aus dem Ruder. Mehr und mehr gehörte es dazu, sich mit den Fans der anderen Klubs zu messen - nicht nur gesanglich. "Ich bin kein aggressiver Typ", sagt Ralf E., doch als er 16 war, ging er mit der Einstellung zum Spiel: "Wenn es handgreiflich wird, renne ich nicht weg. Nur Mädchen rennen weg."

Es kam der Tag, an dem er zur unerwünschten Person wurde. Er fuhr mit sechs Kumpels "auswärts", so heißt es in der Fansprache. Wo er den "größten Fehler meines Lebens" beging, spielt keine Rolle. Auch nicht das Spiel, das an diesem Tag war. Ralf E. hat es sowieso verpasst. Er saß in der Stadionzelle. "Ich konnte hören, wie unsere Tore fielen", sagt er. Er war außen vor.

Auf dem Weg zum Stadion trafen er und seine Kumpels Fans der anderen. Es war Alkohol im Spiel. Mit der Promillezahl wuchs der Mut. "Wir haben sie provoziert und ihnen ihre Schals abgenommen. Es gab eine Auseinandersetzung", sagt Ralf E. Stark sein für seinen Klub, Trophäen sammeln. Falsch verstandenes Fan-Sein. Einer rannte weg und rief die Polizei. "Plötzlich kamen 20 bis 30 Polizisten", erinnert sich Ralf E., "wir sind weggelaufen — aber in eine Sackgasse. Wir haben versucht, die Schals verschwinden zu lassen. Aber es war zu spät."

Eintrag in die Akte "Gewalttäter Sport"

Ralf E. und die anderen wurden festgenommen. Als das Spiel vorbei war, wurden sie zum Polizeirevier gebracht. "Wir wurden durchsucht, es wurden Fotos gemacht und unsere Fingerabdrücke genommen", sagt er. Zwei Wochen später kam Post. Darin wurde angekündigt, dass ein bundesweites Stadionverbot bis in die Regionalliga verhängt wird. In einer Gerichtsverhandlung wurde das Verbot amtlich. Ralf E. steht seitdem in der Akte "Gewalttäter Sport" der Zentralen Informationsstelle für Sporteinsätze (ZIS). Seit mehr als zwei Jahren darf er nicht mehr zum Fußball. 1500 Euro musste er zudem zahlen. Für einen Azubi ist das viel Geld. Und er ist vorbestraft wegen Körperverletzung und gemeinschaftlichem Raub.

Ortstermin im Borussia-Park. Der Ort, den Ralf E. nicht betreten darf, bis sein Stadionverbot abgelaufen ist. "Genau genommen dürfen Leute, die ein Stadionverbot bei uns haben, nicht mal in den Fanshop in der Stadt", sagt Bernhard Nießen. Er ist für die Sicherheit im Gladbacher Stadion zuständig. Auch Ralf E. hat in seinem Büro gesessen. Alle Gladbach-Fans, die ein Stadionverbot erhalten, werden hier angehört.

"Das Stadionverbot ist keine staatliche Maßnahme, sondern eine Präventivmaßnahme auf zivilrechtlicher Grundlage", sagt Nießen. Meistens passieren die Straftaten, die zu den Verboten führen, außerhalb der Stadien. "Auch die An- und die Abreise gehören zum Stadionbesuch", erklärt Nießen. Zwischen einem Spiel und fünf Jahren kann das Verbot ausfallen, je nach Schwere des Falles. Ein Verbot erhalten indes nur die, denen von der Polizei ein Delikt nachgewiesen wird. Wie bei Ralf E.

"Einfach nur ein Scheißgefühl"

"Zunächst war mir nicht klar, was das bedeutet", sagt er. Anfangs blieb der eine oder andere Kumpel bei ihm, wenn er vor dem Stadiontor stand, während gespielt wurde. Freunde hielten für ihn Plakate in der Kurve hoch. Er fühlte sich zunächst als Held und Märtyrer. Davon ist nichts geblieben. "Es ist einfach nur ein Scheißgefühl", sagt er. Er geht nicht mehr zum Stadion. Er hat tolle Jahre seines Klubs verpasst — "und wichtige Jahre des Fan-Seins, die Zeit zwischen 16 und 20".

Die Szenen des Tages, an dem er sich selbst das Recht raubte, zum Fußball zu gehen, verfolgen Ralf E. noch heute. Seine Prognose ist aber günstig. Stadionverbote haben offenbar einen nachhaltigen Lerneffekt. "Der klassische Wiederholungstäter ist eher selten", erklärt Nießen. Doch die Jahre, die Ralf E. draußen bleiben musste, sind weg. Die Soziologie der Kurve hat sich verändert - ohne ihn. "Ich habe Freundschaften verloren, viele Kumpels sind gar nicht mehr da", sagt er. "Ich freue mich, wenn ich wieder zum Fußball gehen darf. Aber ich werde wie ein Fremder im eigenen Stadion sein." Mitleid bekommt er für diese Erkenntnis nicht, das weiß er.

(RP)
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