Borussia Mönchengladbach Xhakas unvollendete Reifeprüfung

Mönchengladbach · Der Sechser war gegen Sevilla Antreiber, Vorkämpfer und Torschütze. Aber auch übermotiviert. Dafür sah er Gelb-Rot.

Die Geschichte des Europa-League-Spiels der Borussen gegen den FC Sevilla ist auch die Geschichte von Granit Xhaka. Der Schweizer ist die Symbolfigur für den großen Kampf, den Gladbach dem Titelverteidiger bot. Und zugleich personifizierte er auch das tragische Scheitern in einem Spiel, das auch ganz anders hätte laufen können.

Xhaka demonstrierte vom Anpfiff an, wo es lang gehen sollte gegen die Andalusier: nach vorn. Gleich nach dem Anstoß schlug er den Ball weit in Richtung des Sevilla-Tores - das signalisierte: Heute wird nicht lange gefackelt, wir wissen, worum es geht. Tore brauchte Borussia - und das erste schoss Xhaka gleich selbst. Patrick Herrmann legte den Ball zurück und Xhakas resoluter Rechtsschuss sauste durch die Beine des spanischen Torhüters hinein ins Netz. Nach dem schnellen 0:1 stellte Xhaka somit klar: "Wir lassen uns hier nicht einfach unterkriegen!"

Fortan war Xhaka der Antreiber - und auch der Vorkämpfer. Dass er und sein Mitsechser Christoph Kramer von Sevilla quasi in Manndeckung genommen wurden, zeugt auch von dem Respekt, den der Gegner vor Borussias "Herzstück" hatte. Dass die Spanier den Schweizer immer wieder auch reizten, zeigt zudem, dass sie wussten um Xhakas zweites Gesicht: Er ist heißblütig, das ist das albanische Blut in seinen Adern. Xhaka hielt dagegen, das ist seine Art, sein Selbstverständnis. In der 32. Minute sah er die erste Gelbe Karte, weil der Schiedsrichter einen Ellenbogeneinsatz im Zweikampf sah. In der 68. Minute trat er seinem Gegenspieler auf den Fuß, der wälzte sich auf dem Boden, als sei der Fuß entzwei gegangen. Zweimal Gelb macht Ampel. Xhaka konnte es nicht fassen und ging vom Feld.

Er liebt Spiele wie das gegen Sevilla. Die große Herausforderung, die große Bühne. Xhaka legte am Donnerstagabend seine Reifeprüfung ab als einer der Chefs im Gladbacher Team. In Hamburg fehlte er, weil er gesperrt war, das war dem Spiel seiner Mannschaft anzumerken. Es fehlte der Motor aus der Tiefe und auf gewisse Weise auch das emotionale Zentrum. Gegen Sevilla war Xhaka wieder da - total motiviert. Aber ein wenig auch übermotiviert.

Borussia Mönchengladbach - FC Sevilla: Einzelkritik
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Borussia - Sevilla: Einzelkritik

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So sorgte er auch dafür, dass es eine unvollendete Reifprüfung wurde, eine mit dem Makel, die seine Kritiker befeuert: "Ich spreche ihm nicht ab, dass er, auch gegen Sevilla, eine Top-Leistung gebracht hat - ich spreche ihm nur ab, dass ihm das Feingefühl fehlt, zu entscheiden, was der Mannschaft gut tut und was nicht", schrieb Roland Heertrass gestern in einem Leserbrief, den er mit "Top-Leistung und doch der Buhmann" überschrieb - und den Hinweis einpflegte, dass es nicht das erste Mal sei, dass Xhaka so etwas passiere. In der vergangenen Saison war es in Freiburg so gewesen, und in dieser Saison gegen Frankfurt. Wie gegen Sevilla gab es auch in diesen Spielen Niederlagen. Gegen Sevilla, vermutete nicht nur Christoph Kramer, war Xhakas Ausschluss der Zeitpunkt, an dem die Hoffnung starb. "Es war bitter für mich und das Team, dass ich ihr in den letzten 20 Minuten nicht mehr helfen konnte", sagte Xhaka.

Er hat dazu gelernt, das hat er in dieser Saison nachgewiesen. Doch noch immer ist er ein Lehrling mit seinen 22 Jahren. Er ist ein Typ, aber als solcher wächst er noch. Trotz seines Fauxpas feierte ihn die Nordkurve nach dem Sevilla-Spiel. Die tragische Figur des wilden Europapokal-Abends zeigte sich reumütig (siehe den nebenstehenden Brief). Doch Xhaka wäre nicht Xhaka, wenn er nicht gleich nach vorn schauen würde und schon in der Niederlage neue Ziele formulieren würde. Geht es nach ihm, kehrt Borussia schon am Saisonende zurück ins internationale Geschäft. Aber nicht in die Europa League. Xhaka will in die Champions League, dorthin, wo er schon mit Basel spielte. Das erste Spiel indes würde Xhaka verpassen. Er wäre gesperrt.

(RP)
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