Bibiana Steinhaus Nicht mehr unter dem Radar

Grassau · Bibiana Steinhaus ist in der neuen Saison die erste Schiedsrichterin, die ein Spiel in der Bundesliga leitet. Die 38-Jährige weiß, dass sie unter ständiger Beobachtung stehen wird. Aber diese Rolle nimmt sie ganz bewusst an.

Nach Karriereende als Bundesliga-Schiedsrichterin: Das ist Bibiana Steinhaus
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Das ist Bibiana Steinhaus

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Foto: dpa/Torsten Silz

Über Schiedsrichter sagt man, es ist schlecht, wenn sie auffallen. Wenn keiner über sie spricht, haben sie hingegen ihre Aufgabe erfüllt - wie ein Toupet, das auf dem Kopf seines Trägers im Optimalfall niemals Grund zum Getuschel sein sollte. Im Sporthotel Achental, Raum Gagelstein, in Grassau am Chiemsee steht Bibiana Steinhaus ganz bewusst im Mittelpunkt. Auf dem Podium sitzen neben ihr Ronny Zimmermann, der fürs Schiedsrichterwesen zuständige Vizepräsident des Deutschen Fußball-Bundes (DFB), Lutz-Michael Fröhlich, Schiedsrichter-Chef und Hellmut Krug, Schiedsrichter-Manager des Verbandes. Der DFB hat vor ein paar Wochen eine aufsehenerregende Entscheidung getroffen: Steinhaus wird die erste Frau sein, die Spiele in der Bundesliga leiten wird.

Sie weiß, dass sie unter ständiger Beobachtung stehen wird, sie weiß, dass bei jedem falschen Pfiff wieder ein paar der Stimmen laut werden, die ihr schon immer die Tauglichkeit abgesprochen haben. Sie wird das Genörgel wie in den Jahren zuvor einfach weglächeln. Steinhaus sagt: "Das ist eine tolle Herausforderung - ich bin seit zehn Jahren in der Zweiten Liga dabei, und es ist der nächste Schritt. Ich habe nicht einen Tag an meiner Berufswahl gezweifelt. Das mache ich gerne, das liebe ich."

Sie ist nun 38 Jahre alt und endlich angekommen. Sie hatte immer mal wieder Förderer im Kreis des DFB. Es war im eigenen Interesse des Verbands, sich modern zu präsentieren und deshalb eine qualifizierte Frau in ihrer Laufbahn zu fördern. Doch es gab hinter den Kulissen auch erbitterte Kämpfe um diese Personalie. Es wurde Internes bereitwillig nach außen geplaudert, Steinhaus sei dem Laufpensum nicht gewachsen, wurde gespöttelt, ihre Beurteilungen seien zu schwach, um weiter aufzusteigen, behaupteten einige. Ihre Beförderung wurde immer wieder verschoben. In der Saison 2015/2016 bekam sie nach einem internen Ranking, das an die Öffentlichkeit gelangte, dagegen die besten Noten aller Schiedsrichter in der Zweiten Liga - doch nicht sie, sondern männliche Kollegen bekamen die Chance zum Aufstieg. Immerhin durfte sie als so genannte vierte Offizielle in der höchsten deutschen Spielklasse an der Seitenlinie wirken - bei einem ihrer Einsätze wollte sie Pep Guardiola, der damalige Trainer des FC Bayern München, kumpelhaft in den Arm nehmen. Steinhaus verbat sich diese Flegelhaftigkeit mit imponierender Durchsetzungsstärke.

"Sie ist eine absolute Ausnahmeerscheinung"

Im Mai dieses Jahres rief dann Fröhlich bei ihr an. Sie hörte seine Worte, aber sie konnte erst nicht realisieren, was er ihr da gerade sagte. "Das brauchte alles etwas länger", erzählt Steinhaus. Fröhlich sagt, es sei "einfach an der Zeit", dass Steinhaus aufsteigt: "Sie hat sich über Jahre hinweg in der Zweiten Liga etabliert, sie stand auch an der Spitze. Sie ist eine absolute Ausnahmeerscheinung." Selbst Fatma Samoura, Generalsekretärin des Weltverbandes Fifa, meldete sich zu Wort und ist um eine Einordnung der Dimension bemüht: "Eine inspirierende Entscheidung der Bundesliga und eine starke Botschaft an den Rest der Welt: Wenn du gut genug bist, ist das Geschlecht irrelevant."

Steinhaus, im Hauptberuf Polizeibeamtin in Hannover, wollte nie Vorreiterin sein. Nie für eine Bewegung kämpfen, sondern für sich die bestmöglichen Bedingungen einfordern, um ihre Leidenschaft auszuüben. 1999 begann sie als Schiedsrichterin, pfiff schnell in der Frauen-Bundesliga, es folgten zwei Jahre später Einsätze in Regionalliga-Begegnungen bei den Männern, und seit 2007 pfeift Steinhaus, die mit Howard Webb, dem ehemaligen englischen Unparteiischen, liiert ist, regelmäßig in der Zweiten Liga. Sie war zwei Mal Weltschiedsrichterin des Jahres und wurde sechs Mal hierzulande als Beste der Zunft ausgezeichnet - zuletzt für ihre Leistungen in der abgelaufenen Saison, bei den Männern wurde diese Ehre Wolfgang Stark zuteil. Eine gemeinsame Wahl, ohne Trennung der Geschlechter, gibt es noch nicht.

"In den ersten Jahren war ich sehr bemüht, unter dem Radar zu fliegen, mit der Gruppe der Schiedsrichter eins zu werden. Bis ich gemerkt habe, dass mir das niemals gelingen wird", hat sie dem "SZ Magazin" gesagt. "Diese Rolle anzunehmen, hat lange gedauert." Die Bundesliga sei eine ganze andere Erfahrung, sagt sie. "Ich habe hart an mir gearbeitet, die Geschwindigkeit ist eine andere", befindet sie. "Ob es mein Leben verändert, wird man sehen. Ich weiß nicht, ob man Glück und Zufriedenheit von der Liga, in der man pfeift, abhängig machen muss."

(gic)
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