Kolumne Gegenpressing Bloß keine Schwäche zeigen!

Düsseldorf · Die Aussagen aus der Fußball-Bundesliga nach den Ereignissen von Paris und Hannover sind austauschbar. Schade, dass kaum einer der angeblich so harten Hunde sein Unbehagen mit der Situation zu erkennen gibt.

 RP-Redakteur Martin Beils.

RP-Redakteur Martin Beils.

Foto: Phil Ninh

Dank Herbert Grönemeyer wissen wir:

"Männer haben's schwer, nehmen's leicht

Außen hart und innen ganz weich

Werden als Kind schon auf Mann geeicht."

Außen hart? Die Vertreter der Fußball-Bundesliga bestimmt. Im Vorfeld des ersten Bundesliga-Spieltags nach den Anschlägen von Paris und der Absage des Länderspiels in Hannover mimten sie durchweg den starken, unerschütterlichen, jeder noch so brenzligen Lage gewachsenen Mann.

Ein paar Kostproben von gestern. Herthas Pal Dardai: "Ich spüre keine Unsicherheit." Bremens Kapitän Clemens Fritz meinte trotzig: "Es ist wichtig, uns auf unser Leben zu konzentrieren. Ich lasse mir nichts kaputtmachen." Der Hoffenheimer Huub Stevens blaffte: "Ich bin Fußballer, kein Polizist", als er auf die Sicherheitslage in den Arenen angesprochen wurde. Und der Münchner Trainer Pep Guardiola sagte vermeintlich weltmännisch: "Natürlich ist es nicht einfach. Leider passiert so etwas fast jede Woche in der Welt. Aber wir müssen leben. Es geht weiter. Meine Kinder fragen mich: Warum? Warum? Warum? Spieler nicht. Sie sind okay und sehr intelligent." Ist einer, der nach dem Warum fragt, etwa nicht intelligent? Spieler geben eben lieber den harten Kerl.

Nur hier und da ist von einem mulmigen Gefühl angesichts der beispiellosen Umstände dieses Spieltags die Rede. Dabei geht doch jeder Stadionbesucher an diesem Wochenende mit einem Kloß im Magen ins Stadion. Doch keiner der Herren wagt zu sagen: "Ich habe Muffensausen." Oder fußballerisch derb: "Mir geht der Arsch auf Grundeis." Oder einfach schlicht: "Ich würde heute lieber nicht spielen."

Würden solche Bekenntnisse etwa als Schwäche ausgelegt? Wahrscheinlich ja. Dabei wäre es genau das Gegenteil. Denn es erfordert gerade Mut, sich mal zu Grönemeyers "Und innen ganz weich" zu bekennen. Doch der Fußball, der nach wie vor von Männern geprägt wird, tut sich schwer mit solchen Bekenntnissen.

Es war schon sehr auffällig, wie zurückhaltend sich die Nationalspieler nach den zum Teil traumatischen Ereignissen im Stade de France geäußert haben. Normalerweise twittern, facebooken oder instagramen die jungen Herren ja im Viertelstundentakt über ihre Befindlichkeiten. Und das am besten noch in drei oder vier Sprachen. In der vergangenen Woche aber war Schweigen im Walde. Ein Reporter des ZDF sprach zwar geheimnisvoll von starken Gefühlsregungen im "inner circle" der Nationalmannschaft, ließ das Publikum aber weitgehend im Unklaren.

Was genau sich in der schlimmen Nacht von Saint-Denis abgespielt hat, verriet bislang keiner der Beteiligten. Welcher der Spieler vielleicht geweint, wer gebetet, wer womöglich panikartig reagiert hat - all das blieb geheim. Anders als wenn die Bundeskanzlerin die Nationalmannschaft besucht, gab es keine Fotos aus dem Umkleidebereich. Die Profis beherzigten die alte Sportlerweisheit "Was in der Kabine passiert, bleibt in der Kabine". Und die Macho-Maxime "Bloß keine Schwäche" zeigen.

Ihre Meinung? Schreiben Sie dem Autor: kolumne@rheinische-post.de

(RP)
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