Revolution in der Bundesliga "In den nächsten drei bis fünf Jahren wird 50+1 fallen"

Düsseldorf · Es mehren sich die Anzeichen, dass die 50+1-Regel der DFL bald fällt und den Weg für Investoren endgültig frei macht. Das wird beim Sportbusiness-Kongress SpoBis in Düsseldorf deutlich.

 Wenn die 50+1-Regel fällt, könnte die Bundesliga für Investoren aus dem Nahen Osten interessant werden.

Wenn die 50+1-Regel fällt, könnte die Bundesliga für Investoren aus dem Nahen Osten interessant werden.

Foto: dpa, Karl-Josef Hildenbrand

Martin Kind ist ein Mann der Zahlen. "Es ist keine Frage der Emotion, sondern der sachlichen Begründung", sagt der Präsident von Bundesligist Hannover 96. Es ist ein Satz, der perfekt beschreibt, was den 72-jährigen Unternehmer ausmacht: Kalkül statt Gefühl. Seit Jahren kämpft der Mann, der mit der Produktion von Hörgeräten reich geworden ist, für die Abschaffung der 50+1-Regel im deutschen Profifußball. Es sieht alles danach aus, als würde er den Kampf bald gewinnen. Das Ende der Bundesliga, wie wir sie kennen, naht.

Nach der 50+1-Vorschrift der Deutschen Fußball-Liga (DFL) ist es Anlegern nicht möglich, die Stimmenmehrheit bei Kapitalgesellschaften zu übernehmen, in die Fußballvereine ihre Profimannschaften ausgegliedert haben. Die Stimmenmehrheit (50+1) liegt in der Regel beim Verein. Allerdings: Wenn jemand den Klub mehr als 20 Jahre ununterbrochen und erheblich gefördert hat, ist eine Ausnahme laut DFL-Statuten möglich. Diese gab es bisher für Leverkusen (Bayer), Wolfsburg (VW) und Hoffenheim (Dietmar Hopp). Beim Sportbusiness-Kongress SpoBis in Düsseldorf kündigte Kind an, dass Hannover der nächste Verein sein wird, der die 50+1-Regel links liegen lässt. Kind hat als Privatperson den Antrag gestellt, die Komplementär-GmbH, der Profibereich und Nachwuchsleistungszentrum unterstellt sind, zu 100 Prozent zu übernehmen. Vermutlich wird dies noch in diesem Sommer passieren. Kind wurde 1997 zum Präsidenten von Hannover 96 gewählt.

Nicht nur für Kind ist es aber lediglich eine Frage der Zeit, bis 50+1 komplett gekippt wird. "Das Thema wird rasant auf uns zulaufen. In den nächsten drei bis fünf Jahren wird 50+1 fallen", sagt beispielsweise Klaus Filbry, Geschäftsführer bei Werder Bremen.

"Die Angst vor den Fans ist da"

"Sie haben bei der DFL die Rechtsfragen nicht zu Ende gedacht", erklärt Kind. "Wenn einer durchklagt, hat er gute Chancen zu gewinnen." Kind sieht beim Status quo erhebliche Probleme im Wettbewerbsrecht, Kartellrecht, EU-Recht und im Recht auf freien Kapitalverkehr. Deshalb plädiert Kind dafür, die DFL-Statuten zu ändern, ehe ein Richter darüber entscheiden muss. Thomas Rudy von Park Lane, einer Sports Investment Bank, steht in Kontakt mit zahlreichen Bundesligisten aus Erster und Zweiter Liga. Er sagt: "Hinter den Kulissen stimmen viele Vereinsvertreter jetzt schon für den Fall der 50+1-Regel, aber die Angst vor den Fans ist da. Psychologisch ist man schon bereit, man überlegt sich nur noch, wie man es den Fans verkauft." Der Grund für die Zurückhaltung: Der deutsche Fußballfan gilt als besonders bodenständiger Anhänger eines Vereins, nicht eines Wirtschaftsunternehmens.

Rudy rät deshalb dazu, die Fans im Gestaltungsprozess des Profifußballs mitzunehmen. In England, wo die größten Anteile nahezu aller Klubs einem Investor gehören, gäbe es gute Beispiele von Supporter-Verbänden, die ebenfalls Gesellschafteranteile besitzen.

Die Sorgen vor allem der deutschen Fans sind allerdings groß, dass ein Investor den Verein als Spielzeug missbrauchen könnte und am Ende den heruntergewirtschafteten Klub mit einem Berg Schulden zurücklässt, falls er sein Vermögen verliert oder schlicht keine Lust mehr hat. Oder dass der Besitzer den Verein komplett umstrukturiert. Die Abhängigkeit von nur einer Person, nur einem Unternehmen scheint vielen Fans neben dem Verlust eines Stimmrechts bei den jährlichen Versammlungen als zu risikoreich.

"Einen Investor kann man nicht so schnell feuern wie einen Trainer"

Kind argumentiert, dass kein Verein gezwungen sei, einen Investor zu holen. Und wenn, dann müsse das eben mit enormer Sorgfalt geschehen. "Einen Investor kann man nicht so schnell feuern wie einen Trainer", sagt Rudy. "Es ist wie eine Ehe."

Interessenten für Investments bei Bundesligaklubs gibt es laut Rudy bereits einige. Besonders aus den USA und China ist das Interesse groß. Dabei gehe es nicht primär darum, Gewinne zu machen, sondern eher um strategische Partnerschaften. Englands aktueller Meister Leicester City gehört zu 100 Prozent Vichai Srivaddhanaprabha, einem thailändischen Geschäftsmann, der nur darauf aus ist, sein Unternehmen "King Power" populärer zu machen.

"Investoren fallen nicht vom Himmel. So attraktiv ist der Fußball ja nun auch nicht", sagt Kind. Dennoch steht der Bundesliga eine völlig neue Zeitrechnung bevor, wenn die Klubs nicht mehr von Mitgliedern mitbestimmt werden, sondern einzig von Unternehmern geführt werden. Rudy versichert: "Es gibt Bundesligaklubs, die uns klar gesagt haben, dass sie zu 100 Prozent ihre Anteile verkaufen, sobald 50+1 fällt."

(erer)
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