Fußball-Lehrer-Chef Hangartner rät Klubs zu PR-Beratung für Trainer

Mönchengladbach · Krisenkommunikation ist heute mehr denn je Teil des Trainerjobs. Doch wie in Gladbach so auch anderswo zeigt die abgelaufene Saison: Der Grat zwischen Authentizität und Fehltritt ist in der heutigen Medienwelt schmal. Experten empfehlen professionelle Schulung.

Seit 2012 Präsident des BDFL: Lutz Hangartner.

Seit 2012 Präsident des BDFL: Lutz Hangartner.

Foto: Verband

Beispiele gab es in der abgelaufenen Saison wieder einige. Roger Schmidt nach Leverkusens Champions-League-Spiel gegen Barcelona, Pal Dardai nach Herthas verlorenem Pokal-Halbfinale in Berlin, Pep Guardiola immer mal wieder in München, André Breitenreiter auf Schalke, Stuttgarts Alexander Zorniger nach Niederlagen oder eben auch André Schubert im Angesicht vieler Gegentore im Winter — immer wieder produzierten Bundesligatrainer in Interviews, auf Pressekonferenzen oder vor TV-Kameras Bilder und Momente von Dünnhäutigkeit, Patzigkeit oder Genervtheit, die aus dem Blickwinkel professioneller Öffentlichkeitsarbeit eines Vereins eher suboptimal wirkten. Das sieht auch Lutz Hangartner, Präsident des Bundes Deutscher Fußballlehrer (BDFL), so. "Häufig machen Trainer Fehler in ihrer Außendarstellung. Das kommt meist vor, wenn sie aufgrund von Misserfolgen stark unter Druck geraten. Es gibt Trainer, die meistern solche Situationen relativ souverän, andere geraten dabei häufig in Erklärungsnöte und machen Fehler", sagt er.

Insofern bemängelt Hangartner, dass die Professionalisierung verschiedener Aufgabengebiete des Trainerjobs die sportliche Krisenkommunikation aus seiner Sicht bislang nicht im selben Maße erfasst hat. Deshalb regt er an: "Da heute Profiklubs Assistenz-, Torwart-, Konditions-, Rehatrainer und Psychologen haben, sollte es keine Kostenfrage sein, auch den aktuellen Trainer mit einem medialen Berater zu unterstützen, der ihn vor Brennpunkten berät und langfristig schult." Unterstützung erhält der Verbandschef dabei von Jörg-Uwe Nieland, Medienwissenschaftler an der Deutschen Sporthochschule Köln. "Es ist den Trainern deutlich zu empfehlen, Medientraining zu nehmen. Und das passiert ja auch durchaus", sagt er. Schubert zum Beispiel gehört zu den Klienten einer Beraterfirma, die auch Kommunikation schult. "Die Trainer wissen, dass die Medien wichtiger geworden sind. Sie wissen, dass die Medien wirken, und wie sie wirken", sagt Nieland. "Es ist deswegen auch manchmal durchaus geplant, mit Auftritten Themen abzuschmettern oder von Themen abzulenken. Das kann PR-Strategie sein", sagt Nieland.

Wenn Trainer im Kontakt mit Medien mal aus der Haut fahren, stellt sich die Öffentlichkeit im Nachgang zuweilen die Frage, ob das in diesen Momenten nicht die Authentizität sei, die im zunehmend von stereotypen Aussagen befallenden Bundesligageschäft gefordert werde. Nieland sagt dazu: "Es ist immer auch eine Gratwanderung, was das Authentische angeht." Unbestritten ist, dass ein Bundesligatrainer heute damit leben muss, dass eine intensive mediale Präsenz seiner Person maßgeblicher Bestandteil seines Jobs geworden ist - in guten wie in schlechten Zeiten. "Die Medialisierung unseres Lebens nimmt immer mehr zu, auch und gerade im Sport. Und damit verbunden gibt es eine zunehmende mediale Personalisierung", sagt Nieland.

Das Internet und vor allem die sozialen Medien haben das Interesse an personalisierten Geschichten in den vergangenen Jahren extrem forciert sowie Tempo und Konkurrenz der Berichterstattung beschleunigt. Dieses Interesse, kombiniert mit dem Druck, erfolgreich arbeiten zu müssen, hat den medialen Arbeitsalltag der Trainer unumkehrbar gewandelt. "Es ist unbestritten, dass sich das Aufgabenfeld eines Trainers im Profifußball gravierend verändert und erweitert hat und es zunehmend schwieriger wird, professionelle Öffentlichkeitsarbeit zu leisten", findet Hangartner.

Die Fußballlehrerausbildung trägt diesem Punkt zwar längst Rechnung, aber: "Diese Schulung kann aus meiner Sicht aber nur eine Vorschulung sein, die den angehenden Trainern nicht mit allem ausstattet, was er einmal brauchen wird. Im ,Haifischbecken Bundesliga' muss er sich freischwimmen und seinen Weg finden", sagt Hangartner. Einen Weg irgendwo zwischen gewünschter Authentizität und konstruktiver PR.

(klü)
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